VG Berlin

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Zitieren als:
VG Berlin, Beschluss vom 07.10.2014 - 23 L 589.14.A - asyl.net: M22284
https://www.asyl.net/rsdb/M22284
Leitsatz:

Die Dublin III-VO ist auch auf denjenigen Antragsteller anzuwenden, der subsidiären Schutz in einem anderen Dublinstaat genießt, sofern er in Deutschland einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat.

Schlagwörter: Dublinverfahren, Dublin III-Verordnung, Bulgarien, subsidiärer Schutz, Wiederaufnahmeersuchen, Übernahmeersuchen,
Normen: AsylVfG § 26a, VO 604/2013 Art. 23,
Auszüge:

[...]

Soll ein Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a AsylVfG) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a AsylVfG) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt nach § 34a Abs. 1 S. 1 AsylVfG die Abschiebung an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Hiernach hat das Bundesamt die streitgegenständliche Abschiebungsanordnung zu Unrecht auf § 26a Abs. 1 AsylVfG gestützt. Denn vorliegend findet die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (Dublin III-VO) Anwendung.

Der Anwendung der Verordnung steht nicht entgegen, dass dem Antragsteller ausweislich seines bulgarischen "PASSPORT OF SUBSIDIARY PROTECTION BENEFICIARY" (Blatt 25 des Verwaltungsvorgangs" durch die Republik Bulgarien bereits subsidiärer Schutz gewährt worden und das dortige Asylverfahren beendet ist. Nach Art. 1 Dublin III-VO legt die Verordnung die Kriterien und Verfahren fest, die bei der Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist, anzuwenden sind (vgl. EuGH, Urteil v. 03.05.2012 - C-620/10, NVwZ 2012, 817 [818] für die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates - Dublin II-VO -). Gemäß Art. 3 Abs. 1 Dublin III-VO prüfen die Mitgliedstaaten jeden Antrag auf Gewährung Internationalen Schutzes. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien der Dublin III-VO als zuständiger Staat bestimmt wird. Der Antragsteller hat als syrischer Staatsangehöriger (Art. 2 Buchst. a) Dublin III-VO) mit seinem Asylantrag vom 1. September 2014 einen Antrag auf internationalen Schutz in der Bundesrepublik Deutschland, einem Mitgliedstaat der Europäischen Union und damit Adressat der Dublin III-VO, gestellt (vgl. auch §§ 3, 4, 5 AsylVfG). Dabei handelt es sich auch um einen Antrag auf internationalen Schutz" im Sinne des Art. 2 Buchst. b) Dublin III-VO i.V.m. Art. 2 Buchst. h) der Richtlinie 2011/95/EU. Der umfassende Wortlaut der Regelungen in Art. 1 und Art. 3 Abs. 1 Dublin III-VO lässt gleichermaßen wie die Begriffsbestimmungen in Art. 2 Buchst. b) Dublin III-VO und Art. 2 Buchst. h) Richtlinie 2011/95/EU eine Begrenzung auf Erstanträge nicht erkennen. Die Dublin III-VO findet vielmehr - wie bereits das Dublin II-VO - grundsätzlich auch Anwendung auf Zweitverfahren. Auch die mittlerweile geltende Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (Asylverfahrensrichtlinie) zeigt ausdrücklich, dass das Dublin-Regime bei Folgeanträgen Anwendung finden soll. Denn nach Art. 40 Abs. 7 Asylverfahrensrichtlinie prüft der gemäß der Dublin III-VO zuständige Mitgliedstaat weitere Angaben oder Folgeanträge. Im Übrigen bliebe anderenfalls die Regelung in Art. 18 Abs. 1 Buchst. d) Dublin III-VO bis auf die in Art. 24 Abs. 1 Dublin III-VO geregelten Fälle, in denen der Drittstaatsangehörige oder Staatenlose keinen neuen Antrag stellt und der u.a. auf Art. 18 Abs. 1 Buchst. d) Dublin III-VO verweist, ohne Anwendungsbereich. Die Dublin III-VO erfasst daher auch Zweit- bzw. Folgeverfahren. Zudem geht auch der nationale Gesetzgeber ersichtlich von der Anwendbarkeit der Dublin III-VO in derartigen Fällen aus (vgl. BT-Drs. 16/5065, S. 219), was seinen Niederschlag in der Regelung des § 71a AsylVfG gefunden hat. Dem steht nicht entgegen, dass Art. 2 Buchst. c) Dublin III-VO bestimmt, dass "Antragsteller" im Sinne der Verordnung derjenige ist, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, über den noch nicht endgültig entschieden worden ist. Der Antragsteller des hiesigen Verfahrens ist jedoch auch nach dieser Definition "Antragsteller" im Sinne der Dublin III-VO. Denn abzustellen ist insofern auf den jeweils gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz (vgl. VG Bremen, Beschluss v. 11.03.2014 - 1 V 153/14 - Rn. 18; VG Berlin, Beschluss vom 2. Juni 2014 - VG 33 L 156.14 A -; VG Cottbus, Beschluss vom 11. Juli 2014 - 5 L 190/14.A; a.A. VG Trier, Beschluss v. 16.04.2014 - 5 L 569/14.TR -; jeweils zitiert nach juris). Über den in der Bundesrepublik Deutschland gestellten Asylantrag des Antragstellers ist aber noch nicht endgültig entschieden worden.

Die Republik Bulgarien ist im Sinne des § 27a AsylVfG für die Durchführung des Asylverfahrens des Antragstellers zuständig. Sie ist nach Art. 18 Abs. 1 Buchst. d) Dublin III-VO verpflichtet, den Antragsteller, dessen Asylantrag mit der Gewährung subsidiären Schutzes jedenfalls teilweise abgelehnt wurde und der in der Bundesrepublik Deutschland einen erneuten Antrag gestellt hat, wieder aufzunehmen.

Die Abschiebung des Antragstellers ist gegenwärtig jedoch nicht durchführbar. Denn die Antragsgegnerin hat es bisher versäumt, an die bulgarischen Behörden ein Wiederaufnahmeersuchen nach Art. 23 Dublin III-VO zu stellen. [...]