VG Oldenburg

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Zitieren als:
VG Oldenburg, Beschluss vom 14.11.2013 - 3 B 6286/13 - asyl.net: M21567
https://www.asyl.net/rsdb/M21567
Leitsatz:

Bescheide in Verfahren, in denen der Asylantrag nach §§ 26a, 27a AsylVfG abgelehnt worden ist, sind auch nach

der Änderung des § 34a AsylVfG gemäß der eindeutigen gesetzlichen Regelung des § 31 Abs. 1 Satz 4 AsylVfG weiterhin dem Ausländer selbst zuzustellen. Die Übersendung des Bescheids ausschließlich an den Prozessbevollmächtigten bewirkt keine ordnungsgemäße Zustellung und Bekanntgabe. Dieser Zustellungsmangel kann jedoch - wie im vorliegenden Einzelfall geschehen - gemäß § 8 VwZG geheilt werden.

Zuständigkeit von Polen in einem Verfahren nach der Dublin-II-Verordnung.

(Amtliche Leitsätze)

Schlagwörter: Asylantrag, Übersendung, Bescheidübersendung, Bescheid, Zustellung, ordnungsgemäße Zustellung, Prozessbevollmächtigte, Rechtsanwalt, Dublin II-VO, Dublinverfahren, Polen, Ablehnungsbescheid,
Normen: AsylVfG § 26a, AsylVfG § 27a, AsylVfG § 31 Abs. 1 S. 4, VwZG § 8, AsylVfG § 34a,
Auszüge:

[...]

Denn es ist davon auszugehen, dass der angefochtene Bescheid als den Antragstellern am 9. Oktober 2013 bekannt gegeben und auch zugestellt gilt. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin ist mit der Übersendung des Bescheids vom 2. Oktober 2013 an die Prozessbevollmächtigte mit Schreiben des Bundesamtes vom 7. Oktober 2013 noch keine wirksame Zustellung erfolgt. Wird ein Asylantrag nur nach § 26 a oder § 27 a AsylVfG abgelehnt, ist die Entscheidung zusammen mit der Abschiebungsanordnung nach § 34 a AsylVfG dem Ausländer selbst zuzustellen. Sie kann ihm auch von der für die Abschiebung oder für die Durchführung der Abschiebung zuständigen Behörde zugestellt werden (§ 31 Abs. 1 Sätze 4 und 5 AsylVfG). Im Übrigen richtet sich die Zustellung nach den Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes (VwZG), soweit sich aus § 10 AsylVfG nichts anderes ergibt. Die wirksame Zustellung des Bescheides ist Voraussetzung für den Eintritt der Wirksamkeit des Bescheides gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG). Gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 VwVfG wird ein Verwaltungsakt gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird, und nach § 41 Abs. 1 Satz 1 VwVfG ist ein Verwaltungsakt demjenigen Beteiligten bekannt zu geben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, wobei Vorschriften über die Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes mittels Zustellung gemäß § 41 Abs. 5 VwVfG unberührt bleiben.

Nach Maßgabe dessen ist der Bescheid den Antragstellern nicht durch den Zugang bei der Prozessbevollmächtigten (nach deren Mitteilung hat sie den Bescheid am 9. Oktober 2013 erhalten) wirksam zugestellt und bekannt gegeben worden, weil die Prozessbevollmächtigte der Antragsteller wegen der Vorschrift des § 31 Abs. 1 Satz 4 AsylVfG insoweit nicht Empfangsberechtigte i.S.v. § 8 VwZG ist. Dementsprechend soll, wenn der Ausländer durch einen Bevollmächtigten vertreten wird oder er einen Empfangsberechtigten benannt hat, diesem gemäß § 31 Abs. 1 Satz 6 AsylVfG lediglich ein Abdruck der Entscheidung zugeleitet werden.

