VG Frankfurt/Oder

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Zitieren als:
VG Frankfurt/Oder, Urteil vom 26.04.2013 - 6 K 767/12.A - asyl.net: M21746
https://www.asyl.net/rsdb/M21746
Leitsatz:

Zumindest für Personen, die keine Mitglieder der Mungiki-Sekte sind und sich lediglich geweigert haben, ihr beizutreten, besteht außerhalb Nairobis, der Zentralprovinz und des Rift Valley eine inländische Fluchtalternative.

Schlagwörter: Kenia, Mungiki, Mungiki-Sekte, Sekte, nichtstaatliche Verfolgung, Nairobi, Zentralprovinz, Rift Valley, interne Fluchtalternative,
Normen: AufenthG § 60 Abs. 1, AufenthG § 60 Abs. 5, AufenthG § 60 Abs. 7 S. 1,
Auszüge:

[...]

Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO), weil ihm die mit den Klageanträgen zu 1. bis 3. geltend gemachten Ansprüche in der nach § 77 Abs. 1 des Asylverfahrensgesetzes - AsylVfG - maßgeblichen Sach- und Rechtslage nicht zustehen und infolgedessen die auch im Übrigen mängelfreie Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung rechtmäßig sind.

Zur Begründung wird gemäß § 77 Abs. 2 AsylVfG auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid Bezug genommen, denen sich die Kammer anschließt. Die Klageanträge haben auch für den Fall, dass das klägerische Tatsachenvorbringen als wahr unterstellt würde, vor allem deshalb keinen Erfolg, weil der Kläger angesichts einer im Zeitpunkt der Ausreise bestehenden inländischen Fluchtalternative nicht vorverfolgt ausgereist ist und keine stichhaltigen Gründe dafür ersichtlich sind, dass ihm in absehbarer Zeit eine solche im Falle der Rückkehr in sein Heimatland nicht zur Verfügung stehen wird. Der Kläger hatte und hat jedenfalls außerhalb von Nairobi, der Zentralprovinz und dem Rift Valley keine landesweiten Gefahren aus dem Grunde zu befürchten, dass er sich im Jahre 2007 in seinem Heimatort geweigert hatte, der Mungiki-Sekte beizutreten. Denn die Mungiki-Sekte operiert außerhalb der vorgenannten Gebiete nicht landesweit jedenfalls gegenüber solchen Personen, die keine Mitglieder sind und sich lediglich geweigert haben, dieser Sekte beizutreten. Das Operationsgebiet der Mungiki-Sekte war im Jahre 2007 und auch in der Zeit danach nach den übereinstimmenden Berichten und Auskünften auf die vorgenannten Gebiete beschränkt (vgl. amnesty international, Auskunft an das erkennende Gericht vom 11. Januar 2010 [AFR 32-09.020], Seite 2; ACCORD, Anfragebeantwortung vom 19. November 2010; Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 15. Dezember 2009 an das erkennende Gericht [Gz.. 508-516.80/46271], Seite 1; Auskunft des GIGA-Institut für Afrika-Studien an das erkennende Gericht vom 22. Oktober 2009, Seite 2; Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Die Mungiki-Sekte in Kenia, Juni 2007, Seite 1); das GIGA-Institut für Afrika-Studien hat insoweit ausdrücklich ausgeführt, das Einflussgebiet der Mungiki erstrecke sich auf das gesamte Stadtgebiet von Nairobi (vgl. Auskunft vom 22. Oktober 2009 an das erkennende Gericht, Seite 4); eine solche Hervorhebung der stadtweiten Verbreitung dieser Sekte in Nairobi wäre überflüssig, wenn sie einen landesweiten Einfluss hätte. Zwar konnten sich die Mungikis in der betreffenden Zeit auch landesweit bewegen und Informationen austauschen, weil sie seinerzeit das Geschäft mit Überlandbussen (Matatu-Geschäft) beherrschten (vgl. amnesty international, Auskunft an das erkennende Gericht vom 11. Januar 2010 [AFR 32-09.020], Seite 2). Angesichts der Größe Kenias bestand und besteht allerdings die Möglichkeit, sich außerhalb des Einflussbereiches der Mungiki-Sekte niederzulassen (vgl. Auskunft des Auswärtiges Amtes vom 15. Dezember 2009 an das erkennende Gericht [Gz.: 508-516.80/46271], Seite 2). Dieser Befund wird bestätigt durch die Nachrichten- und Erkenntnisquellen zu Übergriffen der Mungiki-Sekte gegenüber Dritten, die allein in dem genannten Operationsgebiet stattgefunden haben (amnesty international, Amnesty Report 2008 und 2010; amnesty international, Auskunft an das erkennende Gericht vom 11. Januar 2010 [AFR 32-09.020], Seite 3 f.; Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Kenia, Aktuelle Lage, April 2009, S. 19 f.; ACCORD vom 30. September 2008), nicht jedoch außerhalb dieses Gebietes. