Die Verwirklichung des Gebührentatbestandes nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 AufenthV setzt nicht voraus, dass der Ausländer einen Antrag auf Befristung der Wirkungen seiner Abschiebung gestellt hat.
(Amtlicher Leitsatz)
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Der Kläger wendet gegen die Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung ein, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht angenommen, dass der Gebührentatbestand des § 47 Abs. 1 Nr. 1 AufenthV einen Antrag des Ausländers auf Befristung der Wirkungen einer Abschiebung nicht voraussetze. Der Gebührentatbestand knüpfe nach seinem Wortlaut an die Befristung eines Einreise- und Aufenthaltsverbotes nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG an. Diese Regelung umfasse aber nur die Befristung auf Antrag. Ob seine Mutter im Jahre 2004 einen solchen Antrag gestellt habe, sei unerheblich. Denn der Beklagte habe hierüber bis zum Inkrafttreten der Rückführungsrichtlinie nicht entschieden. Nach diesem Zeitpunkt sei aber von Amts wegen über die Befristung zu entscheiden gewesen. Kostenrechtlich dürfe es auch keinen Unterschied machen, ob eine Behörde von sich aus die Notwendigkeit einer Befristungsentscheidung erkenne oder ein Betroffener sie hierauf hinweise. Gebühren dürften auch nur dann erhoben werden, wenn der Betroffene Einfluss auf die gebührenpflichtige Handlung nehmen könne. Daran fehle es bei einer von Amts wegen vorzunehmenden Handlung.
Diese Einwände begründen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung nicht. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht festgestellt, dass der Gebührentatbestand des § 47 Abs. 1 Nr. 1 AufenthV erfüllt und der Gebührenbescheid des Beklagten vom 6. Februar 2013 rechtmäßig ist.
Nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 AufenthV in der hier maßgeblichen, zuletzt durch das Gesetz zur Änderung des Freizügigkeitsgesetzes/EU und weiterer aufenthaltsrechtlicher Vorschriften vom 21. Januar 2013 (BGBl. I S. 86) geänderten Fassung (vgl. zum maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage bei der Anfechtung von Gebührenbescheiden: Sächsisches OVG, Urt. v. 20.1.2014 - 3 A 623/12 -, juris Rn. 44 m.w.N.) sind für die Befristung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots (§ 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG) Gebühren in Höhe von 30 EUR zu erheben. Die Verwirklichung dieses Gebührentatbestandes setzt nicht voraus, dass der Ausländer einen Antrag auf Befristung der Wirkungen seiner Abschiebung gestellt hat. Der Gebührentatbestand ist vielmehr auch dann verwirklicht, wenn die Ausländerbehörde von Amts wegen über die Befristung der Wirkungen einer Abschiebung entscheidet (vgl. zu dieser sich aus Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2008/115 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger ergebenden Verpflichtung: EuGH, Urt. v. 19.9.2013 - C-297/12 -, NJW 2014, 527 f. (Filev und Osmani ./. Deutschland)).
Dies ergibt sich zunächst aus dem Wortlaut des § 47 Abs. 1 Nr. 1 AufenthV. Hiernach wird der Gebührentatbestand durch die Befristung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots verwirklicht und setzt daher die bloße behördliche Entscheidung hierüber voraus. Entgegen der Annahme des Klägers ergibt sich nichts Anderes aus der Bezugnahme auf § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG in dem in § 47 Abs. 1 Nr. 1 AufenthV enthaltenen Klammerzusatz. Mit dieser Bezugnahme wird allein erläuternd auf die Rechtsgrundlage der behördlichen Befristungsentscheidung hingewiesen. § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG trägt indes die Entscheidung über die Befristung der Wirkungen einer Abschiebung unabhängig davon, ob der Ausländer eine solche Entscheidung ausdrücklich beantragt hat (vgl. BVerwG, Urt. v. 13.12.2012 - BVerwG 1 C 14.12 -, Buchholz 402.242 § 11 AufenthG Nr. 10).
Auch der Normgeber hat die Erhebung der Gebühr für die Befristung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots allein mit dem wegen der umfangreichen Prüfungen und den nicht selten schwierigen Sachentscheidungen erheblichen Verwaltungsaufwand begründet (vgl. Verordnung der Bundesregierung, Verordnung zur Durchführung des Zuwanderungsgesetzes, BR-Drs. 823/02, S. 195 (zu § 47 Abs. 1 Nr. 1 AufenthV) in Verbindung mit der Verordnung der Bundesregierung, Gebührenverordnung zum Ausländergesetz (AuslGebV), BR-Drs. 798/90, S. 21 (zu § 3 Nr. 3 AuslGebV). Dieser Verwaltungsaufwand entsteht unabhängig davon, ob der Ausländer die behördliche Entscheidung ausdrücklich beantragt hat.
