VG Ansbach

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Zitieren als:
VG Ansbach, Urteil vom 12.09.2013 - AN 5 K 13.00952 - asyl.net: M21672
https://www.asyl.net/rsdb/M21672
Leitsatz:

Duldungszeiten vor dem 1. Januar 2005 sind nur bei deren nahtlosem Übergang in den Besitz einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen im Hinblick auf die Erteilung einer Niederlassung anzurechnen.

Schlagwörter: Aufenthaltserlaubnis, Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen, Duldung, Anrechnung, Aufenthaltsbefugnis, Niederlassungserlaubnis, Unterbrechung,
Normen: AufenthG § 26 Abs 4 S. 1, AufenthG § 26 Abs. 4 S. 3, AufenthG § 102 Abs. 2, AufenthG § 35, AufenthG § 25 Abs. 5, AufenthG § 85,
Auszüge:

[...]

Die Klage, über die gemäß § 101 Abs. 2 VwGO mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden konnte, ist zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom ... 2013 ist nicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten, den Antrag der Klägerin auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu verbescheiden (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).

Ein solcher Anspruch ergibt sich weder aus § 26 Abs. 4 Sätze 1 und 3 AufenthG in Verbindung mit § 102 Abs. 2 AufenthG noch aus § 26 Abs. 4 Satz 4 AufenthG in Verbindung mit § 35 AufenthG.

Nach § 26 Abs. 4 Satz 1 AufenthG kann einem Ausländer, der seit sieben Jahren eine Aufenthaltserlaubnis nach dem Fünften Abschnitt des Gesetzes, also aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen besitzt, eine Niederlassungserlaubnis erteilt werden, wenn die in § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 - 9 bezeichneten Voraussetzungen vorliegen. Auf diese Frist wird nach § 26 Abs. 4 Satz 3 AufenthG abweichend von § 55 Abs. 3 AsylVfG die Aufenthaltszeit des der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vorangegangenen Asylverfahrens angerechnet.

Die Klägerin wurde erstmals am 23. Juli 2010 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG erteilt, die sie damit bis zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts 3 Jahren 1 Monat und 21 Tage innehat. Zusätzlich ist die Dauer des von der Klägerin betriebenen Asylfolgeverfahrens vom Tag der Antragstellung am 26. Januar 2004 bis zum Eintritt der Rechtskraft der (für die Klägerin negativen) Entscheidung des Bundesamtes (Bescheid vom 15.7.2004) am 31. Juli 2004 anzurechnen, die 6 Monate und 6 Tage betrug. Ein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Abschluss des Asylverfahrens und der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis ist dafür nicht Voraussetzung (BVerwG, U.v. 13.9.2011 – 1 C 17/10 – BVerwGE 140, 332). Insgesamt ergibt sich damit ein anrechenbarer Zeitraum von 3 Jahren 7 Monaten und 27 Tagen.

Die Anrechnung von weiteren Aufenthaltszeiten gemäß § 102 Abs. 2 AufenthG, d.h. der Zeit des Besitzes einer Aufenthaltsbefugnis oder einer Duldung vor dem 1. Januar 2005, kommt vorliegend nicht in Betracht, weil nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 13.9.2011, a.a.O.; U.v. 10.11.2009 – 1 C 24/08 – BVerwGE 135, 225) hier die anrechenbaren Zeiten nahtlos in den Besitz einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen übergehen müssen und Unterbrechungen nur über § 85 AufenthG geheilt werden können. Eine Aufenthaltsbefugnis hatte die Klägerin vor 2005 aber zu keinem Zeitpunkt inne und die ihr vor 2005 erteilten Duldungen gingen nicht nahtlos in die der Klägerin am 23. Juli 2010 erteilte Aufenthaltserlaubnis über. Die Vorschrift des § 85 AufenthG, wonach bei der Berechnung von Aufenthaltszeiten Unterbrechungen der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts bis zu einem Jahr außer Betracht bleiben können, führt vorliegend zu keinem anderen Ergebnis.

Dem von Seiten der Klägerin in Bezug genommenen Urteil des VG Düsseldorf vom 18. August 2006 (24 K 4097/05 – juris) liegt insoweit ein nicht vergleichbarer Sachverhalt zugrunde, als die den dortigen Klägern ab 1993 erteilten Duldungen nahtlos in die ihnen ab 2001 erteilten Aufenthaltsbefugnisse übergingen.

Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch ergibt sich auch nicht aus § 26 Abs. 4 Satz 4 AufenthG in Verbindung mit § 35 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 2 Nr. 1 AufenthG, was lediglich den 5-jährigen Besitz einer Aufenthaltserlaubnis voraussetzen würde. Zwar fällt die Klägerin, weil sie in der Bundesrepublik Deutschland geboren ist, grundsätzlich in den Anwendungsbereich der vorstehend genannten Regelungen, jedoch ergibt sich für die volljährige Klägerin nach der oben dargestellten und auch hier maßgeblichen Berechnung nur eine anrechnungsfähige Aufenthaltszeit von 3 Jahren 7 Monaten und 27 Tagen, weshalb sie die erforderliche Aufenthaltszeit von fünf Jahren erst im Januar 2015 erreichen kann. Zwar enthält der angefochtene Bescheid der Beklagten, der insoweit auf eine Erfüllung der zeitlichen Voraussetzungen erst im April 2015 hinweist, einen kleinen Rechenfehler, der die Ablehnung der Erteilung einer Niederlassungserlaubnis an die Klägerin aber nicht rechtswidrig macht.

Weil die Klägerin somit weder die zeitlichen Voraussetzungen des § 26 Abs. 4 Sätze 1 und 3 AufenthG in Verbindung mit § 102 Abs. 2 AufenthG (Besitz einer Aufenthaltserlaubnis seit sieben Jahren) noch die aus § 26 Abs. 4 Satz 4 AufenthG in Verbindung mit § 35 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 2 Nr. 1 AufenthG (Besitz einer Aufenthaltserlaubnis seit fünf Jahren) erfüllt, war es der Beklagten verwehrt, der Klägerin im Rahmen einer Ermessensentscheidung die begehrte Niederlassungserlaubnis zu erteilen. [...]