VG Augsburg

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Zitieren als:
VG Augsburg, Beschluss vom 28.10.2013 - Au 6 E 13.1640 - asyl.net: M21626
https://www.asyl.net/rsdb/M21626
Leitsatz:

Aufgrund der in Ungarn im November 2012 verabschiedeten Gesetzesänderungen ist nicht mehr davon auszugehen, dass die Rechte von Asylbewerbern dort in einem Maße verletzt werden, das eine Rückkehr als unzumutbar erschienen ließe.

Schlagwörter: Ungarn, Dublinverfahren, Dublin II-VO, Aufnahmebedingungen, Inhaftierung, Kettenabschiebung,
Normen: AufenthG § 60a Abs. 2, AsylVfG § 34a Abs. 1,
Auszüge:

[...]

b) Ungarn unterliegt als Mitgliedsstaat der EU dessen Recht und ist den Grundsätzen einer gemeinsamen Asylpolitik sowie den Mindeststandards eines gemeinsamen Asylsystems verpflichtet und somit ein sicherer Drittstaat im Sinne von Art. 16 a Abs. 2 Satz 1 GG. Es ist demnach im Grundsatz davon auszugehen, dass in Ungarn die Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention (GK) und der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) sichergestellt ist. Das ungarische Asylrecht steht im Allgemeinen im Einklang mit den internationalen und europäischen Standards und enthält die wichtigsten Garantien. Für die im Eilverfahren nur mögliche summarische Prüfung ist dabei davon auszugehen, dass trotz möglicher Mängel in der Durchführung des Asylverfahrens durch die ungarischen Behörden diese Verpflichtungen jedenfalls soweit eingehalten werden, dass eine Rückführung nach Ungarn als zuständigen Staat zumutbar ist. Zwar ergibt sich aus den dem Gericht vorliegenden Quellen (Bericht des ungarischen Helsinki-Komitees vom April 2011) durchaus, dass Aufnahme- und Lebensbedingungen sowie die Unterbringungsbedingungen beanstandenswert und teilweise unzureichend sind. Ebenso wurden in der Vergangenheit regelmäßige Inhaftierungen von Asylbewerbern geschildert. Auch in der Anwendungspraxis zeigten sich einige Mängel (UNHCR, Ungarn als Asylland, Bericht zur Situation für Asylsuchende und Flüchtlinge in Ungarn, April 2012 – im Folgenden: UNHCR-Bericht – S. 6). Unregelmäßigkeiten tauchten vermehrt bei Flüchtlingen auf, die im Rahmen der Dublin-II-Verordnung nach Ungarn rücküberstellt wurden. Der UNHCR bewertete den Zugang zum ungarischen Asylverfahren für Dublin-II-Rückkehrer als problematisch (UNHCR-Bericht S. 9). Diese hätten nur eingeschränkt Zugang zu einem Asylverfahren, weil sie nicht automatisch als Antragsteller behandelt würden. Ihr Asylantrag würde nach der Rücküberstellung als Folgeantrag gewertet (UNHCR-Bericht S. 9; Amnesty International, Positionspapier zu Rücküberstellungen nach Ungarn, 22. Oktober 2012, S. 1). In den meisten Fällen folge bei einer Rückkehr nach Ungarn die Verhängung von Verwaltungshaft (UNHCR-Bericht, S. 10). Die Asylsuchenden hätten im Verfahren zur Prüfung von Folgeanträgen keinen Anspruch auf dieselben Leistungen wie Personen, die einen Erstantrag gestellt haben, selbst wenn ihre Anträge inhaltlich noch nicht geprüft worden seien (UNHCR-Bericht, S. 14).

Nach einem aktuelleren Bericht vom Dezember 2012 führt der UNHCR aber aus, dass das ungarische Parlament im November 2012 umfassende Gesetzesänderungen verabschiedet habe, denen zufolge Asylbewerber nicht ohne sachliche Prüfung des Asylantrags nach Serbien oder die Ukraine zurückgeschoben und nicht inhaftiert werden, wenn sie den Asylantrag unverzüglich nach der Einreise einreichen. Dublin-Rückkehrer werden nicht inhaftiert und erhalten die Möglichkeit, ein noch nicht in der Sache geprüftes Asylverfahren zu Ende zu bringen. Diese Erkenntnisse decken sich mit den Angaben des Liaisonmitarbeiters des Bundesamts beim Ungarischen Amt für Staatsbürgerschaft und Einwanderung, die das Bundesamt in einem anderen, bei der Kammer anhängigen Verfahren vorgelegt hat (Az. Au 6 S 13.30045). Dies wird auch bestätigt durch eine Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 23. Mai 2013 an das erkennende Gericht (zur Lage in Ungarn vergleiche auch VGH Mannheim, B.v. 6.8.2013 – 12 S 675/13 – juris Rn. 6 ff.). [...]