Die mangelnde Abhängigkeit der Verwirklichung des Gebührentatbestandes von der Stellung eines Antrages auf Befristung der Wirkungen einer Abschiebung widerspricht auch weder der Systematik der Gebührenerhebung nach dem Dritten Kapitel der Aufenthaltsverordnung noch der allgemeinen verwaltungskostenrechtlichen Systematik der Gebührenerhebung.
Den Bestimmungen in §§ 44 f. AufenthV ist nicht zu entnehmen, dass Gebühren nur für antragsabhängige Amtshandlungen erhoben werden können. Vielmehr finden sich sowohl Gebührentatbestände, die an eine antragsabhängige Amtshandlung anknüpfen (vgl. etwa § 47 Abs. 1 Nr. 3 AufenthV (Aufhebung oder Änderung einer Auflage zum Aufenthaltstitel auf Antrag), § 47 Abs. 1 Nr. 7 AufenthV (Aufhebung oder Änderung einer Auflage zur Aussetzung der Abschiebung auf Antrag) und § 47 Abs. 1 Nr. 9 AufenthV (Ausstellung einer Bescheinigung über das Aufenthaltsrecht oder sonstiger Bescheinigungen auf Antrag)) als auch Gebührentatbestände, die auf eine solche Anknüpfung verzichten und die bloße Vornahme der Amtshandlung genügen lassen (vgl. etwa § 47 Abs. 1 Nr. 5 AufenthV (Ausstellung einer Bescheinigung über die Aussetzung der Abschiebung), § 47 Abs. 3 AufenthV (Ausstellung einer Aufenthaltskarte nach § 5 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU) und § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 AufenthV (Ausstellung einer Bescheinigung über die Wohnsitzverlegung nach §§ 4 Abs. 1 Nr. 6, 43 Abs. 2 AufenthV)). Auch § 69 Abs. 1 Satz 1 AufenthG, die Verordnungsermächtigung für die in §§ 44 f. AufenthV getroffenen Regelungen, gestattet die Erhebung von Gebühren für Amtshandlungen, ohne eine Beschränkung auf antragsabhängige Amtshandlungen vorzunehmen.
Auch den nach § 69 Abs. 2 Satz 2 AufenthG anzuwendenden Bestimmungen des Verwaltungskostengesetzes - VwKostG - in der bis zum 14. August 2013 geltenden Fassung ist nicht zu entnehmen, dass Gebühren nur für antragsabhängige Amtshandlungen erhoben werden können. Maßgeblich für die Gebührenerhebung ist vielmehr allein, ob durch ein Verwaltungshandeln ein Vorteil vermittelt wird (vgl. § 3 Satz 1 VwKostG und BVerwG, Urt. v. 18.3.2004 - BVerwG 3 C 23.03 -, NVwZ 2004, 991, 992; Kirchhof, Grundriss des Abgabenrechts, Rn. 174 f.). Das Verwaltungshandeln kann auf einen Antrag oder von Amts wegen erfolgen.
Im letztgenannten Fall entsteht die Gebühr nach § 11 Abs. 1 VwKostG mit der Beendigung der gebührenpflichtigen Amtshandlung.
Schließlich ist für den Senat nicht ersichtlich, dass Sinn und Zweck der Gebührenerhebung nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 AufenthV eine solche nur dann zulassen, wenn der Ausländer einen Antrag auf Befristung der Wirkungen seiner Abschiebung gestellt hat. Die Gebühr soll den mit Berechnung und Festsetzung der Frist verbundenen Verwaltungsaufwand abgelten, der unabhängig von einem Antrag entsteht. Entgegen der Annahme des Klägers ist das den Gebührentatbestand auslösende Verwaltungshandeln für den Ausländer auch nicht unvermeidbar. Die Entscheidung über die Befristung der Wirkungen einer Abschiebung ergeht nur dann, wenn der Ausländer abgeschoben worden ist, mithin seine Ausreisepflicht nicht freiwillig erfüllt hat, sondern diese im Wege des Verwaltungsvollzugs durchgesetzt werden musste.
Ist die Verwirklichung des Gebührentatbestandes des § 47 Abs. 1 Nr. 1 AufenthV daher nicht davon abhängig, dass der Ausländer einen Antrag auf Befristung der Wirkungen seiner Abschiebung gestellt hat, kommt es hier entscheidungserheblich nicht darauf an, ob der Kläger oder ein Vertreter wirksam einen solchen Antrag bei dem Beklagten gestellt hat. Der Senat weist daher nur zur Klarstellung darauf hin, dass sich in den Verwaltungsvorgängen des Beklagten zwar ein Antrag vom 13. Januar 2004 nicht befindet, aber den Schreiben der Frau ... vom 9. November 2009 und des Herrn ... vom 27. Oktober 2012, die beide eine vom Kläger schriftlich erteilte Vollmacht vorgelegt haben, ohne Weiteres das Begehren auf Befristung der Wirkungen der Abschiebung des Klägers und damit ein Antrag auf behördliche Entscheidung zu entnehmen ist (vgl. zu den herabgesetzten Anforderungen an einen Antrag im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG: BVerwG, Urt. v. 13.12.2012, a.a.O.). [...]