VG Berlin

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Zitieren als:
VG Berlin, Beschluss vom 01.04.2014 - 23 L 122.14 A - asyl.net: M21819
https://www.asyl.net/rsdb/M21819
Leitsatz:

Wesentliche Gründe für die Annahme, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in Bulgarien systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU-Grundrechtecharta darstellen, lassen sich unter Berücksichtigung der aktuellen Erkenntnislage nicht (mehr) feststellen.

(Amtlicher Leitsatz)

Schlagwörter: Dublin III-Verordnung, Dublinverfahren, erniedrigende Behandlung, unmenschliche Behandlung, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung, Bulgarien, systemische Mängel, Asylverfahren, Aufnahmebedingungen, Registrierung, verzögerte Registrierung, EASO, inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis,
Normen: GR-Charta Art. 4, VO 604/2013 Art. 3 Abs. 2,
Auszüge:

[...]

Der Antragsteller kann gegen eine Zuständigkeit Bulgariens nicht mit Erfolg einwenden, dort einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GR-Charta) ausgesetzt zu werden (Art. 3 Abs. 2 UAbs. 1 Dublin III-VO; vgl. zum Maßstab EuGH, Urt. v. 21. Dezember 2011 - C-41/10 u.a. -, Rn. 81 ff., juris). Die der Dublin III-VO zugrundeliegende Annahme, dass alle Mitgliedstaaten die Grundrechte beachten, einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) finden, und die hieraus folgende Berechtigung der Mitgliedstaaten, einander insoweit Vertrauen entgegenbringen zu dürfen (EuGH, a.a.O., Rn. 75, 78, juris), begründen dabei die grundsätzliche Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK steht (EuGH, a.a.O., Rn. 79 f.). Diese Vermutung wird nicht schon durch den einzelnen Verstoß eines Mitgliedstaates erschüttert (vgl. zu diesem Maßstab VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 6. August 2013 - 12 S 675/13 -, Rn. 3 f., juris). Auch besteht keine grundsätzliche Annahme, dass bereits in der Vergangenheit festgestellte Mängel im Zweifel fortbestehen (a.A. VG Freiburg, Beschluss vom 7. März 2014 - A 5 K 93/14 -, Rn. 13 ff.; juris). Bei der im Eilverfahren nur möglichen summarischen Prüfung hat das Gericht vielmehr anhand der tatsächlichen Erkenntnislage im Zeitpunkt seiner Entscheidung festzustellen, ob der zuständige Mitgliedstaat trotz möglicher Mängel in der Durchführung des Asylverfahrens seine Verpflichtungen jedenfalls soweit einhält, dass eine Rückführung zumutbar erscheint (VGH Baden-Württemberg, a.a.O., Rn. 6).

Das Verbot der unmenschlichen Behandlung in Art. 4 GR-Charta und Art. 3 EMRK verpflichtet die Mitgliedstaaten dabei nicht, jede Person innerhalb des eigenen Zuständigkeitsbereichs mit einem Obdach zu versorgen (vgl. EGMR, Urteil vom 2. April 2013 - 27725/10 -, juris). Sie begründen keine allgemeine Pflicht, Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu bieten, um ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen. Ausländern, die von einer Überstellung betroffen sind, gewähren die genannten Regelungen grundsätzlich keinen Anspruch mit dem Ziel, in einem Mitgliedstaat zu verbleiben, um dort weiterhin von medizinischer, sozialer oder anderweitiger Unterstützung oder Leistung zu profitieren. Wenn keine außergewöhnlich zwingenden humanitären Gründe vorliegen, die gegen eine Überstellung sprechen, ist allein die Tatsache, dass die wirtschaftlichen und sozialen Lebensverhältnisse bedeutend geschmälert würden, falls ein Antragsteller überstellt werden würde, nicht ausreichend, einen Verstoß gegen die zuletzt genannten beiden Vorschriften zu begründen (vgl. EGMR, a.a.O.). Die Verantwortlichkeit eines Staates nach Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK wegen der Behandlung eines Ausländers kann allerdings ausnahmsweise begründet sein, wenn dieser vollständig von staatlicher Unterstützung abhängig ist und behördlicher Gleichgültigkeit gegenübersteht, obwohl er sich in so ernsthafter Armut und Bedürftigkeit befindet, dass dies mit der Menschenwürde unvereinbar ist (vgl. EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 - 30696/09 -, Rn. 253, juris).

