FG Köln

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Zitieren als:
FG Köln, Urteil vom 07.05.2014 - 14 K 2405/13 - asyl.net: M21937
https://www.asyl.net/rsdb/M21937
Leitsatz:

Die rückwirkende Erteilung der Aufenthaltserlaubnis führt zu einer rückwirkenden Entstehung des Kindergeldanspruchs.

Schlagwörter: rückwirkende Erteilung, Kindergeld, rückwirkende Aufhebung, Aufenthaltserlaubnis,
Normen: EStG § 62 Abs. 1 Nr. 1, EStG § 62 Abs. 2 Nr. 2,
Auszüge:

[...]

Führt der rückwirkende Entzug der Aufenthaltserlaubnis zum - rückwirkenden - Verlust der Kindergeldberechtigung, so muss der umgekehrte Vorgang, nämlich die rückwirkende Erteilung der Erlaubnis, auch die umgekehrte kindergeldrechtliche Rechtsfolge auslösen. Bei nachträglicher rückwirkender Erteilung der Aufenthaltserlaubnis entsteht demnach auch rückwirkend der Kindergeldanspruch (a.A. offenbar DA-FamEStG Stand 2013 DA 62.3.1. Abs. 3). Andernfalls würden z.B. diejenigen kindergeldrechtlich rechtlos gestellt, die ihre Aufenthaltserlaubnis erst durch ein Klageverfahren erstreiten müssen. Dies ist nach Auffassung des Senats mit dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (GG) nicht vereinbar. Auch hängt der Zeitpunkt der Erteilung der Erlaubnis häufig von Zufälligkeiten ab, wie z.B. im Streitfall dem Geburtszeitpunkt des Kindes, dem .... August 2012, oder dem Gesundheitszustand der Mutter nach der Geburt, aufgrund dessen die Mutter gar nicht in der Lage war, einen Antrag bei der Ausländerbehörde zu stellen oder - wie ebenfalls im Streitfall - der jeweiligen Bearbeitungsdauer des Antrages bei der Ausländerbehörde. Für die Gewährung von Kindergeld allein auf das Datum der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis abzustellen und damit den Kindergeldanspruch u.a. vom Gesundheitszustand der Mutter, dem Zeitpunkt der Geburt und der Bearbeitungsdauer in der Ausländerbehörde abhängig zu machen, ist kein sachliches Kriterium, welches eine Differenzierung rechtfertigen und damit den Anforderungen des Gleichheitsbehandlungsgrundsatzes genügen könnte, Art. 3 Abs. 1 und 3 GG Der Senat hält es vor dem Hintergrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes des Art. 3 Abs. 1 und 3 GG und der einfachgesetzlichen Regelung des § 66 Abs. 2 EStG, wonach die Voraussetzungen der Kindergeldberechtigung für zumindest einen Tag des Monats für den Kindergeld beansprucht wird, erfüllt sein müssen, für zwingend geboten, der rückwirkenden Erteilung der Aufenthaltserlaubnis auch die rückwirkende Entstehung des Kindergeldanspruchs folgen zu lassen. Die Klägerin kann insoweit für diese Zeit auch nicht auf einen etwaigen Schadensersatzanspruch gegenüber der Ausländerbehörde verwiesen werden, denn die Entstehung des Kindergeldanspruchs nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG ist -- anders als der Schadensersatzanspruch aus einer etwaigen Amtspflichtverletzung i.S. des Art. 34 GG, § 839 BGB -- verschuldensunabhängig. Soweit sich aus dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 30. September 1996 10 RKg 24/95, RegNr 22872 (BSG-Intern), juris, etwas anderes ergeben sollte, kann sich der Senat dem aus den vorgenannten Gründen jedenfalls nicht anschließen.

dd) Der Oberbürgermeister der Stadt A hat mit Schreiben vom 9. April 2014 mitgeteilt, dass der Anspruch der Klägerin auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis bereits ab Geburt der Tochter der Klägerin am .... August 2012 entstanden ist und dementsprechend die aufenthaltsrechtliche Wirkung der Aufenthaltserlaubnis bereits ab dem Zeitpunkt der Geburt des Kindes gilt. Damit "besitzt" die Klägerin die Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG rückwirkend zum .... August 2012. Zugleich sind damit rückwirkend die ausländerrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Kindergeld für die Monate August 2012 bis Juni 2013 erfüllt.

Dies entspricht der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung, in der anerkannt ist, dass ein Ausländer die Erteilung eines Aufenthaltstitels grundsätzlich auch für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum nach der Antragstellung beanspruchen kann, wenn er hieran eine schutzwürdiges Interesse hat (vgl. z.B. Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Oktober 2010 1 C 19/09, juris; vom 9. Juni 2009 1 C 7/08, juris; vom 29. September 1998 1 C 14/97, juris; ebenso auch Urteil des Oberverwaltungsgerichts - OVG - Berlin-Brandenburg vom 24. November 2011, OVG 2 B 21/10, juris). Das schutzwürdige Interesse der Klägerin an der vom Oberbürgermeister der Stadt A bestätigten rückwirkenden aufenthaltsrechtlichen Wirkung der Aufenthaltserlaubnis ergibt sich im Streitfall aus dem damit ab Geburt der Tochter der Klägerin bestehenden Anspruch der Klägerin auf Kindergeld. [...]