OVG Niedersachsen

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Zitieren als:
OVG Niedersachsen, Beschluss vom 09.09.2014 - 8 PA 105/14 - asyl.net: M22288
https://www.asyl.net/rsdb/M22288
Leitsatz:

1. Ob das Einholen der Stellungnahmen einer anderen Behörde ein zureichender Grund im Sinne von § 75 VwGO (Untätigkeitsklage) ist, kann vorliegend dahinstehen.

2. Das Gesundheitsamt derselben Stadt ist im Verhältnis zur Ausländerbehörde keine "andere Behörde".

3. Das Abwarten der Stellungnahme des Gesundheitsamtes durch die Ausländerbehörde stellt keinen zureichenden Grund im Sinne des § 75 VwGO für eine verzögerte Behördenentscheidung dar.

Schlagwörter: Gesundheitsamt, Untätigkeitsklage, Ausländerbehörde, Bearbeitungsdauer, verzögerte Entscheidung, Aufenthaltserlaubnis, Verlängerungsantrag, Prozesskostenhilfe, Fiktionsbescheinigung, Amtsarzt, Behörde, Behörden,
Normen: VwGO § 75,
Auszüge:

[...]

Ein derart verlaufendes Verwaltungsverfahren hätte auch eine selbstzahlende Partei, die sich in der Situation des Klägers befindet, bei besonnener Einschätzung der Prozesschancen und -risiken zur Erhebung einer Untätigkeitsklage veranlasst. Die Beklagte hat auf den fristgerechten Verlängerungsantrag zunächst mehr als ein Jahr nur Fiktionsbescheinigungen ausgestellt. Ein darüber hinaus gehendes, die erforderliche Entscheidung über den gestellten Antrag auch nur vorbereitendes Verwaltungshandeln ist nicht ersichtlich. Auch im weiteren Verlauf verlief die Bearbeitung des Antrags äußerst zögerlich. Zwar hat auch der Kläger die von der Beklagten im August 2013 erbetenen Informationen, ob die im Bundesgebiet lebende Tochter ... auf Unterstützungsleistungen ihrer Eltern angewiesen ist, erst nach einer Erinnerung Anfang Januar 2014 beigebracht. Die Beklagte hat trotz der dann vorliegenden Informationen aber keine Entscheidung über den Verlängerungsantrag getroffen, sondern drei Monate nach Eingang der Informationen wiederum nur eine Fiktionsbescheinigung erteilt. Selbst nach Erhebung der Untätigkeitsklage benötigte die Beklagte noch mehr als zwei Monate, um abschließend über den Verlängerungsantrag der Kläger zu entscheiden. Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts und der Beklagten war der Kläger auch nicht gehalten, die avisierte Stellungnahme des Gesundheitsamtes der Beklagten abzuwarten. Dabei kann der Senat dahinstehen lassen, ob, wie es das Verwaltungsgericht meint, die Einholung der Stellungnahme einer anderen Behörde überhaupt einen zureichenden Grund für eine verzögerte behördliche Entscheidung im Sinne des § 75 Satz 1 und 3 VwGO darstellen kann (vgl. Bader u.a., VwGO, 5. Aufl., § 75 Rn. 13; Eyermann, VwGO, 13. Aufl., § 75 Rn. 9 (verneinend); Kopp/Schenke, VwGO, 18. Aufl., § 75 Rn. 13 (bejahend)). Denn das Gesundheitsamt der Beklagten ist im Verhältnis zu deren Ausländeramt keine "andere Behörde. "Ausländerbehörde" im Sinne des § 71 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ist hier die beklagte Stadt Wilhelmshaven. Von dieser gebildete verwaltungsorganisatorische Einheiten ohne eigene gesetzlich bestimmte Zuständigkeiten (bspw. Abteilungen, Dezernate oder Ämter) sind keine eigenständigen Behörden, sondern nur Teil der Behörde "Stadt Wilhelmshaven" (vgl. Senatsbeschl. v. 6.5.2010 - 8 LA 66/10 -, Umdruck S. 4; Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, 4. Aufl., § 9 Rn. 5 m.w.N. und zum Behördenbegriff: BVerfG, Urt. v. 14.7.1959 - 2 BvF 1/58 -, BVerfGE 10, 20, 48; BVerwG, Urt. v. 24.1.1991 - BVerwG 2 C 16.88 -, BVerwGE 87, 310, 312; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl., § 1 Rn. 236). [...]