Für die tatsächliche Feststellung von Mängeln im Asylsystem eines Mitgliedstaates kommt dabei neben den Dokumenten des UNHCR (vgl. EuGH, Urteil vom 30. Mai 2013 - C-528/11 -, Rn. 44; juris) nach der Dublin III-VO dem European Asylum Support Office besondere Bedeutung zu (vgl. die Erwägungsgründe 22 ["Schlüsselrolle"] und 23 und Art. 33 der Dublin III-VO).

Gemessen hieran lassen sich nach Auffassung der Kammer jedenfalls systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen in Bulgarien im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht (mehr) feststellen.

Ausgangspunkt der vom Gericht berücksichtigten aktuellen Erkenntnislage ist der Bericht des UNHCR vom 2. Januar 2014. Der Bericht äußert die Einschätzung, dass Asylbewerber in Bulgarien aufgrund systematischer Defizite der Aufnahmebedingungen und des Asylverfahrens dem tatsächlichen Risiko einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung ausgesetzt seien, und empfiehlt, Überstellungen nach Bulgarien einzustellen (Seite 16). Konkret stellt der UNHCR fest, dass in Bulgarien von Januar bis Dezember 2013 ungefähr 9.100 Personen - größtenteils nach dem 1. August 2013 - einen Asylantrag gestellt haben, von denen über 4.000 Antragsteller aus Syrien kommen und 2.500 Personen noch auf eine Registrierung warteten (Seite 2). Der Bericht kritisiert den erheblichen Mangel an Aufnahmeplätzen und Kapazitäten zur Antragstellung in den SAR-Zentren, welcher in der Praxis zu erheblichen Verzögerungen führe (Seite 6). Die verzögerte Registrierung der Antragsteller sei der wesentliche Anknüpfungspunkt für die Inhaftierung von Asylbewerbern (Seite 7). Die sieben Aufnahmeeinrichtungen stellten 4.060 Plätze bereit (Seite 8). Knapp 5.000 Antragsteller lebten außerhalb dieser Einrichtungen, wo sie zwar eine Krankenversicherungskarte und damit Zugang zur medizinischen Versorgung, nicht jedoch finanzielle Unterstützung erhielten. Die Bedingungen in den Aufnahmeeinrichtungen seien desolat. Es würde keine Verpflegung zur Verfügung gestellt und fehle an Kochgelegenheiten, Heizung, medizinischer Versorgung, Wasser, Sanitäranlagen und kinderspezifischen Einrichtungen. In drei Aufnahmeeinrichtungen würde "Ärzte ohne Grenzen" medizinische Hilfe anbieten. Die Asylbewerber erhielten eine monatliche Unterstützung von 33,- Euro. Zwar sei es den Antragstellern grundsätzlich möglich, auch außerhalb der Einrichtungen medizinische Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Die Ausgaben für Arzneimittel würden dann jedoch als Mittel zur Verpflegung fehlen. Das Personal in den Einrichtungen sei überlastet, nicht hinreichend ausgebildet und unzureichend ausgestattet (Seite 9). Es fehle an einem effektiven System, Personen mit besonderen Bedürfnissen zu ermitteln. Am schlechtesten seien die Bedingungen in Harmanli. Die dortige Einrichtung sei überfüllt und dürfe von niemandem verlassen werden. Schließlich bemängelt der UNHCR die Dauer der Asylverfahren. Aufgrund der unzureichenden personellen Ausstattung würden zahlreiche Asylbewerber über sechs Monate auf die Aufnahme ihrer Antragstellung warten (Seite 11). Speziell für die Gruppe der Dublin-Rückkehrer (Seite 5) stellt der Bericht fest, dass Asylverfahren bei Nichterscheinen zur Anhörung ausgesetzt würden und der Antragsteller das Recht habe, binnen einer Frist von drei Monaten die Wiederaufnahme des Verfahrens zu beantragen. Diese Frist werde von Dublin-Rückkehrern regelmäßig überschritten. In diesen Fällen könne der Asylantrag in Abwesenheit abgelehnt werden. Ein Folgeantrag sei dann nur noch zulässig, wenn neue tatsächliche Umstände vorgetragen würden.

