OVG Niedersachsen

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Zitieren als:
OVG Niedersachsen, Urteil vom 13.11.2013 - 13 LB 99/12 - asyl.net: M21524
https://www.asyl.net/rsdb/M21524
Leitsatz:

1. Absolviert ein Einbürgerungsbewerber eine Fortbildung, anstatt eine (wenigstens sozialleistungsmindernde) Erwerbstätigkeit auszuüben, hat er den währenddessen fortbestehenden Bezug von Leistungen nach dem SGB II i.S.d. § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG grundsätzlich aufgrund gegenwärtigen Verhaltens zu vertreten. Ausreichen kann das Bemühen um Fortbildung anstelle einer Erwerbstätigkeit nur dann, wenn ein Vermittlungshemmnis auf dem Arbeitsmarkt besteht (hier: verneint) und dieses nicht aufgrund zurechenbaren vergangenen Verhaltens (hier: jahrelange Passivität) vom Einbürgerungsbewerber zu vertreten ist.

2. Die Stellung als jüdischer Zuwanderer aus einem Nachfolgestaat der ehemaligen Sowjetunion bildet allein keinen Grund für die Hinnahme von Mehrstaatigkeit nach § 12 StAG.

(Amtliche Leitsätze)

Schlagwörter: Einbürgerung, SGB II, Fortbildung, Vermittlungshemmnis, Sicherung des Lebensunterhalts, Arbeitslosigkeit, Hinnahme von Mehrstaatigkeit, Mehrstaatigkeit, Kontingentflüchtlinge, Sowjetunion, jüdische Zuwanderer, Vertretenmüssen, Qualifizierungsmaßnahme, Sozialleistungen,
Normen: StAG § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, StAG § 12,
Auszüge:

[...]

I. Eine verständige Würdigung des Klagebegehrens (§§ 88, 125 Abs. 1 VwGO) ergibt, dass sich die Klage nicht nur auf eine Verpflichtung der Beklagten zur Einbürgerung richtet, sondern dass damit - auch ohne entsprechende Anfügung eines (ohnehin "unechten") Hilfsantrages - zumindest die als ein "minus" (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, § 42 Rdnr. 8) hierzu zu begreifende Verpflichtung zur Neubescheidung des Einbürgerungsantrages begehrt wird. Auszugehen ist auch davon, dass die Klägerin ihre dahin gehenden vermeintlichen einbürgerungsrechtlichen Ansprüche auf sämtliche denkbaren Anspruchsgrundlagen stützt. Wird eine Beschränkung (etwa auf die Anspruchseinbürgerung) im Einbürgerungsverfahren durch den Einbürgerungsbewerber nicht gegenüber der Behörde klar und unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, sind alle in Frage kommenden Anspruchsgrundlagen zu prüfen (vgl. BVerwG, Urt. v. 20. März 2012 - 5 C 1.11 -, BVerwGE 142, 132, 134, juris Rdnr. 13). So liegt es hier. Dem Einbürgerungsantrag der Klägerin vom 12. November 2009 (Bl. 36 f. des zweiten Teilvorgangs der Beiakte A) sind keine Einschränkungen zu entnehmen; unschädlich ist es, dass im Fragebogen zu diesem Antrag vorrangig Fragen zu den materiellen Voraussetzungen einer Anspruchseinbürgerung gestellt werden. Dass die Beklagte im Folgenden diesen Antrag (einseitig) als Anspruchseinbürgerungsantrag (vgl. Bl. 40 des zweiten Teilvorgangs der Beiakte A: "Inhaltsverzeichnis zum Einbürgerungsantrag gem. § 10 StAG") behandelt hat, ist ebenfalls unerheblich. Im Übrigen ist sie diesem ursprünglichen Ansatz auch nicht konsequent gefolgt, weil ihr Bescheid vom 9. November 2010 - nach der Verneinung der Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Satz 1 StAG - sonstige Anspruchsgrundlagen für eine Einbürgerung als ebenfalls nicht in Betracht kommend bezeichnet und mithin auch etwaige Ansprüche nach diesen Grundlagen abgelehnt hat. Die Klägerin geht gegen alle Ablehnungsvarianten dieses Bescheides vor.

II. Auf eine wirksame Zusicherung (§ 38 Abs. 1 Satz 1 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 NVwVfG) der Einbürgerung aus dem Jahre 2008 kann sich die Klägerin nicht berufen. Denn diese setzt Schriftform voraus. Die Klägerin hat jedoch lediglich vorgetragen, ein Mitarbeiter der Einbürgerungsstelle habe ihr anlässlich einer Vorsprache (mündlich) die Einbürgerung in Aussicht gestellt. Mangels Erheblichkeit muss der Senat diesem Vorbringen daher nicht nachgehen.

III. Gesetzlich maßgeblich für die Verneinung aller von der Klägerin verfolgter Ansprüche im vorliegenden Fall sind die §§ 8 ff. des Staatsangehörigkeitsgesetzes - StAG - in der Fassung des Gesetzes vom 1. Juni 2012 (BGBl. I, S. 1224). Etwaige günstigere Normen des Staatsangehörigkeitsgesetzes in der bis zum 28. August 2007 geltenden Fassung des Artikels 5 des Zuwanderungsgesetzes vom 30. Juli 2004 (BGBl. I, S. 1950) kommen hingegen nach der Übergangsvorschrift des § 40c StAG nicht - auch nicht teilweise - zur Anwendung, weil die Klägerin den hier streitgegenständlichen (zweiten) Einbürgerungsantrag erst am 12. November 2009 und damit nicht bis zum 30. März 2007 gestellt hat. Gegen die abgrenzende Wirkung dieser Übergangsvorschrift bestehen keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken; insbesondere verstößt sie nicht gegen das Rückwirkungsverbot (Urt. d. Senats v. 13. Februar 2013 - 13 LC 33/11 -, AuAS 2013, 63, 64).

