VG Frankfurt a.M.

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Zitieren als:
VG Frankfurt a.M., Beschluss vom 26.09.2013 - 1 L 3416/13.F.A - asyl.net: M21723
https://www.asyl.net/rsdb/M21723
Leitsatz:

In der ghanaischen Gesellschaft gibt es zwar homophobe Tendenzen. Eine strafrechtliche Verfolgung findet in der Praxis jedoch nicht statt.

Schlagwörter: Ghana, homosexuell, Strafbarkeit, nichtstaatliche Verfolgung, offensichtlich unbegründet,
Normen: AsylVfG § 18a, AsylVfG § 3, AufenthG § 60 Abs. 1,
Auszüge:

[...]

Danach liegen die Voraussetzungen für die Anerkennung als Asylberechtigter und für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 und 4 AsylVfG i.V.m. § 60 Abs. 1 AufenthG im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgericht (vgl. § 77 Abs. 1 AsylVfG) offensichtlich nicht vor. An der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen des Bundesamtes bestehen vernünftigerweise keine Zweifel, so dass sich die Ablehnung des Asylantrages nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung geradezu aufdrängt.

Der Antragsteller gab bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt an, er sei bisexuell und werde wegen seiner Homosexualität in Ghana verfolgt. Grund für die Ausreise sei gewesen, dass er vor 5 Monaten, nachdem er sich mit einem Freund getroffen habe, mit dem er sich in dessen Auto unterhalten und seinen "Spaß" gehabt habe, von 2 Männern angegriffen worden sei, die ihm gesagt hätten, dass sie ihn im Auto mit seinem Freund beobachtet hin und ihm sagten, dass sie Ghana von solchen Beziehungen sauber halten wollten. Einer der Männer habe ein Messer gezogen und habe ihn verletzen wollen, hiervon habe er eine Narbe an der linken Hand zurückbehalten. Weiter habe er sich vor 2 Monaten am Strand mit einem Freund getroffen, mit dem er dort in einem Zelt zusammen gewesen sei. Danach sei er von 3 Personen angesprochen worden, die angefangen hätten, ihn zu beleidigen und zu beschimpfen und schließlich auch zu schlagen. Einer der Männer habe ihn mit einer Tasse auf den Kopf geschlagen. Schließlich gab er an, dass er vor langer Zeit schon einmal beleidigt worden sei, wegen seiner homosexuellen Neigungen.

Diese Darstellung zu der individuellen Verfolgung des Antragstellers vermögen die Vermutung der Nichtverfolgung in seinem Heimatland Ghana nicht zu erschüttern. Darüber hinaus ist insoweit auch eine politische Verfolgung nicht schlüssig und konkret dargetan. Die geschilderten Übergriffe privater Personen sind in ihrer Intensität nicht so gravierend und erheblich, dass sie eine asylerhebliche politische Verfolgung begründen würden. Der Antragsteller konnte den beiden Angriffen, denen er nach seinen Angaben in den letzten fünf Monaten vor seiner Ausreise ausgesetzt war, jeweils ohne große Probleme entkommen; er konnte sich jeweils entfernen, ohne dass Weiteres geschah, oder er weiterhin von den Personen behelligt wurde. Es handelte sich auch nicht um eine staatliche Verfolgung oder um Verfolgungsmaßnahmen, die dem Staat zugerechnet werden müssten mangels hinreichender Schutzwilligkeit. Es ist nicht erkennbar und ergibt sich auch nicht aus dem Vortrag des Antragstellers in hineinreichender Weise, dass die Polizei gegen Körperverletzungen nicht einschreiten würde.

