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VG Hannover

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Zitieren als:
VG Hannover, Urteil vom 30.09.2014 - 10 A 2935/13 - asyl.net: M22415
https://www.asyl.net/rsdb/M22415
Leitsatz:

1. Die persönliche Optionspflicht i.S.d. § 29 Abs. 1 StAG tritt auch dann ein, wenn der Hinweis nach § 29 Abs. 5 StAG nicht unverzüglich nach Vollendung des 18. Lebensjahres versandt wird.

2. Ob dem Betroffenen eine infolge des verspäteten Hinweises unterlassene oder verspätet abgegebene Optionserklärung zum Verlust der Staatsangehörigkeit nach § 29 Abs. 2 Satz 2 StAG führt, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.

(Amtliche Leitsätze)

Schlagwörter: Optionspflicht, Optionserklärung, Verlust der Staatsangehörigkeit, Unverzüglichkeit, Volljährigkeit, unbestimmter Rechtsbegriff, Hinweis,
Normen: StAG § 29 Abs. 1, StAG § 29 Abs. 2, StAG § 29,
Auszüge:

[...]

Der Kläger hat die deutsche Staatsangehörigkeit kraft Gesetzes verloren. Der Bescheid, mit dem die Beklagte den Verlust feststellt, erweist sich deshalb als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Der Kläger gehört aufgrund seiner nach dem 31. Dezember 1999 und aufgrund von § 40 b StAG erfolgten Einbürgerung unter Beibehaltung einer ausländischen Staatsangehörigkeit unstreitig zu dem Kreis derjenigen Personen, die nach § 29 Abs. 1 StAG dem Grunde nach verpflichtet sein sollen, nach Erreichen der Volljährigkeit eine Erklärung abzugeben, ob sie die deutsche oder die ausländische Staatsangehörigkeit behalten wollen.

Nach § 29 Abs. 2 Satz 2 StAG geht die deutsche Staatsangehörigkeit nicht nur bei der Option für eine ausländische Staatsangehörigkeit verloren, sondern auch dann, wenn bis zur Vollendung des 23. Lebensjahres keine Erklärung abgegeben wird. Dass der Kläger bis zu diesem Zeitpunkt keine solche Erklärung abgegeben hat, ist zwischen den Beteiligten ebenfalls unstreitig.

Voraussetzung des Verlustes der Staatsangehörigkeit nach § 29 Abs. 2 Satz 2 StAG ist allerdings das Entstehen der persönlichen Options- und Erklärungspflicht. Diese wird nicht schon durch die abstrakte Zugehörigkeit zu dem im Gesetz genannten Personenkreis begründet, sondern entsteht nach dem Wortlaut des § 29 Abs. 1 Satz 1 StAG erst mit Erreichen der Volljährigkeit und nach Hinweis gemäß Absatz 5. Während mit dem 18. Geburtstag des Klägers am 15. März 2008 die erste dieser Voraussetzungen eingetreten ist, sollte der Hinweis nach § 29 Abs. 5 StAG unverzüglich nach Vollendung des 18. Lebensjahres des Klägers zugestellt werden.

Dem Kläger wurde dieser Hinweis am 5. Juli 2008 und damit 3 Monate, 2 Wochen und 6 Tage nach Vollendung seines 18. Lebensjahres zugestellt. Eine "unverzügliche" Zustellung im Sinne des § 29 Abs. 5 StAG liegt darin nicht. Der unbestimmte Rechtsbegriff "unverzüglich" bedeutet regelmäßig eine Bearbeitung ohne schuldhaftes Zögern. Verzögerungen innerhalb der Verwaltung, die durch verwaltungsinterne Willensbildung, Handhabungshinweise oder innerdienstliche Weisungen eintreten, sind dabei der Behörde zuzurechnen und können dadurch eingetretene Verzögerungen nicht entschuldigen.

Dass der Hinweis an den Kläger nicht unverzüglich zugestellt worden ist, hat jedoch nicht zur Folge, dass die Optionspflicht als solche nicht entstanden wäre. Nach § 29 Abs. 1 StAG muss der betroffene Ausländer "nach Erreichen der Volljährigkeit und nach Hinweis gemäß Absatz 5" erklären, für welche Staatsangehörigkeit er optiert. Dass auch ein verspäteter, aber inhaltlich einwandfreier Hinweis die Optionspflicht begründen kann, schließt diese Formulierung nicht aus (vgl. Berlit, in: GK-StAR 08/2009, Rn. 131 zu § 29 StAG.).

