VG Augsburg

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Zitieren als:
VG Augsburg, Beschluss vom 14.04.2014 - Au 5 S 14.50061 - asyl.net: M22009
https://www.asyl.net/rsdb/M22009
Leitsatz:

Ergibt sich aus dem tatsächlichen Vorbringen, dass der Antragsteller letztlich internationalen Schutz vor Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention sucht, ist auch die formale Beschränkung auf die Vorschriften des § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG nicht geeignet, eine Abschiebung in den im Rahmen der Dublin Verordnung für die Prüfung des Antrags zuständigen Staat zu verhindern.

Schlagwörter: Dublinverfahren, nachträgliche Beschränkung, subsidiärer Schutz, internationaler Schutz, Genfer Flüchtlingskonvention, Asylrelevanz, Dublin II-VO, nationales Abschiebungsverbot,
Normen: AufenthG § 60 ABs. 5, AufenthG § 60 Abs. 7, AsylVfG § 3 Abs. 1 Nr. 1, AufenthG § 60 Abs. 1,
Auszüge:

[...]

2. Die Antragstellerin kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Voraussetzungen für eine Abschiebung nach Spanien auf der Grundlage der Dublin-II-Verordnung nicht mehr vorliegen. Insoweit hat die Antragstellerin vorgetragen, sie habe zwischenzeitlich ihren Asylantrag zurückgenommen und begehre nur noch nationalen Abschiebungsschutz. Eine Überstellung in einen anderen Mitgliedstaat auf der Grundlage der Dublin-II-Verordnung könne somit nicht mehr erfolgen. Die in der Rechtsprechung kontrovers diskutierte Frage, ob durch eine Teilrücknahme des Schutzersuchens und die spätere Beschränkung des Schutzersuchens ausschließlich auf das Gewähren subsidiären nationalen Schutzes bzw. auf das Feststellen eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 bzw. 7 AufenthG die Dublin-II-Verordnung anwendbar bleibt, bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung.

Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Dublin-II-Verordnung auf solche Sachverhalte keine Anwendung findet, bei denen ein Schutzersuchen von vorne herein oder auch nachträglich auf die Gewährung subsidiären Schutzes beschränkt worden ist (vgl. VG München, U.v. 9.9.2010 – M 2 K 09.50582 – juris Rn. 15 bis 19; VG Frankfurt, B.v. 6.7.2011 – 7 L 1604/11.F.A – NVwZ 2011, 2471 f; VG Regensburg, U.v. 2.8.2012 – RO 7 K 12.30025 – juris Rn. 16 und 19 bis 31), bleibt der Antrag erfolglos.

In Anbetracht der Problematik einer Umgehung bevorstehender Abschiebungen durch nachträgliche Beschränkung des Schutzbegehrens ist bei der Auslegung des Schutzbegehrens sowohl nach nationalem Recht wie auch im Rahmen der Anwendung der Dublin-II-Verordnung auf das tatsächliche Vorbringen des jeweiligen Antragstellers abzustellen. Danach ist der gestellte Antrag objektiv auszulegen, so dass es sowohl für die innerstaatliche Rechtsanwendung als auch für die Anwendbarkeit der Dublin-II-Verordnung allein auf die inhaltliche Bedeutung, die der Antragsteller seinem Schutzbegehren beimisst bzw. beimessen möchte, nicht ankommen kann. Macht der Schutzsuchende daher unter formaler Berufung auf § 60 Abs. 5 bzw. 7 AufenthG in Wirklichkeit ein Schutzsuchen vor Verfolgung geltend, so liegt ein Asylantrag vor (vgl. Marx, Kommentar zum AsylVfG, 7. Aufl. 2008, § 27a Rn. 19). Ergibt sich aus dem tatsächlichen Vorbringen, dass die Antragstellerin letztlich internationalen Schutz vor Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention sucht, ist auch die bloße formale Beschränkung des Antrags auf die Vorschriften des § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG nicht geeignet, eine Abschiebung in den für die Prüfung des Antrags zuständigen Mitgliedsstaat zu verhindern (vgl. VG Augsburg, B.v. 27.3.2014 – Au 6 S 14.30232 und Au 6 K 14.30231 – nicht veröffentlicht).

So verhält es sich hier. Der Vortrag der Antragstellerin beschränkt sich im Wesentlichen auf eine Verfolgungsfurcht aufgrund der Zugehörigkeit zur christlichen Religionsgemeinschaft. Damit knüpft das Vorbringen aber im Wesentlichen an ein asylrelevantes Merkmal im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG an und macht die Antragstellerin damit weiterhin einen internationalen Schutzanspruch aufgrund politischen Charakters der Verfolgung angeknüpft an den Verfolgungsgrund ihrer Religionszugehörigkeit geltend. Die Antragstellerin beschränkt sich in ihrem Vorbringen daher nicht ausschließlich auf die Feststellung nationaler Abschiebungsverbote. Vielmehr nimmt ein wesentlicher Teil ihres Vortrages Ausführungen zum Vorliegen der Voraussetzung des § 60 Abs. 1 AufenthG ein unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 21. Januar 2008. Damit macht die Antragstellerin nach ihrem tatsächlichen Vorbringen aber gerade nicht hinreichend deutlich, dass sie nur subsidiären nationalen Schutz geltend macht. Folglich muss die spätere formale Beschränkung des Begehrens im Hinblick auf die Anwendbarkeit der Dublin-II-Verordnung unbeachtlich bleiben. Die nachträgliche Beschränkung des Antrages stellt daher eine Umgehung der für die Prüfung von Asylanträgen geltenden europarechtlichen Zuständigkeitsvorschriften dar. Daher konnte der Antrag im Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO keinen Erfolg haben. Im Übrigen wird auf die Gründe des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg im Verfahren Au 5 S 014.30199 verwiesen. [...]