Der EASO Operating Plan to Bulgaria vom 25. Februar 2014 berichtet von den Feststellungen des Besuches einer Expertenkommission in Bulgarien vom 17. bis 21. Februar 2014. Der Bericht stellt Verbesserungen der Situation fest. Die Registrierungskarten würden innerhalb eines Tages ausgegeben (Seite 15). Die Produktivität des SAR bei der Bewältigung der Asylverfahren sei durch den erheblichen Ausbau des Personals in sichtbarer Weise gesteigert worden (Seite 8). Grundsätzlich würde über die - bevorzugt behandelten - Anträge syrischer Antragsteller binnen zwei bis drei Monaten entschieden. Die Bedingungen in den Aufnahmeeinrichtungen seien bemerkenswert verbessert worden, blieben aber ungleich (Seite 9). Das Aufnahmesystem bleibe überlastet. Schwierigkeiten bestünden insbesondere für besonders schutzbedürftige Personen. In allen Einrichtungen sei - entweder durch eigenes Personal oder die Organisation "Ärzte ohne Grenzen" - eine medizinische Versorgung sichergestellt (Seite 10).

In seinen Updates vom 7. Februar [und] 21. März 2014 stellt der UNHCR fest, dass die Zahl der Neuankömmlinge an der türkischen Grenze deutlich zurückgegangen sei und Bulgarien aktuell nur noch 6.832 Asylbewerber zähle, von denen 3.358 Personen in den sieben Aufnahmeeinrichtungen lebten. Die bulgarischen Behörden hätten inzwischen mit der Unterstützung von UNHCR und EASO zahlreiche Schritte zur Verbesserung der Lage unternommen. Die Registrierung der Antragsteller erfolge nun in sämtlichen Einrichtungen. Das Personal hierfür sei erheblich aufgestockt worden. Eine umgehende Registrierung sein jetzt grundsätzlich gewährleistet. Es stünden 47 Dolmetscher für die Anhörungen zur Verfügung. Die Lebensbedingungen in den Zentren hätten sich verbessert, unterschieden sich aber je nach Einrichtung. In den beiden Zentren, die unterhalb des Standards lägen, schritten Renovierungsmaßnahmen voran. In allen Aufnahmezentren würden inzwischen zwei warme Mahlzeiten am Tag ausgeben. Die Personen in den Einrichtungen hätten ungehinderten Zugang zu Informationen über ihre Rechte, rechtliche Beratung und Rechtsschutz. In drei Einrichtungen sei mit Sprachkursen für Kinder und Erwachsenen begonnen worden. Unbegleitete Minderjährige, welche als Flüchtlinge anerkannt sind, sollen in den örtlichen Gesundheits- und Sozialeinrichtungen für Kinder untergebracht werden. Im Zentrum in Harmanli sollen bis Ende April 2.000 weiter Plätze geschaffen werden, so dass allein die dortige Aufnahmekapazität auf 6.000 Personen ansteige. Die dortigen Einschränkungen der Bewegungsfreiheit seien entfallen. Es fehle weiter an einem Verfahren zur Ermittlung und Unterstützung besonders schutzbedürftiger Personen.

Bei einer Gesamtwürdigung der dargestellten Erkenntnisse vermag die Kammer im jetzigen Zeitpunkt systemische Schwachstellen im Sinne des Art. 3 Abs. 2 Dublin III-VO für das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen in Bulgarien nicht (mehr) festzustellen (a.A. VG Bremen, Beschluss vom 11. März 2014 - 1 V 153/14 -, juris). Die Kammer ist an die Einschätzung des UNHCR in seinem Bericht vom 2. Januar 2014, der systemische Mängel bejaht und von Überstellungen nach Bulgarien abrät, trotz dessen besonderer Bedeutung nicht gebunden. Vielmehr hat das Gericht in eigener Zuständigkeit zu prüfen, ob das Tatbestandsmerkmal der "systemischen Schwachstelle" erfüllt ist. Hierbei hat es die zwischenzeitliche tatsächliche Entwicklung zu berücksichtigen.