Dass der Hinweis gem. § 29 Abs. 5 StAG unverzüglich nach Vollendung des 18. Lebensjahres zu erfolgen hat, soll dem Betroffenen genügend Zeit für die Entscheidung und die notwendigen Schritte zur Entlassung aus einer ausländischen Staatsangehörigkeit geben. Ob ein verspäteter Hinweis diesen Zweck noch erfüllen kann, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Führt der verspätete Hinweis dazu, dass der Betroffene die Frist zur Antragstellung für eine Beibehaltungsgenehmigung nach § 29 Abs. 3 Satz 3 StAG oder die Frist für die Abgabe der Optionserklärung nicht wahren kann, kann ihm seine Säumnis insofern nicht vorgehalten werden (vgl. Berlit, a.a.O., Rn. 132.).

Ein solcher Kausalzusammenhang zwischen dem verspäteten Hinweis und der nicht abgegebenen Erklärung des Klägers ist hier nicht zu erkennen. Denn der Kläger hat, auch nachdem er den Hinweis erhalten hatte, weder eine Beibehaltungsgenehmigung beantragt noch Schritte zur Entlassung aus der ausländischen Staatsangehörigkeit unternommen. Auch auf mehrere Erinnerungsschreiben der Beklagten hat sich der Kläger nicht geäußert. Neben dem verspäteten Hinweis der Beklagten setzt damit das Verhalten des Klägers eine weitere Ursache für den Verlust der Staatsangehörigkeit, die den Kausalbeitrag der Beklagten überlagert.

Auch die mit der Klage erhobenen inhaltlichen Einwände des Klägers gegen den Hinweis vom 4. Juli 2008 greifen nicht durch. Soweit er bemängelt, er habe nur ein Schreiben durch Zustellung erhalten, genügt die Zustellung eines einzigen Hinweises den Anforderungen des § 29 Abs. 5 Satz 1 StAG. Dass die Beklagte darüber hinaus den Kläger mehrfach formlos angeschrieben hat, ist von Gesetzes wegen nicht erforderlich. Dass der Kläger diese weiteren Schreiben nicht erhalten haben will, steht der gesetzlichen Folge des § 29 Abs. 2 Satz 2 StAG nicht entgegen.

Der Einwand des Klägers, in dem an ihn zugestellten Schreiben sei weder auf die Verpflichtungen des Klägers noch auf die gem. § 29 Abs. 4 bis 4 StAG eintretenden Rechtsfolgen hingewiesen worden, geht schon in tatsächlicher Hinsicht fehl. In dem Schreiben vom 4. Juli 2008, das dem Kläger als einziges durch Zustellung bekanntgegeben worden ist, heißt es:

"Durch die Vollendung des 18. Lebensjahres besteht für Sie die Verpflichtung, sich entweder für die deutsche Staatsangehörigkeit oder für die ausländische Staatsangehörigkeit zu entscheiden und dies mir gegenüber zu erklären (Erklärungs- oder Optionspflicht)." ... "Sie sind verpflichtet, sich mir gegenüber zu entscheiden, ob Sie die deutsche oder die ausländische(n) Staatsangehörigkeit(en) behalten wollen. Die Erklärung muss bis spätestens zum 14.03.2013 bei mir vorliegen."

Damit sind die Pflichten des Klägers unmissverständlich bezeichnet. Gleiches gilt für die Rechtsfolgen des § 29 Abs. 2 bis 4 StAG, die wie folgt beschrieben sind:

"Entscheiden Sie sich, die deutsche Staatsangehörigkeit zu behalten, sind Sie verpflichtet auf Ihre ausländische(n) Staatsangehörigkeit(en) zu verzichten. Sie müssen mir den Verlust dieser Staatsangehörigkeit(en) durch die Vorlage von Urkunden bis spätestens zum 14.03.2013 nachweisen.

Kommen Sie diesen Pflichten nicht nach, verlieren Sie am 15.03.2013 die deutsche Staatsangehörigkeit Kraft Gesetz.

Erklären Sie mir gegenüber, die ausländische(n) Staatsangehörigkeit(en) behalten zu wollen, geht die deutsche Staatsangehörigkeit verloren, sobald mir diese Erklärung vorliegt. Ihren deutschen Ausweis und Pass müssen Sie dann abgeben.

Es besteht jedoch die Möglichkeit, die ausländische Staatsangehörigkeit neben der deutschen zu behalten. In diesem Fall müssen Sie bei mir bis zum 14.03.2011 eine Beibehaltungsgenehmigung beantragen, die Ihnen bei Vorliegen der Voraussetzungen kostenfrei ausgestellt wird. ...

Wird die Beibehaltungsgenehmigung abgelehnt und tritt die Rechtskraft dieser Entscheidung nach der Vollendung Ihres 23. Lebensjahres ein, verlieren Sie am Tag der Rechtskraft die deutsche Staatsangehörigkeit." [...]