Soweit der Antragsteller angab [an], dass er, als er vor langer Zeit beleidigt worden sei, zur Polizei gegangen sei und seinen Fall geschildert habe, die Polizisten ihm nur gesagt hätten, er solle weggehen und sie würden ihn festnehmen, wenn er nochmal kommen würde, lässt dieser Vorfall nicht auf die Gefahr der staatlichen Verfolgung des Antragstellers wegen seiner Homosexualität schließen. Denn bei dieser Drohung handelte sich um Aussagen einzelner Beamten, der Vorfall der Beleidigung, den der Antragsteller schilderte, war nicht erkennbar gravierend und der Antragsteller konnte, obwohl er sich offen als Homosexueller zu erkennen gab, ohne Weiteres die Polizei wieder verlassen und wurde auch in der Folgezeit nicht weiter staatlicherseits behelligt. Nach den Angaben des Antragstellers war dieser Vorfall, der schon vor langer Zeit geschah, auch nicht ausreisebestimmend. Zwar kann einer Verfolgung wegen einer homosexuellen Veranlagung grundsätzlich eine politische Verfolgung darstellen. Homosexuelle können als "soziale Gruppe" im Sinne von § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG, Art. 10 Abs. 1 Buchs. d RL 2004/83/EG angesehen werden (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 07.03.2013 - A 9 S 1872/12 - juris). Eine solche Verfolgung lässt sich im Falle des Antragstellers jedoch nicht feststellen. Der Umstand, dass das Strafgesetzbuch Ghanas gem. Sektion 104 Geschlechtsverkehr zwischen Personen gleichen Geschlechts als strafbar festlegt und einvernehmlicher gleichgeschlechtlicher Geschlechtsverkehr als Ordnungswidrigkeit bzw. Vergeben eingestuft wird, das mit Haftstrafen zwischen einem und 8 Jahren sanktioniert werden kann (S. 11 des Lageberichtes des Auswärtigen Amtes, Ghana vom 18.02.2013), begründet nicht die Gefahr einer politischen Verfolgung. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass das Strafgesetzbuch nicht schon die homosexuelle Orientierung oder Neigung für sich als strafbar erachtet, sondern nur konkrete homosexuelle Handlungen. Nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes sind der Botschaft in Accra zudem in den letzten Jahren weder Verurteilungen wegen einvernehmlichen gleichgeschlechtlichen Geschlechtsverkehrs bekannt geworden, noch gab es entsprechende Hinweise durch Menschenrechtsorganisationen hierauf. Der Antragsteller hat auch nicht vorgetragen, dass er insoweit strafrechtliche Verfolgung wegen homosexueller Handlungen befürchtet. Allein wegen einer homosexuellen Veranlagung findet nach dem ghanaischen Strafrecht keine Strafverfolgung statt. Der Antragsteller kann sich deshalb in Ghana im Hinblick auf seine sexuelle Ausrichtung weiter so verhalten, wie dies für seine Identität wichtig ist, ohne staatliche Verfolgungsmaßnahmen befürchten zu müssen. Auch bislang war er solchen Maßnahmen nicht ausgesetzt.

Eine Verfolgungsgefahr ergibt sich insoweit auch nicht aus der gesellschaftlichen Situation in Ghana, nach der gleichgeschlechtliche Beziehungen in breiten Gesellschaftsreisen geächtet sind (vgl. den Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 18.02.2013, S. 14 f.). In großen Teilen der Gesellschaft besteht danach eine homophobische Haltung. Eine Verschärfung der Lage in dem Sinne, dass von einer asylerheblichen Verfolgung Homosexueller in Ghana ausgegangen werden kann, lässt sich danach jedoch nicht feststellen. Soweit der Antragsteller in dem gerichtlichen Verfahren die gesellschaftliche Achtung der Homosexuellen durch Äußerungen von führenden Politikern und führenden Personen von Religionsgemeinschaften belegt (Äußerungen des Regionalministers im Westen Ghanas vom Juli 2011, des Generalsekretärs der Partei Peoples National und des Generalsekretärs der christlichen Dachorganisation Christian Council of Ghana sowie von Ghanas Präsident John Atta Mills und von Nichtregierungsorganisationen zur medizinischen Versorgung aus dem Jahr 2011) ergibt sich daraus nicht, dass diese Äußerungen - soweit sie sich für ein scharfes Vorgehen gegen die Homosexualität aussprechen - auch praktische Konsequenzen hatten und die Forderungen auch in die Tat umgesetzt wurden. Nach dem neuesten Lagebericht des Auswärtigen Amtes vorn 18.02.2013 (Seite 15) gibt es demgegenüber auch erste, ebenfalls vorsichtige Ansätze von Nichtregierungsorganisationen, die Rechte Homosexueller zu vertreten, oft in Verbindung mit der Bekämpfung von HIV. Zunehmend treten auch Personen des öffentlichen Lebens für eine weitere Anerkennung und Entkriminalisierung ein. Hieraus ergibt sich, dass die gesellschaftliche Entwicklung in Ghana weitergeht und auch positive Ansätze in Richtung einer Legalisierung der Homosexualität zeigt. [...]