VG Potsdam

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Zitieren als:
VG Potsdam, Beschluss vom 05.09.2014 - 6 L 500/14.A - asyl.net: M22202
https://www.asyl.net/rsdb/M22202
Leitsatz:

Nach Art. 8 Abs. 4 Dublin III-VO ist für einen unbegleiteten Minderjährigen grundsätzlich der Mitgliedstaat zuständig, in dem er sich aufhält. Zweifel an der Minderjährigkeit auf Seiten der Behörde reichen nicht aus, um den unionsrechtlichen Minderjährigenschutz zu widerlegen.

Schlagwörter: unbegleitete Minderjährige, Haager Minderjährigenschutzabkommen, Geburtsurkunde, Dublinverfahren, Dublin II-VO,
Normen: AsylVfG § 34a Abs. 1, VO 604/2013 Art. 8 Abs. 4,
Auszüge:

[...]

Nach dem Vorbringen des Antragstellers steht seiner seitens des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge angenommenen Volljährigkeit entgegen, dass er im – maßgeblichen – Zeitpunkt der Asylantragstellung in Deutschland (am 27. Januar 2014) noch minderjährig gewesen sei. Soweit er dies unter Vorlage einer angeblich echten Originalurkunde des Afgoye General Hospital vom 28. November 1996 nachzuweisen sucht, wonach er am 21. November 1996 geboren sei, kann ihm dies derzeit nicht mit einer dem unionsrechtlichen Minderjährigenschutz gerecht werdenden Gewissheit widerlegt werden. Nach Art. 8 Abs. 4 Dublin III-VO ist bei einem unbegleiteten Minderjährigen grundsätzlich der Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrages zuständig, in dem sich der Minderjährige aufhält (vgl. EuGH; Urteil vom 6. Juni 2013 - Rs. C-648/11 -, juris). Hiernach kommt es nicht auf die – ansonsten nicht zu beanstandende – Annahme des Bundesamtes an, dass Italien wegen des dortigen Voraufenthalts des Antragstellers für die Prüfung des nunmehr hier angebrachten Schutzgesuchs zuständig wäre.

Nach Aktenlage lässt sich nicht nachvollziehen, weshalb dem Antragsteller und durch wen ihm in Deutschland das fiktive Geburtsdatum (7. Januar 1996) zugeordnet worden ist. Ausweislich Bl. 24/Bundesamtsakte geschah dies wohl in Hamburg, nachdem der Antragsteller dort nach illegaler Einreise angetroffen worden war und sein Geburtsdatum mit dem 21. November 1996 angegeben hatte. Zwar gab der Antragsteller sein Geburtsdatum anlässlich der Aufnahme in der Erstaufnahmeeinrichtung in Eisenhüttenstadt selbst mit dem 7. Januar 1996 an; es ist indes nicht auszuschließen, dass er dies lediglich in Anlehnung an das ihm in Hamburg behördlich zugeordnete Datum getan hat. Auch wenn es zumindest erstaunlich anmutet, dass der Antragsteller am 16. März 2011 – also als 15-jähriger – geheiratet haben soll – wie er gegenüber dem Bundesamt am 31. Januar 2014 angeführt hat –, und es nachgerade konstruiert erscheint, wie er in den Besitz der angeblich echten Geburtsurkunde gelangt sein will, bedarf der Umstand des tatsächlichen Alters des Antragstellers derzeit noch der Aufklärung. [...]