Vorliegend enthält der Bericht des UNHCR vom 2. Januar 2014 im Ausgangspunkt tatsächliche Anhaltspunkte, welche ernsthaft für die Annahme systemischer Mängel des Asylverfahrens und vor allem der Aufnahmebedingungen in Bulgarien sprechen. Diese Mängel betrachtet die Kammer unter Berücksichtigung der jüngsten Erkenntnisse jedoch zwischenzeitlich als ganz oder in einer Weise teilweise behoben, dass sie jedenfalls die Qualität eines systemischen Mangels verloren haben. Auslöser der Situation in Bulgarien war die sprunghafte Explosion der Zahl der Asylantragsteller binnen sechs Monaten, welche die Kapazitäten des bulgarischen Asylsystems sprengte. Die bulgarische Regierung hat hierauf reagiert und EASO sowie UNHCR und andere NGOs um Hilfe gebeten. Diese Unterstützungsleistungen haben nach den Feststellungen des EASO vom 25. Februar 2014 und des UNHCR vom 7. Februar 2014 und 21. März 2014 zwischenzeitlich erhebliche Erfolge gezeigt. Die im UNHCR-Bericht vom 2. Januar 2014 maßgeblich angeführten Defizite wurden abgestellt. So erfolgt die Registrierung der Asylantragsteller jetzt zeitnah. Damit ist zugleich der wesentliche Anknüpfungspunkt für die Inhaftierung von Asylbewerbern in der Vergangenheit entfallen. Entgegen der Behauptung des Antragstellers vermag die Kammer daher nicht zu erkennen, dass ihm bei einer Rückkehr zwangsläufig die Inhaftierung droht. Denn dass er in Bulgarien als Asylsuchender registriert ist, dürfte sich schon aus dem vorliegenden EURODAC-Treffer ergeben. Einen weiteren wesentlichen Mangel hat der UNHCR in den Aufnahmekapazitäten und -bedingungen gesehen. Insoweit lässt sich bei Heranziehung der aktuellen Erkenntnisse feststellen, dass die Zahl der Personen in den Einrichtungen deutlich zurückgegangen und zugleich die Aufnahmekapazität erhöht worden ist. Allein die Tatsache, dass Antragsteller, die nicht in den Aufnahmeeinrichtungen untergebracht sind, die Obdachlosigkeit drohen kann, begründet für sich genommen nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte noch keine Verletzung des Art. 3 EMRK. Auch die Lebensbedingungen in den Aufnahmeeinrichtungen sind deutlich verbessert worden. Entgegen der Behauptung des Antragstellers, ihm drohe kein Zugang zu Nahrungsmitteln, wird in sämtlichen Einrichtung täglich zweimal eine warme Mahlzeit ausgegeben. Auch eine ärztliche Versorgung ist in allen Einrichtungen inzwischen entweder durch eigenes Personal oder "Ärzte ohne Grenzen" sichergestellt. Antragsteller, die außerhalb der Zentren leben, erhalten eine Krankenversicherungskarte, welche ihnen Zugang zu medizinischen Leistungen gewährt. Schließlich wurde ausweislich der Feststellungen des EASO auch die Effektivität des Asylverfahrens erheblich gesteigert, so dass Asylbewerber, die wie der Antragsteller syrischer Herkunft sind, binnen zwei bis drei Monaten mit einer Entscheidung rechnen können. Für die Anhörungen sind zahlreiche Dolmetscher eingestellt worden. Die Asylbewerber werden inzwischen entgegen der Behauptung des Antragstellers schließlich auch über ihre Rechte aufgeklärt und haben Zugang zu Rechtsberatung und Rechtsschutz. Die Behauptung des Antragstellers, ihm drohe bei einer Rückkehr die Abschiebung nach Syrien, vermag die Kammer nicht nachzuvollziehen. Es ist dem Gericht aus einer Vielzahl anderer Verfahren bekannt, dass syrischen Antragsteller in Bulgarien grundsätzlich subsidiärer Schutz zuerkannt wird. Soweit der Antragsteller unter Bezugnahme auf den Bericht des UNHCR vom 2. Januar 2014 anführt, dass sein Asylantrag bei einer Rückkehr in Bulgarien in der Sache nur noch einmal geprüft werde, wenn er eine neuen Sachverhalt vortragen könne, vermag die Kammer hierin einen systemischen Mangel des bulgarischen Asylverfahrens nicht zu erkennen. Zunächst hat der Antragsteller schon nicht belegt, dass sein Erstantrag überhaupt schon abschlägig beschieden worden ist. Nach den Erkenntnissen des UNHCR wird ein Asylverfahren in Bulgarien erst ausgesetzt, wenn der Antragsteller nicht zu seiner Anhörung erscheint. Sodann hat der Antragsteller drei Monate Gelegenheit, eine Wiederaufnahme zu beantragen. Schon ein derartiger Zeitablauf ist hier nicht ersichtlich. Ungeachtet dessen begründet die Möglichkeit der Ablehnung eines Asylantrages in Abwesenheit schon deshalb keinen Mangel des bulgarischen Asylrechts, weil ihr maßgeblich ein freiwilliges Verhalten des jeweiligen Antragstellers zugrunde liegt, der nach Asylantragstellung aus Bulgarien ausgereist ist und sich um den weiteren Fortgang seines dortigen Asylverfahrens nicht gekümmert hat. Für einen solchen Fall sieht auch das deutsche Asylrecht - etwa im Wege einer Betreibensaufforderung (§ 33 Abs. 1 i.V.m. § 10 Abs. 2 AsylVfG) - die Möglichkeit vor, den Asylantrag als unzulässig zurückzuweisen.

