OVG Niedersachsen

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Zitieren als:
OVG Niedersachsen, Urteil vom 25.03.2014 - 2 LB 337/12 (= ASYLMAGAZIN 7-8/2014, S. 273 ff.) - asyl.net: M21971
https://www.asyl.net/rsdb/M21971
Leitsatz:

Nach § 5 Abs. 1 AufenthV kommt es darauf an, dass der jeweilige Ausländer einen Pass oder Passersatz nicht auf zumutbare Weise erlangen kann; ob er ihn in der Vergangenheit unter Aufwendungen zumutbarer Anstrengungen hätte erlangen können, spielt nach dieser Regelung - anders, als es bei der Frage des Verschuldens im Rahmen des § 25 Abs. 5 Sätze 3 und 4 AufenthG der Fall ist - keine Rolle.

Aufgrund der allgemein bekannten politischen Lage in Syrien ist davon auszugehen, dass es einem syrischen Staatsangehörigen derzeit nicht zumutbar ist, bei der syrischen Auslandsvertretung vorzusprechen und sich um die Ausstellung eines Passes zu bemühen.

Schlagwörter: Syrien, Türkei, Reiseausweis für Ausländer, syrische Auslandsvertretung, Auslandsvertretung, syrische Botschaft, Botschaft, Passbeschaffung, Nachregistrierung, Staatsangehörigkeit, ungeklärte Staatsangehörigkeit, Yeziden, Kurden, Mitwirkungspflicht, Zumutbarkeit,
Normen: AufenthV § 5 Abs. 1,
Auszüge:

[...]

Bei der Beurteilung, welche konkreten Mitwirkungshandlungen dem Ausländer zuzumuten sind, ist zu berücksichtigen, dass in Verfahren, in denen es um die Aufklärung der Staatsangehörigkeit geht, die Ausländerbehörde und den Ausländer wechselseitige Verpflichtungen treffen, an diesem Ziel mitzuwirken. Diese Verpflichtungen hat der Senat mit Beschluss vom 31. Juli 2007 (- 2 LA 1197/06 -, n. v., bestätigt u.a. im Urt. v. 27.5.2010 - 2 LB 577/07 -, n. v., jeweils betr. das Vorliegen von Ausreisehindernissen) rechtsgrundsätzlich wie folgt konkretisiert:

"Welche Anforderungen an die Mitwirkung des Ausländers bei der Beseitigung eines Ausreisehindernisses zu stellen sind, ist eine Frage des jeweiligen Einzelfalles. Im Anschluss an die bisherige Rechtsprechung des Senats (Beschluss vom 14. Oktober 2005, - 2 LA 912/04 -, V.n.b.) und anderer Obergerichte (Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 19. Dezember 2005, - 24 C 05.2856 -, NVwZ 2006, 1311-1314) geht der Senat hierbei von folgenden Grundsätzen aus:

(aa) Nach dem AufenthG ist die Verantwortung für die Beseitigung von Ausreisehindernissen weder der Ausländerbehörde noch dem Ausländer allein auferlegt. Keine Seite kann von der anderen verlangen, dass diese allein sich um die Beseitigung bestehender Ausreisehindernisse bemüht. Dies ist weder mit der Stellung der Ausländerbehörde noch mit den dem Ausländer obliegenden Pflichten vereinbar. Vielmehr bestehen auf beiden Seiten Pflichten, deren Erfüllung nachgewiesen werden muss. Letztlich müssen sich Ausländer und Behörde gemeinsam darum bemühen, dass eine Ausreise in das Heimatland des Ausländers ermöglicht wird. Wem welche konkreten Pflichten im Einzelfall obliegen, kann sachgerecht nur anhand der besonderen Umstände des jeweiligen Sachverhalts abschließend geklärt und festgelegt werden.

