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Zitieren als:
BGH, Beschluss vom 20.02.2014 - V ZB 76/13 - asyl.net: M21690
https://www.asyl.net/rsdb/M21690
Leitsatz:

Einem mehr als fünf Jahre zurückliegenden Einreiseverbot kann in Abschiebungshaftverfahren keine Wirkung mehr beigemessen werden.

Schlagwörter: unbefristetes Einreiseverbot, Einreiseverbot, nachträgliche Befristung, Befristung, Rückführungsrichtlinie, Unionsrecht, Richtlinien, Sicherungshaft, Abschiebungshaft, Rückkehrentscheidung, Höchstdauer, EuGH,
Normen: AufenthG § 11 Abs. 1,
Auszüge:

[...]

1. Infolge der am 24. März 2005 durchgeführten Abschiebung traf den Betroffenen zwar ein - nicht an eine Einzelfallprüfung anknüpfendes - unbefristetes Einreiseverbot (§ 11 Abs. 1 AufenthG a.F.); eine nachträgliche Befristung des Einreiseverbots, wie sie § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG n.F. auf Antrag vorsieht, ist nicht erfolgt. Nach Erlass der Beschwerdeentscheidung hat aber der Europäische Gerichtshof diese im nationalen Recht vorgesehene antragsabhängige Befristung als unvereinbar mit Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2008/115/EG angesehen, deren Umsetzung § 11 AufenthG dient (EuGH, InfAuslR 2013, 416 ff.). Geklärt hat er ferner, dass die Richtlinie auch auf die vor ihrem Inkrafttreten eingetretenen Wirkungen von Einreiseverboten Anwendung findet (EuGH, aaO, Rn. 40 f.).

2. In Umsetzung dieses Urteils des Europäischen Gerichtshofs in das nationale Recht hat der Senat zwischenzeitlich entschieden, dass § 11 Abs. 1 AufenthG richtlinienkonform dahingehend anzuwenden ist, dass über eine nachträgliche Befristung antragsunabhängig zu entscheiden ist; jedenfalls in Übergangsfällen der hier vorliegenden Art darf die Haft zur Sicherung der Abschiebung nur angeordnet werden, wenn im Zuge der angestrebten zwangsweisen Aufenthaltsbeendigung über die ursprünglich nicht erforderliche Befristung nachträglich entschieden worden ist, die Einreise des Betroffenen danach (immer noch) eine unerlaubte war und ein Zeitraum verstrichen ist, der es einem verständigen Betroffenen ermöglicht, die von Art. 13 der Richtlinie 2008/115/EG eingeräumten Rechtsbehelfe zu ergreifen (ausführlich Beschluss vom 9. Januar 2014 - V ZB 137/12, juris Rn. 7 ff.). Weil bei richtlinienkonformer Anwendung von § 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG die dort grundsätzlich vorgesehene Höchstdauer von fünf Jahren auch den Zeitraum vor Inkrafttreten der Richtlinie 2008/115/EG einbeziehen muss (EuGH, a.a.O., Rn. 42), kann das Einreiseverbot nur noch unter den in § 11 Abs. 1 Satz 4 und Satz 7 AufenthG genannten besonderen Voraussetzungen aufrechterhalten werden, wenn es - wie hier - bereits seit mehr als fünf Jahren bestanden hat. Ob es danach ohnehin einer erneuten Rückkehrentscheidung bedurfte, kann dahinstehen, weil es jedenfalls an der Entscheidung über die Aufrechterhaltung des Einreiseverbots fehlt. Auf § 71 Abs. 5 AsylVfG kann sich die Behörde nicht stützen, weil diese Norm eine aufgrund eines früheren Asylantrags ergangene vollziehbare Abschiebungsandrohung voraussetzt, an der es gerade fehlt. [...]