Die Kammer erachtet die jüngsten Feststellungen von EASO und UNHCR zur tatsächlichen Situation in Bulgarien nicht nur als vorübergehende Momentaufnahme, sondern auch perspektivisch für belastbar. Maßgeblich für diese Einschätzung ist die deutlich gesunkene Zahl von Neuankömmlingen, die in Bulgarien um Asyl ersuchen. Damit ist der wesentliche Grund, der zur Krise des bulgarischen Systems geführt hat, entfallen. Überdies wird im bulgarischen Parlament unter Beteiligung zahlreicher internationaler Organisationen ein Gesetzentwurf diskutiert, der die Umsetzung zahlreicher Änderung des EU-Asylrechts und hierbei höhere Standards für die Gewährung internationalen Schutzes vorsieht, wozu insbesondere der verbesserte Schutz für besonders schutzbedürftige Personengruppen zählt (EASO, a.a.O., Seite 4).

Die Kammer verkennt nicht, dass die Bedingungen in einzelnen Aufnahmeeinrichtungen von UNHCR und EASO auch weiterhin für verbesserungswürdig erachtet werden. Einzelne Missstände, die in bestimmten Aufnahmeeinrichtungen auftreten, stellen nach Ansicht der Kammer die Funktionsfähigkeit des Asyl- und Aufnahmesystems jedoch nicht insgesamt in Frage. Gleiches gilt auch für die vom Antragsteller geschilderten - rechtswidrigen - Umstände seines konkreten Aufenthaltes in Bulgarien zu einem Zeitpunkt vor Umsetzung der zwischenzeitlichen Verbesserungsmaßnahmen. Auch wenn sich die Situation in Bulgarien weiter deutlich schlechter und unsicherer darstellt als in der Bundesrepublik Deutschland, begründet dies für sich genommen keinen systemischen Mangel.

Der Abschiebung des Antragstellers nach Bulgarien steht schließlich auch kein inländisches Vollstreckungshindernis entgegen. Ein solches ist weder dargetan noch ersichtlich. Insbesondere ergibt sich die vom Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers vermutete Flugunfähigkeit nicht aus dem eingereichten ärztlichen Attest vom 12. März 2014. Die ausstellende Fachärztin für Allgemeinmedizin rät zu einer fachärztliche Klärung der Ursachen der vom Antragsteller selbst geschilderten Kopfschmerzen und kollaptischen Zustände. Dass eine weitere Diagnose der Erkrankung nicht auch in Bulgarien möglich wäre, hat der Antragsteller nicht dargetan. [...]