(bb) Generell trifft dabei zunächst, wie aus § 82 Satz 1 AufenthG und dem subjektiven Begriff des "Verschuldens" in § 25 Abs. 5 AufenthG folgt, den Ausländer eine Mitwirkungspflicht sowie eine Initiativpflicht. Dies bedeutet einerseits, dass er an allen Handlungen mitwirken muss, die die Behörden von ihm verlangen (z.B. Anträge ausfüllen, Bilder beibringen, bei der Vertretung des Heimatlandes vorsprechen usw.). In all diesen Fällen weiß der Ausländer, was von ihm verlangt wird. Er ist gehalten, die geforderten Schritte auch zu unternehmen (Mitwirkungspflicht).

Daneben steht ihm jedoch nicht die Möglichkeit offen, ansonsten völlig untätig und passiv zu bleiben und nur darauf zu warten, welche weiteren Handlungen die Behörde von ihm verlangt. Vielmehr ist auch der ausreisepflichtige Ausländer gehalten, eigenständig die Initiative zu ergreifen, um nach Möglichkeiten zu suchen, das bestehende Ausreisehindernis zu beseitigen. Hierzu gehört etwa die Beschaffung von Identitätsnachweisen im Heimatland über Dritte, die Benennung von Zeugen usw. Der Ausländer hat sich zumindest Gedanken darüber zu machen (und diese dann auch in die Tat umzusetzen), welche Möglichkeiten für ihn bestehen, noch offene Punkte aufzuklären und zu beweisen (Initiativpflicht). Eine Grenze bildet dabei die Frage, welche Möglichkeiten ihm bei objektiver Betrachtungsweise bekannt sein können. Nur insoweit kann ihm nämlich eine subjektive Verantwortlichkeit und ein Verschulden angelastet werden. Je nach Herkunftsland und persönlicher Situation des Betroffenen kann dies unterschiedlich zu beantworten sein. Beispielsweise ist es durchaus möglich, dass die Einschaltung eines Anwalts im Heimatland vom Ausländer nicht gefordert werden kann, weil ihm dieser Weg unbekannt ist und entsprechende Kontakte fehlen. Auch können keine Unterlagen aus der Heimat nachgefordert werden, wenn der Ausländer dort über keinerlei Kontakte mehr verfügt. Eine zweite Grenze der zu fordernden Initiativen bilden daneben die Fälle, in welchen weitere Handlungen nicht zugemutet werden können. Dies ist etwa dann der Fall, wenn der Ausländer durch Nachfragen in seiner Heimat Familienangehörige in akute Lebensgefahr bringt, wenn mit weiteren Ermittlungen so erhebliche Kosten verbunden wären, dass sie von ihm nicht aufgebracht werden können oder wenn er gesundheitlich etwa nicht in der Lage ist, erforderliche Handlungen durchzuführen.

Die Erfüllung der dem Ausländer somit obliegenden Pflichten (Mitwirkungs- und Initiativpflicht) hat dieser nachzuweisen. Gelingt ihm dies nicht, so spricht vieles für die Annahme, er habe die Ausreisehindernisse verschuldet.

(cc) Auf der anderen Seite bestehen auch Pflichten der Ausländerbehörde, Ausreisehindernisse zu beseitigen. Die zuständige Behörde hat, wie dies auch § 82 Abs. 3 Satz 1 AufenthG vorgibt, den Ausländer auf seine Pflichten hinzuweisen. Sie hat ihm also mitzuteilen, dass und in welchem Umfang er zur Erbringung von Handlungen verpflichtet ist (Hinweispflicht). Diese Hinweise müssen dabei so gehalten sein, dass es für den Ausländer hinreichend erkennbar ist, welche Schritte er zu unternehmen hat. Ein bloßer allgemeiner Verweis auf bestehende Mitwirkungspflichten oder die Wiedergabe des Gesetzestextes wird diesen Anforderungen nicht gerecht. Denn nur durch konkrete Hinweise ist es dem Ausländer möglich, die Beseitigung der Ausreisehindernisse zielführend in die Wege zu leiten.

