LSG Bayern

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Zitieren als:
LSG Bayern, Beschluss vom 26.02.2014 - L 12 EG 55/12 - asyl.net: M22035
https://www.asyl.net/rsdb/M22035
Leitsatz:

1. Sofern eine ausländische Klägerin ihr Aufenthaltsrecht über eine Person mit uneingeschränktem Arbeitsmarktzugang ableitet, gilt die uneingeschränkte Arbeitserlaubnis über §§ 36 Abs. 2, 29 Abs. 5 AufenthG auch für die Klägerin.

2. Eine insoweit fehlerhafte Eintragung der Ausländerbehörde im Pass der Klägerin ist im Hinblick auf die kraft Gesetzes eingetretene Rechtsfolge unschädlich.

(Amtliche Leitsätze)

Schlagwörter: Zugang zum Arbeitsmarkt, Arbeitsmarktzugang, Arbeitserlaubnis, Erwerbstätigkeit, konstitutiv, deklaratorisch, Nebenbestimmung, Familiennachzug, Familienangehörige, Elterngeld, Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen,
Normen: AufenthG § 36 Abs. 2, AufenthG § 29 Abs. 5, AufenthG § 4 Abs. 2 S. 2, AufenthG § 29 Abs. 5, BEEG § 1 Abs. 1,
Auszüge:

[...]

Seit dem AufenthG muss nach dessen § 4 Abs. 2 Satz 2 jeder Aufenthaltstitel erkennen lassen, ob die Ausübung einer Erwerbstätigkeit erlaubt ist. § 4 Abs. 1 Satz 1 AufenthG bestimmt, dass ein Aufenthaltstitel zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt, sofern es nach diesem Gesetz bestimmt ist oder der Aufenthaltstitel die Ausübung der Erwerbstätigkeit ausdrücklich erlaubt. Nachdem in der Aufenthaltserlaubnis der Klägerin vom 21.02.2011 fälschlicherweise der Eintrag "Erwerbstätigkeit nicht gestattet" aufgenommen war, hängt der Anspruch auf Elterngeld damit davon ab, ob der Zusatz konstitutiv oder rein deklaratorischer Natur war. Für den dritten bis zwölften Lebensmonat hat das SG aber zutreffend entschieden, dass die Nebenbestimmung zur Erwerbstätigkeit in der der Klägerin nach § 36 Abs. 2 AufenthG erteilten Aufenthaltserlaubnis lediglich deklaratorische Natur ist. Denn die Klägerin hat zwar eine Aufenthaltserlaubnis nach § 36 Abs. 2 AufenthG erhalten, jedoch sind die Grundvoraussetzungen für den Familiennachzug zu einem Ausländer nach den §§ 30, 32 und 36 AufenthG in § 29 AufenthG geregelt (vergleiche Gesetzesmaterialien BT-Drucksache 15/420, Seite 81). Soweit der Beklagte in der Berufung darauf verweist, dass § 29 Abs. 5 AufenthG nicht auf den Familiennachzug nach § 36 Abs. 2 AufenthG anwendbar sei, teilt der Senat diese Auffassung nicht. Denn systematisch ist das Regelwerk des Familiennachzugs so aufgebaut, dass zunächst die Grundvoraussetzungen der §§ 5 und 27 AufenthG gelten und beim Familiennachzug zu Ausländern in § 29 weitere Grundvoraussetzungen aufgestellt sind. Zuzug, Verfestigung und Verselbständigung für Ehegatten, Kinder und sonstige Familienangehörige sind dann jeweils getrennt behandelt (§§ 30 und 31, §§ 32, 34 und 35 sowie 36), wobei das in Deutschland geborene Kind eine eigenständige Regelung erfährt, § 33 AufenthG (vgl. hierzu Renner/Bergmann/ Dienelt, Ausländerrecht, Rdnr. 4 zu § 29 AufenthG). § 29 Abs. 5 AufenthG regelt, inwieweit Familienangehörige, die zu Ausländern nachziehen, eine Erwerbstätigkeit ausüben dürfen. Nachziehende Familienangehörige werden dabei so gestellt wie der Ausländer, zu dem sie nachziehen. Das bedeutet: Hat der Ausländer, zu dem der Nachzug erfolgt, einen unbeschränkten Arbeitsmarktzugang, gilt dies auch für die nachziehenden Familienangehörigen. Nachdem die Klägerin ihr Aufenthaltsrecht über ihren Sohn ableitet, der eine uneingeschränkte Arbeitserlaubnis besitzt, gilt diese uneingeschränkte Arbeitserlaubnis über §§ 36 Abs. 2, 29 Abs. 5 AufenthG zugleich für die Klägerin. Diese Auffassung wird unterstützt von den Gesetzesmaterialien zu § 4, wonach § 4 S. 1 AufenthG festlegt, dass ein Aufenthaltstitel zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt, wenn es gesetzlich vorgesehen ist und hierzu in der Klammeraufzählung auch § 29 Abs. 5 AufenthG genannt wird (BT-Drs. 15/420, S. 69). Der Gesetzesbegründung ist zu entnehmen, dass im Fall von § 29 Abs. 5 AufenthG die Berechtigung zur Erwerbstätigkeit lediglich deklaratorisch zu vermerken ist (BT-Drs., aaO.). Hiervon geht ersichtlich auch die Ausländerbehörde aus, indem sie mit Schreiben vom 10.10.2012 bestätigt, dass der Klägerin bereits ab dem 21.02.2011 nach § 29 Abs. 5 AufenthG Erwerbstätigkeit gestattet war. Insoweit ist die fehlerhafte Eintragung der Ausländerbehörde im Pass der Klägerin im Hinblick auf die kraft Gesetzes eingetretene Rechtsfolge unschädlich. Die Klägerin ist damit im Zeitraum vom 19.03.2011 bis 18.01.2012 dem Grunde nach elterngeldberechtigt.

Nachdem die Klägerin auch die übrigen Grundvoraussetzungen gemäß § 1 Abs. 1 BEEG erfüllt, da sie im noch streitgegenständlichen Zeitraum (19.03.2011 bis 18.01.2012) ihren Wohnsitz in Deutschland hatte, mit ihrem Kind in einem Haushalt lebte und dieses selbst betreute sowie keine elterngeldschädliche Erwerbstätigkeit ausübte, steht der Klägerin im Zeitraum dritter bis zwölfter Lebensmonat ein Anspruch auf Elterngeld in Höhe des Grundbetrages von monatlich 300 € zu. Die Berufung des Beklagten ist daher zurückzuweisen. [...]