Die Mängel der förmlichen Zustellung sind hier aber gemäß § 8 VwZG geheilt worden. Nach dieser Vorschrift gilt ein Schriftstück, dessen formgerechte Zustellung sich nicht nachweisen lässt oder das unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen ist, als in dem Zeitpunkt zugestellt, in dem es der Empfangsberechtigte nachweislich erhalten hat. "Empfangsberechtigter" ist derjenige, an den die Zustellung des Bescheids nach dem Gesetz zu richten war (BFH, Urteil vom 25. Januar 1994 - VIII R 45/92 - juris). Dies sind nach § 31 Abs. 1 Satz 4 AsylVfG die Antragsteller. Der Empfangsberechtigte hat das Schriftstück im Sinne von § 8 VwZG erhalten, "wenn es ihm vorgelegen hat und er die Möglichkeit hatte, von seinem Inhalt Kenntnis zu nehmen; dass er es auch in Besitz genommen hat, ist nicht zu fordern" (BVerwG, Urteil vom 18. April 1997 - 8 C 43.95 - juris). Zudem setzt die Heilung von Zustellungsmängeln voraus, dass die Behörde den Willen hatte, eine Zustellung vorzunehmen und den Bescheid bekannt zu geben (vgl. BVerwG, Beschluss vom 31. Mai 2006 - 6 B 65.05 - juris, Rn. 7). Voraussetzung dafür ist, dass der maßgebliche Bescheid mit Wissen und Wollen der Behörde in der Absicht, Rechtsfolgen auszulösen, aus dem internen Bereich herausgegeben worden ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. April 1997 - 8 C 43.95 - juris, Rn. 29).

Hier liegen hinreichende Anhaltspunkte dafür vor, dass das Bundesamt und damit die Antragsgegnerin einen Bekanntgabe- und Zustellungswillen gegenüber den Antragstellern hatte, als es den Bescheid der Prozessbevollmächtigten per Einschreiben übermittelt hat, da in dem Anschreiben die Namen der Antragsteller in der Betreffzeile ausdrücklich genannt worden sind und zugleich der Hinweis erfolgt ist, dass die zuständige Ausländerbehörde einen Abdruck der Entscheidung erhält. Da das Bundesamt nicht zugleich darauf hingewiesen hat, dass die Antragsteller persönlich ebenfalls den Bescheid zugestellt bekommen, ist von einer Absicht, den Bescheid jedenfalls der Prozessbevollmächtigten als - aus Sicht des Bundesamts Empfangsberechtigter - für die Antragsteller zuzustellen, auszugehen. Das Bundesamt und damit die Antragsgegnerin hatte zugleich einen Bekanntgabewillen, weil der Bescheid vom 2. Oktober 2013 am selben Tag mit Wissen und Wollen sowie in der Absicht, Rechtsfolgen auszulösen (hierauf weist beispielsweise die zeitgleich erfolgte Übermittlung des Bescheides an die Ausländerbehörde hin), aus dem internen Bereich herausgegeben worden ist. Selbst wenn davon ausgegangen werden müsste, dass die Antragsgegnerin systematisch und bewusst die Zustellungsvorschrift missachtet (wofür Überwiegendes spricht, weil die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 31. Oktober 2013 mitgeteilt hat, dass Bescheide immer an einen im Verfahren bevollmächtigten Rechtsanwalt zugestellt würden), würde ein Bekanntgabe- und Zustellungswille nicht in Frage gestellt, sofern - wie hier - davon auszugehen ist, dass ein Wille zur Auslösung von Rechtsfolgen gegeben ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 31. Mai 2006 - 6 B 65.05 - juris, Rn. 8).

Hier haben die Antragsteller den Bescheid vom 2. Oktober 2013 nach Auskunft ihrer Prozessbevollmächtigten am 9. Oktober 2013 persönlich von dieser ausgehändigt bekommen. Dieses Verfahren genügt nach den dargelegten Heilungsvoraussetzungen, um eine wirksame Bekanntgabe der Bescheide gegenüber den Antragstellern als Empfängern des Verwaltungsaktes annehmen zu können. Die Antragsteller, vertreten durch ihre Prozessbevollmächtigten, haben am 10. Oktober 2013 Klage erhoben und einen Eilantrag gestellt und damit zu einem Zeitpunkt um gerichtlichen Rechtsschutz nachgesucht, in welchem der angefochtene Bescheid bereits durch die Heilung der Zustellung wirksam erlassen worden war. [...]