Daneben ist die Behörde auch gehalten, von sich aus das Verfahren weiter zu betreiben und auf weitere, dem Antragsteller gegebenenfalls nicht bekannte Möglichkeiten aufmerksam zu machen und diese Möglichkeiten mit dem betroffenen Ausländer bei Bedarf zu erörtern (Anstoßpflicht). Eine Ausländerbehörde kann es – vor allem im Falle der Untätigkeit der Vertretung des Heimatlandes – nicht allein dem Ausländer überlassen, den weiteren Gang des Verfahrens zu beeinflussen. Grund hierfür ist, dass sie in aller Regel über bessere Kontakte und Kenntnisse hinsichtlich der noch bestehenden Möglichkeiten zur Beschaffung von Heimreisepapieren verfügt. Sie ist angesichts ihrer organisatorischen Überlegenheit und sachlichen Nähe viel besser in der Lage, die bestehenden Möglichkeiten zu erkennen und die entsprechenden Schritte in die Wege zu leiten.

Diese "Überlegenheit" führt nach Auffassung des Senats dazu, dass in erster Linie die Ausländerbehörde nach Möglichkeiten zu suchen hat, Hindernisse zu beseitigen. So kann sie etwa den Ausländer auf die Möglichkeit der Einschaltung eines Vertrauensanwalts hinweisen, dessen Namen und Kontaktadresse dem Ausländer selbst in aller Regel nicht bekannt ist. Auch kann sie den Ausländer zum Beispiel auf nichtstaatliche Organisationen und Informationsquellen hinweisen, etwa den Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes oder kirchliche Organisationen. Auch diese Stellen dürften in aller Regel einem in Deutschland lebenden Ausländer nicht geläufig oder bekannt sein. Es ist ihm nur dann möglich, diese Schritte zu ergreifen, wenn er von der Ausländerbehörde hierzu angehalten

(angestoßen) wird.

Auch der Behörde obliegt es, nachzuweisen, dass sie ihren Pflichten (Hinweis- und Anstoßpflicht) nachgekommen ist. Gelingt dies nicht, so spricht vieles dafür, dass das Bestehen eines Ausreisehindernisses nicht von dem Ausländer zu vertreten ist.

(dd) Die den am Verfahren Beteiligten obliegenden Pflichten stehen schließlich in einem Verhältnis der Wechselseitigkeit. Je eher der eine Teil seinen Obliegenheiten nachkommt, desto weniger kann sich der andere Teil darauf berufen, das Bestehen eines Abschiebehindernisses werde nicht von ihm verschuldet, sondern sei von der anderen Seite zu vertreten oder zu verantworten. In der praktischen Anwendung bedeutet dies etwa, dass die Behörde von einem Verschulden des Ausländers ausgehen kann, wenn dieser Pflichten nicht erfüllt, die ihm konkret abverlangt wurden. Dies gilt jedoch dann nicht mehr, wenn der Ausländer sämtliche Anforderungen erfüllt hat und einerseits keine nahe liegenden Möglichkeiten mehr bestehen, Ausreisehindernisse zu beseitigen, andererseits eine Aufforderung zu weiteren Mitwirkungshandlungen der Behörde unterblieben ist. Der Ausländer muss nicht alles Menschenmögliche unternehmen, sondern nur sämtlichen Aufforderungen der Behörde nachkommen, soweit diese für ihn zumutbar sind. Daneben hat er diejenigen Schritte zu ergreifen, die ihm selbst bei objektiver Sichtweise geeignet erscheinen mussten, das Verfahren zielführend weiter zu betreiben. Zusätzliche Obliegenheiten treffen ihn nur, wenn die Behörde einen entsprechenden Anstoß in Richtung einer bestimmten Maßnahme gegeben hat.

(ee) Zuletzt gilt dann, wenn beide Seiten ihre Obliegenheiten erfüllt haben und das Ausreisehindernis gleichwohl nicht beseitigt werden konnte, dass dies nicht zu Lasten des Ausländers gehen kann. Ein Verschulden im Sinne einer subjektiven Vorwerfbarkeit liegt dann nämlich nicht vor. Dies ist etwa dann der Fall, wenn Dritte, z.B. die Vertretung des Heimatstaates, sich trotz entsprechender Aufforderungen weigern, Heimreisedokumente auszustellen."

