VG Stuttgart

Merkliste
Zitieren als:
VG Stuttgart, Beschluss vom 12.03.2014 - A 7 K 773/14 - asyl.net: M21765
https://www.asyl.net/rsdb/M21765
Leitsatz:

Aufgrund des Positionspapiers des UNHCR vom 2.1.2014 bestehen hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass Bulgarien die von ihm eingegangenen Verpflichtungen nach der Genfer Flüchtlingskonvention, der EMRK und der EU-Grundrechte Charta derzeit nicht in dem zu erwartenden Umfang erfüllt und das bulgarische Aufnahmesystem und Asylverfahren zum gegenwärtigen Zeitpunkt gravierende systemische Mängel aufweisen, welche die Annahme einer menschenunwürdigen Behandlung im Falle einer Abschiebung rechtfertigen.

Schlagwörter: Dublin II-VO, Dublinverfahren, Bulgarien, UNHCR, Aufnahmebedingungen, Asylverfahren, systemische Mängel,
Normen: AsylVfG § 34a Abs. 2,
Auszüge:

[...]

Nach dem neuesten Positionspapier des UNHCR vom 2.1.2014 (Bulgaria As a Country of Asylum, UNHCR Observations an the Current Situation of Asylum in Bulgaria) bestehen hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass Bulgarien die von ihm eingegangenen Verpflichtungen nach der Genfer Flüchtlingskonvention, der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union derzeit nicht in dem zu erwartenden Umfang erfüllt und das bulgarische Aufnahmesystem und Asylverfahren zum gegenwärtigen Zeitpunkt gravierende systemische Mängel bzw. Schwachstellen im Sinne der o.g. Rechtsprechung aufweist, welche die Annahme einer menschenunwürdigen Behandlung des Antragstellers im Falle seiner Abschiebung nach Bulgarien rechtfertigen.

In dem genannten Positionspapier des UNHCR werden die Zustände in den staatlichen Aufnahmezentren für Asylsuchende als "erbärmlich" beschrieben. Der Staat stelle keine Nahrungsmittel zur Verfügung und verweigere den Asylsuchenden sogar die Möglichkeit, außerhalb des Zentrums einzukaufen. Es gebe in den Unterkünften im Allgemeinen auch keine Möglichkeit, sich selbst Essen zuzubereiten. Unzureichend seien darüber hinaus die Versorgung mit Wasser, Heizung, sanitären Anlagen sowie der Zugang zu medizinischer Versorgung und zu kindergerechten Unterbringungsmöglichkeiten. Personen, die beim Versuch der Einreise nach Bulgarien festgenommen würden, hätten keine Möglichkeit, unverzüglich einen Asylantrag zu stellen. Solange ihre Asylanträge nicht bei den zuständigen Stellen registriert seien, blieben die Asylsuchenden inhaftiert und seien ständig von Abschiebung bedroht. Gestellte Asylanträge würden weder in angemessener Frist noch mit der notwendigen Sorgfalt geprüft. Selbst für Personen, die aus anderen europäischen Staaten im Rahmen des "Dublin-Systems" nach Bulgarien abgeschoben würden, gebe es keine Garantie, dass ihr Asylantrag dort auch tatsächlich inhaltlich geprüft werde. Auch Personen, die Flüchtlingsschutz oder einen anderen Schutzstatus erhalten hätten, könnten keine ausreichende staatliche Unterstützung erwarten und seien sogar von Obdachlosigkeit bedroht. In den letzten Monaten sei es zudem vermehrt zu gewaltsamen Übergriffen auf Asylsuchende und Flüchtlinge gekommen, die offenbar ausländerfeindlich motiviert gewesen seien. Dabei sei nicht eindeutig erkennbar gewesen, dass die existierenden rechtlichen Möglichkeiten, gegen derartige Verbrechen vorzugehen, von den bulgarischen Behörden konsequent angewandt würden.

Bei dieser vom UNHCR festgestellten Sachlage, die im Übrigen den Angaben des Antragstellers über seine Behandlung In Bulgarien bei seiner Anhörung beim Bundesamt entspricht, ist dem Antragsteller eine Rücküberstellung nach Bulgarien nicht zumutbar. [...]