VG Freiburg

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Zitieren als:
VG Freiburg, Beschluss vom 28.04.2014 - 2 K 606/14 - asyl.net: M22382
https://www.asyl.net/rsdb/M22382
Leitsatz:

Es ist offen, ob die Auflösung einer Ehe aufenthaltsrechtlich eine "besondere Härte" begründet, weil das ehebedingte Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet zum Erlöschen eines - in einem anderen Staat der EU bestehenden - anderen Aufenthaltsrechts eines Drittstaatsangehörigen geführt hat.

(Amtlicher Leitsatz)

Schlagwörter: Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen, Auflösung der Ehe, Aufenthaltserlaubnis, Mitgliedstaat, Aufenthaltstitel, Erlöschen, besondere Härte, Ehebestandszeit, eheunabhängige Aufenthaltserlaubnis, eigenständiges Aufenthaltsrecht,
Normen: AufenthG § 31 Abs. 1, AufenthG § 31 Abs. 2, AufenthG § 38a,
Auszüge:

[...]

Nach summarischer Prüfung der im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts bestehenden Sach- und Rechtslage sind im vorliegenden Fall die Erfolgsaussichten der Klage des Antragstellers als offen anzusehen. Die deshalb erforderliche Interessenabwägung fällt zugunsten des weiteren Verbleibs des Antragstellers im Bundesgebiet aus. Denn der Antragsteller gefährdet oder beeinträchtigt durch seinen vorläufigen weiteren Aufenthalt in der Bundesrepublik keine gewichtigen öffentlichen Belange. Insbesondere ist er - wie in der Vergangenheit gezeigt und auch durch entsprechende Bestätigungen seines bisherigen Arbeitgebers belegt - in der Lage, seinen Lebensunterhalt ohne Inanspruchnahme öffentlicher Leistungen zu sichern. Andererseits würde es ihm bei einem Vollzug seiner Ausreisepflicht durch eine Abschiebung in den Senegal in erheblicher Weise erschwert, seine Rechtsposition im vorliegenden Verfahren wie auch in einem möglicherweise drohenden familienrechtlichen Verfahren geltend zu machen und die bereits erlangten Integrationsleistungen wie etwa den bisherigen Arbeitsplatz zu sichern.

a. Die aus der Sicht der Kammer gegebenen offenen Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens ergeben sich nach der hier gebotenen summarischen Prüfung weniger daraus, dass der Antragsteller seinen Anspruch auf die Verlängerung der - ehebedingt erteilten - bisherigen Aufenthaltserlaubnis nach §§ 28 Abs. 3; 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG (i.d.F. d. Bek. v. 25.02.2008, BGBl. I S. 162; zul. geänd. d. G. v. 29.08.2013, BGBl. I 2013, S. 3484) darauf stützt, dass die eheliche Lebensgemeinschaft mit seiner deutschen Ehefrau rechtmäßig mindestens drei Jahre lang bestanden habe. Dabei lässt die Kammer offen, ob die eheliche Lebensgemeinschaft des Antragstellers auf der Grundlage der entsprechenden Vorsprache seiner Ehefrau bei der Ausländerbehörde am 10.01.2013 - deren Inhalt in dem Schreiben des damaligen Antragstellerbevollmächtigten vom 21.03.2013 (dort S. 2 drittletzter Absatz) sachlich bestätigt worden war - bereits seit Juli 2012 oder jedenfalls seit Januar 2013 als aufgehoben anzusehen wäre, oder ob die notwendige Kundgabe der dauerhaften Aufgabe des gemeinsamen Lebensmittelpunkts nach außen (zu dieser Voraussetzung vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 11.9.2007 – 3 S 87.07 – AuAS 2007, 218; OVG NRW, B. v. 27.7.2006 – 18 A 1151/06 – juris) mit dem Vortrag des Antragstellers zum unerwarteten Auszug seiner Ehefrau aus der gemeinsamen Wohnung am „ersten Wochenende in Juni 2013“ erst zu diesem Zeitpunkt erfolgt ist. Denn selbst in dem - dem Antragsteller günstigsten - Fall der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft erst Anfang Juni 2013 wäre die Voraussetzung des mindestens dreijährigen rechtmäßigen Bestands der ehelichen Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet nur dann gegeben, wenn der Antragsteller einen erlaubten Aufenthalt bei seiner Ehefrau im Bundesgebiet unmittelbar nach der am 22.05.2010 geschlossenen Ehe begründet hätte. Dem steht jedoch nicht nur entgegen, dass der Antragsteller einen Aufenthaltserlaubnisantrag erst zum 05.08.2010 gestellt hat, sondern auch, dass er selbst bei seiner melderechtlichen Anmeldung vom 21.07.2010 angegeben hatte, dass er (erst) zum 01.07.2010 aus xxx in Frankreich in das Bundesgebiet zugezogen sei.