An diesen Grundsätzen hält der Senat auch für die Beurteilung, welche Bemühungen einem Ausländer hinsichtlich der Beschaffung eines Passes seines Herkunftstaates zuzumuten sind, fest.

b) Ob die Klägerin - wie das Verwaltungsgericht angenommen hat - in der Vergangenheit hinreichende Anstrengungen unternommen hat, unter Einschaltung der syrischen Auslandsvertretung einen syrischen Pass zu erlangen, bedarf keiner Entscheidung. Bei dem Klagebegehren handelt es sich um eine Verpflichtungsklage, so dass es grundsätzlich auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Tatsachenentscheidung ankommt. Die Regelung des § 5 AufenthV weist keine Besonderheiten auf, die ausnahmsweise eine andere Beurteilung rechtfertigen könnten. Nach § 5 Abs. 1 AufenthV kommt es darauf an, dass der jeweilige Ausländer einen Pass oder Passersatz nicht auf zumutbare Weise erlangen kann; ob er ihn in der Vergangenheit unter Aufwendung zumutbarer Anstrengungen hätte erlangen können, spielt nach dieser Regelung - anders, als es bei der Frage des Verschuldens im Rahmen des § 25 Abs. 5 Sätze 3 und 4 AufenthG der Fall ist (vgl. hierzu BVerwG, Urt. v. 19.4.2011 - 1 C 3.10 -, AuAS 2011, 182 u. juris Rdnr. 19) - keine Rolle.

Aufgrund der allgemein bekannten politischen Lage in Syrien ist davon auszugehen, dass es der Klägerin derzeit nicht zumutbar ist, bei der syrischen Auslandsvertretung vorzusprechen und sich um die Ausstellung eines Passes zu bemühen. Dies entspricht auch der Auffassung des Beklagten und der niedersächsischen Erlasslage. Im Erlass des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport vom 8. Dezember 2012 - 42.12/ 12231.3-6 SYR - werden die Ausländerbehörden gebeten, syrische Staatsangehörige darauf hinzuweisen, dass sie sich zur Erledigung ihrer personenstands- und passrechtlichen Angelegenheiten vorläufig nicht an die Konsularabteilungen ihrer Auslandsvertretungen wenden müssen. Dieser Erlass beansprucht nach wie vor Gültigkeit.

c) Allerdings weist der Beklagte zutreffend darauf hin, dass das Vorliegen der Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 AufenthV schon mit Blick darauf fraglich ist, dass die Klägerin nicht hinreichend zur Klärung ihrer Identität beiträgt, weil sie ihr zumutbare Angaben nicht macht bzw. Angaben nicht hinreichend plausibilisiert. So bleibt unklar, wann und wo die Klägerin geboren ist. In ihrem Asylverfahren hat die Klägerin die Abschrift des Auszugs aus dem syrischen Personenstandsregister vom 14. März 1999 vorgelegt. Danach ist die Klägerin am 20. November 1984 in "E." geboren, ihre Registrierung erfolgte am 13. Dezember 1984. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht haben die Klägerin und ihre Eltern übereinstimmend erklärt, sie sei 1984 geboren, und der Registerauszug aus dem Jahre 1999 sei der zutreffende Auszug. Die Eltern der Klägerin haben dieses Geburtsdatum außerdem in einer eidesstattlichen Versicherung gegenüber dem Notar Y. am 16. Juli 2003 bestätigt. Es liegt aber demgegenüber ein von dem Beklagten beschaffter syrischer Einzelregisterauszug für die Klägerin vor, der als Geburtsdatum der Klägerin den 20. Januar 1982 und als Geburtsort P. ausweist. Der vom Landkreis L. eingeholte Auszug aus dem Familien-Zivilregister für arabisch-syrische Staatsangehörige vom 7. Oktober 2003 stimmt mit diesem Einzelregisterauszug hinsichtlich des Geburtsjahres und des Geburtsortes überein, gibt aber als Geburtsdatum den 20. Dezember an. Dieser Auszug aus dem Jahr 2003 war Gegenstand der Überprüfung des Orient-Instituts und wurde für echt befunden. Nach Angaben des Beklagten hat zudem die Schwester der Klägerin am 15. März 2010 einen weiteren Registerauszug vorgelegt, dessen Daten bezogen auf die Klägerin mit den Daten auf deren Einzelregisterauszug übereinstimmen. Die Datenlage ist mithin widersprüchlich.