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang des Weiteren, dass amnesty international für die Jahre 2010, 2011 über gar keine Übergriffe der Mungiki-Sekte berichtet hat (amnesty international, Amnesty Report 2011, 2012), nachdem in den betreffenden Vorjahren über Übergriffe der Sekte in ihrem Verbreitungsgebiet berichtet worden war (vgl. amnesty international, Amnesty Report 2008 und 2010; amnesty international, Auskunft an das erkennende Gericht vom 11. Januar 2010 [AFR 3209.020], Seite 3 f.). Auch die in den klägerseitig angeführten Zeitungsartikeln vom 18. April 2012 und 25. April 2012 berichteten Vorkommnisse ereigneten sich im Verbreitungsgebiet der Sekte. Keine andere Beurteilung ergibt sich schließlich für den vorliegenden Fall aus der klägerseitig angeführten Auskunft des GIGA-Leibnitz-Institutes für Globale und Regionale Studien an das erkennende Gericht vom 06. März 2013, wonach abtrünnige ehemalige Mungiki-Mitglieder landesweit mit weitreichenden Maßnahmen der Mungiki-Sekte zu rechnen haben sollen (vgl. Auskunft vom 06. März 2013, Seite 4). Begründet wird diese Prognose unter anderem mit der landesweiten Vernetzung der Sekte und damit, dass sich Mitglieder bei ihrem Eintritt in die Sekte zu ewiger Treue zu derselben zu verpflichten hätten und ein Austritt mit dem Tode bestraft werde (vgl. a.a.O., Seite 4). In Übereinstimmung mit den Feststellungen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, wonach Übergriffe vor allem gegenüber abtrünnigen Sektenmitgliedern erfolgen würden (vgl. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Die Mungiki-Sekte in Kenia, Juni 2007, Seite 2), führt das GIGA-Leibnitz-Institut für Globale und Regionale Studien in dem Gutachten vom 06. März 2013 ohne Angabe weiterer Einzelheiten weiter aus, dass Austritte aus der Sekte nach dem Jahre 2004 zu brutalen Morden geführt hätten und nur wenige Führungsmitglieder die Sekte ohne Konsequenzen hätten verlassen können (vgl. a.a.O.. Seite 4). Zu diesem Personenkreis zählt der Kläger indessen nicht, weil er weder ein Führungsmitglied geschweige denn ein einfaches Mitglied dieser Sekte gewesen ist und er angesichts dessen, dass er aus Sicht der Sekte keinen Eid gebrochen hat, nicht weiter in deren Blickfeld war und dies angesichts des Zeitablaufes von mehr als 5 Jahren, seit er im Jahre 2007 den Eintritt in die Sekte verweigert hat, erst recht gegenwärtig bzw. in absehbarer Zeit nicht sein wird. Angesichts der vorstehend angeführten Erkenntnisquellen, welche der Kammer eine hinreichende Sachkunde vermitteln, bedarf es keiner Einholung einer weiteren Auskunft zu dem Themenkomplex. Ferner stellt sich nicht die Frage, ob die staatlichen kenianischen Stellen willens und fähig sind, effektiven Schutz vor Übergriffen dieser Sekte zu gewährleisten, weil der Kläger nach den vorstehenden Ausführungen (jedenfalls) nicht (landesweit) durch die Sekte gefährdet sein wird. Schließlich wird der Kläger auch in anderen Landesteilen außerhalb seiner Heimatregion in der Lage sein, für seinen Lebensunterhalt zu sorgen, weil es ihm nach eigenem Vorbringen gelungen war, sich seinen Lebensunterhalt in zwei fremden Ländern zu verdienen, nämlich in der Türkei und in Griechenland (für die Dauer von etwa zwei Jahren), so dass bereits vor diesem Hintergrund keine Zweifel daran bestehen, dass ihm dies in seinem Heimatland nicht gelingen sollte. [...]