Für Muslime generell und speziell für Angehörige der Volksgruppe der Rohingya besteht in Myanmar eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben im Sinne von § 60 Abs. 1 AufenthG.
Die illegale Ausreise aus Myanmar kann mit einer Haftstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren geahndet werden.
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Nach Maßgabe dieser Grundsätze und unter Würdigung der beigezogenen Verfahrensakten und der in das Verfahren eingeführten Auskünfte und Erkenntnisse sowie des Vortrags des Klägers in der mündlichen Verhandlung ist das Gericht zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft erfüllt.
Das Gericht geht hierbei von folgendem Sachverhalt aus: Der Kläger stammt aus Myanmar und lebte mit seiner Familie über Jahre hinweg in einem Flüchtlingscamp in Bangladesch, bevor er zunächst nach Dhaka gelangte und von dort ausreiste. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung ein Verfolgungsschicksal vorgetragen, das nach der Überzeugung des Gerichts den Tatsachen entspricht. Er hat ausführlich, widerspruchsfrei, detailreich und ohne Zögern auf die ihm gestellten Fragen geantwortet. Hiernach steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger aus Myanmar stammt und der muslimischen Minderheit der Rohingyas angehört. Er lebte lange Jahre in einem Flüchtlingscamp in Bangladesch, was der durchgeführten Sprachanalyse für eine sprachlich-geographische Zuordnung zu Bangladesch entspricht. Zudem bewertet das Gericht in einer Gesamtschau die vorgelegte "Master Card for the Registration of Refugees from Myanmar" der bangladeschischen Regierung als echt. Der Kläger konnte auf Befragen ohne Zögern seine Familienmitglieder benennen. Zudem ergibt sich aus der vorgelegten Bescheinigung aus dem Nayapara Refugee Camp vom 29. Juli 2013 die Unrichtigkeit des Geburtsdatums der Mutter des Klägers.
Der Kläger wäre bei einer Rückkehr nach Myanmar aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Rohingya und aufgrund seines muslimischen Glaubens gefährdet.
Nach umfangreichen Recherchen kommt Human Rights Watch in einem Bericht zu dem Ergebnis, dass die burmesischen Behörden und Mitglieder der arakanesischen Bevölkerung im Zuge einer seit Juni 2012 andauernden Kampagne ethnischer Säuberungen gegen Rohingya-Muslime im Bundesstaat Arakan Verbrechen gegen die Menschlichkeit verübt haben. In den vergangenen Jahren wurden Muslime in Myanmar von der Bevölkerung angegriffen und getötet, wobei die myanmarischen Sicherheitsbehörden nichts bzw. nicht viel gegen diese gewaltsamen Übergriffe unternommen haben. Die Angriffe auf muslimische Gemeinschaften im Oktober 2012 seien zeitweise von staatlichen Sicherheitskräften direkt unterstützt worden. Zumindest hätten die anwesenden Sicherheitskräfte nichts unternommen, um die Sicherheit der angegriffenen Muslime zu gewährleisten. Die Regierung habe auch keine ernsthaften Schritte unternommen, um die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen oder zukünftige Gewaltausbrüche zu verhindern. Diese gewaltsamen Auseinandersetzungen betrafen zwar vor allem den Staat Rakhaing, aber auch in anderen Gegenden im Zentrum des Landes gab es derartige Übergriffe auf Moslems. Dabei sollen zahlreiche Menschen getötet worden sein, wobei die meisten Angehörige der muslimischen Rohingya waren (Human Rights Watch, Bericht vom 22. April 2013, Burma: "Ethnische Säuberungen" gegen Rohingya-Muslime beenden, www.hrw.org/de/news/2013/04/22/burma-ethnische-saeuberungen-gegen-rohingya-muslimebeenden; Amnesty International, Amnesty Report 2013 – Myanmar; www.amnesty.de jahresbericht/ 2013/myanmar?destination=node%2F2985%3Fpage%3D1).
Das Europäische Parlament geht davon aus, dass die Rohingya, von denen viele seit Jahrhunderten im Rakhaing-Staat ansässig sind, nicht als eine der 135 Volksgruppen in Burma/Myanmar anerkannt sind und daher nach dem Bürgerschaftsgesetz von 1982 keine Bürgerrechte genießen, von vielen Burmesen für illegale Einwanderer aus Bangladesh gehalten werden und Opfer systematischer schwerwiegender Diskriminierungen sind, einschließlich Einschränkungen in Bereichen wie Bewegungsfreiheit, Heirat, Bildung, Gesundheit und Beschäftigung ebenso wie Beschlagnahme von Grund und Boden, Zwangsarbeit, willkürliche Festnahmen und Schikanierung durch die Behörden (Verfolgung von Rohingya-Moslems in Burma/Myanmar, Entschließung des Europäischen Parlaments vom 13. September 2012 zur Verfolgung der Rohingya-Moslems in Burma/Myanmar (2012/2784(RSP)(2013/C 353 E/20), ABl. C 353E vom 3. Dezember 2013, S. 145).
Nach alledem ist davon auszugehen, dass gegenwärtig für Moslems generell und speziell für Angehörige der Rohingya in Myanmar eine erhebliche Gefährdung für Leib und Leben im Sinne von § 60 Abs. 1 AufenthG besteht (vgl. Verwaltungsgericht München, Urteil vom 20. Juni 2013 – M 17 K 12.30679 –, juris).
Unabhängig davon drohen dem Kläger im Falle der Rückkehr auch aufgrund der illegalen Ausreise und der Asylantragstellung Maßnahmen im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG drohen. Denn nach Auskunft des UNHCR kann die illegale Ausreise aus Myanmar mit einer Haftstrafe von sechs Monaten bis fünf Jahren geahndet werden (UNHCR, Auskunft an das Verwaltungsgericht Ansbach vom 21. Dezember 2012).
Eine Anpassung der Gesetze ist nach dem Regierungswechsel in Myanmar bisher nicht erfolgt. Zwar hat nach Angaben des Auswärtigen Amtes die Beantragung von Asyl in Deutschland allein keine Auswirkungen auf das persönliche Wohlergehen bei einer Rückkehr nach Myanmar. Dies sei allerdings anders zu beurteilen, wenn weitere Umstände, wie z.B. die Begehung einer Straftat nach myanmarischem Recht, hinzuträten. Eine solche Straftat kann aber gerade die illegale Ausreise aus Myanmar und/oder (Wieder-)Einreise nach einem illegalen Auslandsaufenthalt sein. In Folge der aktuellen politischen Entwicklung in Myanmar ist insoweit keine andere Beurteilung angezeigt. Zwar hat sich die menschenrechtliche Situation etwas verbessert, jedoch bleibt Myanmar von einem Rechtsstaat noch weit entfernt und es sind weiterhin Fälle von Behördenwillkür weit verbreitet (vgl. aus der neueren Rechtsprechung Verwaltungsgericht München, Urteil vom 5. August 2013 - M 17 K 13.30303 -; Verwaltungsgericht Regensburg, Gerichtsbescheid vom 29. Juli 2013 - RN 2 K 13.30348 -; Verwaltungsgericht München, Urteil vom 20. Juni 2013 – M 17 K 12.30669 –; Verwaltungsgericht Augsburg, Urteil vom 1. Februar 2013 – Au 6 K 12.30191 –; Verwaltungsgericht Ansbach, Urteil vom 23. Januar 2013 - AN 9 K 11.30459 -; jeweils juris).
Dass der Kläger mit seiner Familie seinerzeit Myanmar auf der Flucht illegal verlassen hat, steht für das Gericht fest und wird auch vom Bundesamt nicht in Zweifel gezogen. [...]