Darüber hinaus sind auch die Angaben zur Identität des Vaters der Klägerin nicht frei von Widersprüchen. Der Landkreis L. hat dem Deutschen Orient-Institut gemeinsam mit dem den Vater der Klägerin und seine Familie betreffenden Registerauszug vom 7. Oktober 2003 einen Registerauszug betreffend einen O. A. übersandt. Das Deutsche Orient-Institut ist in seinem Gutachten nachvollziehbar zu dem Ergebnis gelangt, dass es sich bei O. A. um einen älteren Bruder des Vaters der Klägerin handle, der mit einer älteren Schwester der Mutter der Klägerin verheiratet sei. Offenbar hat sich aber der Vater der Klägerin gegenüber einer Mitarbeiterin des Beklagten im Nachgang zur mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht dahin geäußert, dass er Einzelkind sei. Dem widerspricht wiederum, dass die Mutter der Klägerin anlässlich der Anhörung zu ihrem Asylantrag ausweislich des Protokolls des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 23. November 1999 (Beiakte Heft H, Bl. 43) erklärt hat, in Syrien lebe noch ein älterer Bruder ihres Ehemannes. Die Klägerin verkennt ihre Mitwirkungspflichten (vgl. auch § 82 Abs. 1 Satz 1 AufenthG), wenn sie meint, sie müsse nicht zur Aufklärung dieser Widersprüche beitragen. Ihre Auskunfts- und Nachweispflichten sind insbesondere nicht auf ihre eigene Person begrenzt, weil ohne verlässliche Klärung der Identität ihres Vaters keine Nachweis über ihre eigene Identität zu führen ist. Bislang hat sich die Klägerin noch nicht einmal bemüht, auf eine klärende Aussage ihres Vaters hinzuwirken.

d) Unabhängig davon ist aber derzeit jedenfalls nicht ersichtlich, dass die Klägerin nicht auf zumutbare Weise einen türkischen Pass erlangen kann. Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass sie die ihr insoweit zumutbaren Bemühungen unternommen hat, was zu ihren Lasten geht.

aa) Es spricht Überwiegendes dafür, dass die Klägerin (auch) die türkische Staatsangehörigkeit hat. Sie dürfte diese Staatsangehörigkeit jedenfalls von ihrer Großmutter mütterlicherseits herleiten können. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die Großmutter der Klägerin die im Landkreis B. wohnhafte Q. R. ist, die 1932 in der Türkei (Z.) geboren wurde. Der Beklagte hat einen Auszug aus dem türkischen Personenstandsregister (Nüfus Kayit Örnegi) vom 24. April 2001 vorgelegt, in dem Q. R. als türkische Staatsangehörige registriert ist. Nach Art. 1 des türkischen Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 11. Februar 1964 - das sowohl für den Erwerb der türkischen Staatsangehörigkeit der im Jahre 1956 geborenen Mutter der Klägerin als auch der 1982 (bzw. 1984) geborenen Klägerin maßgeblich ist - besitzen Kinder, die innerhalb oder außerhalb der Türkei von einer türkischen Mutter geboren werden, von Geburt an die türkische Staatsangehörigkeit. Dementsprechend ist der Mutter der Klägerin von ihrer Mutter Q. R. und der Klägerin wiederum von ihrer Mutter H. I. die türkische Staatsangehörigkeit unabhängig vom Geburtsort vermittelt worden. Dass die Klägerin im syrischen Personenstandsregister als syrische Staatsangehörige erfasst ist, weckt ebenso wenig Zweifel an ihrer türkischen Staatsangehörigkeit wie der Umstand, dass ihre Mutter mit einer im syrischen Personenstandsregister als syrischer Staatsangehöriger eingetragenen Person verheiratet ist. Die Mutter der Klägerin hätte nach Art. 19 des türkischen Staatsangehörigkeitsgesetzes ihre türkische Staatsangehörigkeit nur verloren, wenn sie durch die Eheschließung die syrische Staatsangehörigkeit erworben hätte (was ausweislich der Registerauszüge offenkundig nicht der Fall ist) und außerdem eine entsprechende Erklärung in der dort vorgesehenen Form abgegeben hätte. Für die Klägerin gilt Art. 27 a) des türkischen Staatsangehörigkeitsgesetzes; danach hätte sie zwei Jahre nach Eintritt der Volljährigkeit die türkische Staatsangehörigkeit aufgeben müssen, um diese zu verlieren.

