VG Würzburg

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Zitieren als:
VG Würzburg, Urteil vom 04.07.2014 - W 2 K 12.30134 - asyl.net: M22147
https://www.asyl.net/rsdb/M22147
Leitsatz:

Personen, die aufgrund der Ausübung ihres Selbstbestimmungsrechts in Form einer verbotenen Liebesbeziehung verfolgt werden, sind nicht als soziale Gruppe im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylVfG anzusehen, da es an gemeinsamen identitätsstiftenden Merkmalen, die über die Betonung der Individualität und das Ausleben der eigenen Persönlichkeit hinausgeht, fehlt.

Schlagwörter: Afghanistan, Familienehre, soziale Gruppe, Liebesbeziehung, Zina, Asylrelevanz, außereheliche Liebesbeziehung, erhebliche individuelle Gefahr, ernsthafter Schaden, Abschiebungsverbot, subsidiärer Schutz,
Normen: AsylVfG § 3 Abs. 1 Nr. 1, AsylVfG § 3 Abs. 1 Nr. 1, AsylVfG § 3b Abs. 1 Nr. 4,
Auszüge:

[...]

Ein derartiges Recht auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft steht dem Kläger nicht zu.

Soweit der Kläger vorträgt, einer Bedrohung durch die Familie eines Mädchens ausgesetzt zu sein, mit dem er eine Beziehung unterhalten habe, fehlt es an einem Anknüpfungsmerkmal i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass diejenigen, die unter Ausübung ihres Selbstbestimmungsrechts in Konflikt mit einem archaisch-kulturell geprägten Begriff der Familienehre geraten, eine soziale Gruppe i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG i.V.m. § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylVfG darstellen. Das Vorliegen einer derartigen sozialen Gruppe setzt voraus, dass die Mitglieder angeborene Merkmale oder einen gemeinsamen unveränderbaren Hintergrund gemein haben oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten (§ 3b Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a AsylVfG), und dass die Gruppe in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat, da sie von der umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird (§ 3b Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b AsylVfG). Es fehlt im vorliegenden Fall bereits an gemeinsamen identitätsstiftenden Merkmalen, die über die Betonung der Individualität und das Ausleben der eigenen Persönlichkeit hinausgehen.

Bei der vom Kläger vorgetragenen Entführung handelt es sich um Kriminalität, die ebenfalls keinen Bezug zu einem Anknüpfungsmerkmal nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG aufweist. [...]