Allerdings ist es aus der Sicht der Kammer durchaus offen, ob dem Antragsteller nicht aufgrund des Vorliegens einer besonderen Härte eine Aufenthaltserlaubnis nach § 31 Abs. 1, Abs. 2 AufenthG erteilt werden müsste. Eine solche besondere Härte liegt insbesondere vor, wenn dem Ehegatten wegen der aus der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft erwachsenden Rückkehrverpflichtung eine erhebliche Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Belange droht. Notwendig ist insoweit, dass die - aus einem Vergleich der Situation mit der Ausreisepflicht anderer Ausländer mit kurzem Aufenthalt in Deutschland zu ermittelnde - besondere erhebliche Beeinträchtigung schutzwürdiger Belange mit der Ehe oder ihrer Auflösung in Zusammenhang steht (BVerwG, Urt. v. 09.06.2009 – 1 C 11.09 – InfAuslR 2009, 440; Urt. v. 04.09.2007 – 1 C 43.06 – BVerwGE 129, 226, 233). Eine solche Situation könnte hier gegeben sein, wenn der Vortrag des Antragstellers zuträfe, dass er vor seiner Eheschließung mit der deutschen Staatsangehörigen Frau xxx und dem hierauf gegründeten Aufenthalt im Bundesgebiet über ein gesichertes Aufenthaltsrecht in Frankreich verfügt hatte, das aufgrund der Eheschließung und des Zuzugs ins Bundesgebiet erloschen ist und ihm hier unter Umständen über § 38a AufenthG sogar ein eheunabhängiges Aufenthaltsrecht gewährt hätte. Denn in diesem Fall ist das für die Verselbständigung des Aufenthaltsrechts aus einer Eheschließung maßgebliche berechtigte Vertrauen des Antragstellers in eine dauerhafte Aufenthaltsperspektive in einem besonderen, über den Normalfall der Aufenthaltsbeendigung nach Auflösung einer Ehe mit einem deutschen Staatsangehörigen hinausgehenden Maße enttäuscht worden.

Das hiernach möglicherweise entscheidungserhebliche Aufenthaltsrecht des Antragstellers vor seiner Eheschließung in Frankreich muss in der Hauptsache weiter aufgeklärt werden. Zwar lässt sich der ausländerrechtlichen Akte des Antragsgegners über den Antragsteller ein Hinweis auf ein vor seinem Zuzug ins Bundesgebiet bestehendes Aufenthaltsrecht in Frankreich allenfalls mittelbar daraus entnehmen, dass er dort einer sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist. Auch hat der - insoweit darlegungspflichtige - Antragsteller sein Aufenthaltsrecht in Frankreich bislang nur unter Hinweis auf mit der Eheschließung eingereichte Unterlagen behauptet, nicht aber tatsächlich nachgewiesen. Hierzu bestand im bisherigen Verwaltungsverfahren jedoch auch keine besondere Veranlassung, nachdem weder die Antragsgegnerin noch das Regierungspräsidium Freiburg als Widerspruchsbehörde auf den Vortrag des Antragstellers zu seinem Aufenthaltsrecht in Frankreich näher eingegangen waren. Schließlich kann ein vormals bestehendes Aufenthaltsrecht des Antragstellers in Frankreich auch nicht bereits auf der Grundlage der Auskunft des Gemeinsamen Zentrums der deutsch-französischen Polizei- und Zollzusammenarbeit vom 17.06.2013 verneint werden, nach der der Antragsteller in den dieser Stelle zugänglichen französischen Systemen und Dateien weder als Arbeitnehmer noch als Arbeitgeber oder als Sozialleistungsempfänger geführt sei. Denn diese Auskunft bezieht sich offensichtlich auf den aktuellen Status des in Deutschland lebenden Antragstellers in Frankreich und verhält sich nicht zu seiner ausländerrechtlichen Stellung vor seinem Wegzug aus Frankreich im Juli 2010. [...]