bb) Angesichts dessen hätte sich die Klägerin ernsthaft um ihre Nachregistrierung bemühen müssen; die bisher von ihr eingeleiteten Schritte reichen nicht aus.

(1) Zu berücksichtigen ist, dass es in Streitigkeiten wie der vorliegenden - anders als in asylrechtlichen Streitigkeiten - um die Klärung von staatsangehörigkeitsrechtlichen Beziehungen geht, in denen der Ausländer zu einem Drittstaat stehen kann. In ein mögliches Rechtsverhältnis dieses Drittstaates zu seinen Staatsangehörigen darf nur eingegriffen werden, soweit sich hierfür eine völkerrechtliche Rechtfertigung findet. Ein amtliches Handeln auf fremdem Staatsgebiet (vgl. z.B. OVG Münster, Beschl. v. 28.3.2013 - 13 A 412/12.A -, juris zur Vernehmung eines Staatsangehörigen in dessen Heimatland durch ausländische Konsularbeamte) ist deutschen staatlichen Stellen (also sowohl Ausländerbehörden als auch Gerichten) ebenso versagt wie ein unmittelbares Eingreifen in ausländische Verwaltungsverfahren, also vor allem in die Kontaktaufnahmen der betreffenden Ausländer zu ihren Konsulaten und in Nachregistrierungsverfahren. Infolgedessen kann die Ausländerbehörde bzw. das Gericht die Einholung von Erkundigungen bei ausländischen Stellen oder die Führung von Nachregistrierungsverfahren lediglich anstoßen, sie aber selbst nicht unter Kontrolle halten. Was im Detail zwischen dem Ausländer und Dienststellen des Drittstaates verhandelt wird, kann sie bzw. es sich allenfalls vom Ausländer berichten lassen. Bleiben die Bemühungen des Ausländers defizitär, kann dies deshalb in aller Regel auch nicht durch Aufklärungsmaßnahmen und Beweiserhebungen des Gerichts ausgeglichen werden, wenn und soweit dies eine Einbeziehung ausländischer Stellen notwendig macht.

Die Anforderungen, die der Senat an das eigene Tätigwerden des Ausländers stellt, sind deshalb nicht gering. Das gilt zumal bei denjenigen Fallgestaltungen, in denen ein gleichgerichtetes Interesse des Ausländers und des ausländischen Staates anzunehmen ist, den Nachweis einer ausländischen Staatsangehörigkeit zu vermeiden. Ein solches Zusammenwirken zu Lasten Dritter - hier der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Rechtsordnung - anzunehmen liegt jedenfalls dann nahe, wenn der Ausländer einer Bevölkerungsgruppe angehört, die in dem betreffenden Drittland nicht wohl gelitten ist. Das kann für yezidische Kurden wie die Klägerin - ungeachtet, ob diesem Personenkreis in der Rechtspraxis Asyl zugesprochen worden ist - ohne Weiteres angenommen werden. Dafür spricht aktuell vor allem der Gehalt verschiedener Auskünfte von türkischen Generalkonsulaten in vergleichbaren Fällen, mit denen die betroffenen Antragsteller ersichtlich entmutigt werden sollten, sowie die scheinbar übliche Praxis, die Beantwortung von Anfragen yezidischer Antragsteller hinauszuzögern.

Da ihrerseits auch yezidische Kurden mit möglicher türkischer Herkunft (verständlicherweise) selbst kaum Interesse daran haben, eine türkische Staatsangehörigkeit anerkannt zu bekommen, kann es zu einem "Zusammenspiel" in dem Sinne kommen, dass mögliche Nachforschungs- und Nachregistrierungsverfahren durch entsprechende Handhabung von vornherein auf einen Misserfolg hin angelegt werden. Dies kann von der Ausländerbehörde kaum effektiv unterbunden werden. Infolgedessen müssen die Anforderungen, die an die Glaubhaftmachung entsprechender Bemühungen des Ausländers zu stellen sind, umso höher angesetzt werden.

(2) Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass Bemühungen der Klägerin, einen türkischen Pass zu erlangen, von vorneherein aussichtslos wären. Es dürfte für sie - im Vergleich zu anderen dem Senat bekannten Fällen - sogar vergleichsweise einfach sein, den Nachweis der türkischen Staatsangehörigkeit zu führen, da sowohl ihre Mutter als auch ihre Großmutter noch leben sowie in Niedersachsen wohnhaft und mithin für die Klägerin "erreichbar" sind. Die Klägerin verfügt außerdem mit dem Auszug aus dem türkischen Personenstandsregister über den Nachweis, dass ihre Großmutter als türkische Staatsangehörige registriert ist. Diese hatte im Übrigen bereits am 10. Oktober 2006 vor dem Notar AA. eidesstattlich versichert, die Mutter der Mutter der Klägerin und Großmutter der Klägerin zu sein. Der beigezogenen Ausländerakte der Großmutter der Klägerin (Beiakte Heft J) ist zu entnehmen, dass für deren Identitätsfeststellung in der Türkei derzeit eine weitere Vorsprache beim Türkischen Generalkonsulat erforderlich wäre (Bl. 138); einer entsprechenden Aufforderung durch die Ausländerbehörde ist die Großmutter der Klägerin aber bislang nicht nachgekommen (Bl. 139, 142).

Der Umstand, dass die Klägerin Yezidin ist, rechtfertigt nicht die Annahme, dass seitens der türkischen Behörden von vorneherein keine Bereitschaft bestünde, ihre türkische Staatsangehörigkeit anzuerkennen (vgl. hierzu Nds. OVG, Beschl. v. 17.2.2005 - 11 PA 345/04 -, juris Rdnrn. 15 ff.). Dabei verkennt der Senat nicht, dass der Versuch einer Nachregistrierung von yezidischen Kurden, die in Syrien gelebt haben, schon wegen des Desinteresses der Türkei an diesem Personenkreis regelmäßig auf Schwierigkeiten stoßen wird. Das nötigt aber noch nicht zu der Annahme, dass Nachregistrierungsanträge in diesen Fällen von vornherein aussichtslos sind.

(3) Es obliegt der Klägerin, ein konkretes Nachregistrierungsverfahren anzustrengen bzw. zumindest auszuloten, welche Anforderungen der türkische Staat im Einzelnen an ihre Nachregistrierung stellt.

Dabei hat sie auch gegenüber den ausländischen Dienststellen wahrheitsgemäß alle zweckdienlichen Auskünfte zu geben und die erforderlichen Belege beizufügen. Hat sie die deutsche Ausländerbehörde darauf hingewiesen, dass sie bestimmte Auskünfte - etwa über die oft mehrdeutig überlieferten Namen von Vorfahren - als zielführend für eine Nachregistrierung ansieht, dürfen diese Angaben den ausländischen Dienststellen gegenüber nicht verschwiegen werden.

Im Übrigen ist unter dem Gesichtspunkt des zu betreibenden Aufwands für ein Nachregistrierungsverfahren im Ausland von vornherein mindestens das zumutbar, was auch das deutsche Recht in § 30 Abs. 2 StAG für eine behördliche Feststellung der der deutschen Staatsangehörigkeit abverlangt, nämlich:

"Für die Feststellung des Bestehens der deutschen Staatsangehörigkeit ist es erforderlich, aber auch ausreichend, wenn durch Urkunden, Auszüge aus den Melderegistern oder andere schriftliche Beweismittel mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen ist, dass die deutsche Staatsangehörigkeit erworben worden und danach nicht wieder verloren gegangen ist."

Soweit das ausländische Staatsangehörigkeitsrecht den Erwerb bzw. Verlust der jeweiligen Staatsangehörigkeit an strengere materiell-rechtliche Voraussetzungen knüpft als das deutsche Recht, kann die Ausländerbehörde dem Ausländer aber ohne Weiteres zumuten, auch hierfür in entsprechendem Umfang dem fremden Staat gegenüber Nachweise zu erbringen.

Solche Schritte hat die Klägerin bislang nicht unternommen. Zwar hat sie ausweislich der Bescheinigung des Generalkonsulats der Republik Türkei vom 29. November 2012 an diesem Tag dort vorgesprochen und scheinbar unter Hinweis auf ihre Großeltern mütterlicherseits ihre Nachregistrierung "beantragt". Nachdem das Generalkonsulat der Klägerin mitgeteilt hatte, dass eine Nachregistrierung über ihre Großeltern nicht möglich sei, oblag es ihr jedoch, ihre Abstammung im Einzelnen - dies betrifft auch ihre väterliche Linie, die nach den Recherchen des Beklagten (was von der Klägerin nicht bestritten wird) ebenfalls türkische Wurzeln aufweist - zu erfragen, welche Voraussetzungen erfüllt werden müssen, um ihre Nachregistrierung zu erreichen. Dass die Klägerin nicht türkische Staatsangehörige ist, geht aus dem Schreiben des Generalkonsulats entgegen ihrer Auffassung gerade nicht hervor. Soweit in anderen vor dem Senat geführten Verfahren Kläger auf eine Auskunft des Türkischen Konsulats vom 24. April 2007 verwiesen haben, in der die für eine Nachregistrierung notwendigen Dokumente aufgelistet werden, enthebt die Existenz einer solchen Auskunft die Klägerin schon deshalb nicht von eigenen konkreten Nachforschungen, weil diese Stellungnahme bereits knapp sieben Jahre alt und unklar ist, ob sie noch die aktuelle Verfahrensweise wiedergibt.

Da die Klägerin bislang weder diesbezüglich weitere Schritte eingeleitet noch offenbar auch nur an ihre Großmutter und ihre Mutter herangetreten ist, und um deren Unterstützung in dieser Angelegenheit gebeten hat, bedarf es keiner Entscheidung, welche Schritte im Einzelnen als zumutbar angesehen werden könnten, sollte die Mutter der Klägerin ihre Nachregistrierung ohne nachvollziehbare Gründe verweigern. Wäre eine solche Nachregistrierung der Mutter unabdingbare Voraussetzung für die Nachregistrierung der Klägerin, spricht einiges dafür, dass eine solche Weigerung der Mutter der Klägerin bei der Beurteilung der Mitwirkungspflichten der Klägerin zu deren Lasten ginge (vgl. hierzu Senatsbeschl. v. 10.12.2007 - 2 LA 441/07 -, juris Rdnr. 9). In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass den vorliegenden Verwaltungsvorgängen zwar zu entnehmen ist, dass die Mutter der Klägerin einmal selbst beim türkischen Generalkonsulat vorgesprochen haben will aber nicht ersichtlich ist, dass sie sich konkret unter Hinweis auf ihre Abstammung von Q. R. um eine Nachregistrierung bemüht hat. [...]