IV. Aufgrund der §§ 10 Abs. 1 Satz 1, 11 StAG steht der Klägerin kein Anspruch auf Einbürgerung zu.

1. Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 StAG ist ein handlungsfähiger oder gesetzlich vertretener Ausländer einzubürgern, wenn er seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat (vgl. hierzu Ausnahmen in Abs. 3 und § 12b StAG); sich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennt und eine Loyalitätserklärung abgibt (Nr. 1); eine vom Zweck her nichtschädliche Aufenthalts- oder eine Niederlassungserlaubnis besitzt (Nr. 2); den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem SGB II oder XII bestreiten kann oder die Inanspruchnahme nicht zu vertreten hat (Nr. 3); seine bisherige Staatsangehörigkeit aufgibt oder verliert (Nr. 4) oder einen Grund für die Hinnahme von Mehrstaatigkeit nach § 12 StAG erfüllt; nicht wegen einer (nach § 12a StAG und dem BZRG zu berücksichtigenden) Straftat sanktioniert worden ist (Nr. 5); ausreichende (dem Sprachniveau B1 GER entsprechende) Kenntnisse der deutschen Sprache besitzt (Nr. 6 i.V.m. Abs. 4) oder eine Ausnahme nach Abs. 6 erfüllt; über Kenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse in Deutschland (Nr. 7 i.V.m. Abs. 5 und der Einbürgerungstestverordnung) verfügt oder eine Ausnahme nach Abs. 6 erfüllt und schließlich keine sicherheitsrelevanten Ausschlussgründe des § 11 StAG verwirklicht.

2. Ein Einbürgerungsanspruch scheidet im vorliegenden Fall aus, weil es - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts - an der Voraussetzung der Unterhaltsfähigkeit (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG) fehlt.

a) Die Klägerin ist nicht in der Lage, ihren Lebensunterhalt und denjenigen ihres unterhaltsberechtigten viereinhalbjährigen Kindes I. J. (für das auch Kindergeld und Kindesunterhalt gezahlt werden) eigenständig ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem SGB II - Grundsicherung für Arbeitsuchende - zu sichern (1. HS. der Vorschrift).

Die Lebensunterhaltssicherung wäre nur gegeben, wenn ihr aktuell und in einem absehbaren Zeitraum der Zukunft Mittel in einer Höhe zur Verfügung stünden, um den Mindestbedarf an Lebensunterhalt nach dem Maßstab des SGB II zu decken. Das ist bei ihr nicht der Fall. Sie selbst bezieht fortlaufend seit geraumer Zeit (für sich selbst länger als acht Jahre; für ihr Kind länger als vier Jahre) derartige existenzsichernde Sozialleistungen.

Die Klägerin hat im Laufe des Berufungsverfahrens (vom 5. März bis zum 1. November 2013) eine selbstgewählte Fortbildung zur Reiseverkehrs-Kauffrau (mit Praktikum am Flughafen Hannover) absolviert, die bis Januar 2014 verlängert worden ist, damit die Klägerin im Mai 2014 an der zugehörigen Abschlussprüfung vor der IHK teilnehmen kann. Diese Umstände mögen ihre Erwerbschancen abstrakt verbessert haben und ggf. weiter verbessern, ändern jedoch an der aktuellen Bedarfsunterdeckung der Klägerin und ihres unterhaltsberechtigten Kindes nichts. Auf die nur im Falle aktueller Bedarfsdeckung überhaupt relevant werdende zusätzliche Prognose, ob sie ihren Lebensunterhaltsbedarf auch in absehbarer Zukunft eigenständig decken können wird, ohne zumindest auf ergänzende Leistungen nach dem SGB II angewiesen zu sein, oder ob eine gegenwärtige Lebensunterhaltssicherung voraussichtlich unbeständig sein wird (vgl. BVerwG, Urt. v. 22. Juni 1999 - 1 C 16.98 -, BVerwGE 109, 142, 144, juris Rdnr. 12; zu der insoweit parallelen Anforderung aus § 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG), kommt es daher im vorliegenden Fall nicht an. Im Übrigen rechtfertigt die bisherige Absolvierung der Fortbildung eine positive Prognose auch (noch) nicht. Die zugehörige IHK-Prüfung hat die Klägerin bisher nicht abgelegt; ein konkretes Angebot zu einem länger befristeten oder gar unbefristeten Arbeitsverhältnis aufgrund der durchlaufenen Fortbildung ist weder gegenüber der Beklagten noch gegenüber dem Gericht vorgetragen worden und auch sonst nicht ersichtlich.

b) Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts hat die Klägerin die Inanspruchnahme von Leistungen nach dem SGB II auch zu vertreten (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 2. HS. StAG).

Der Begriff des "Vertretenmüssens" bzw. des "zu vertretenden Grundes" in diesem Sinne ist - wie auch sonst im öffentlichen Recht - wertneutral auszulegen und setzt kein pflichtwidriges, schuldhaftes Verhalten voraus. Er beschränkt sich mithin nicht auf vorsätzliches oder fahrlässiges Handeln i.S.d. § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB. Erforderlich, aber auch ausreichend ist vielmehr, dass der Ausländer durch ein ihm zurechenbares Handeln oder Unterlassen adäquat-kausal die Ursache für den - fortdauernden - Leistungsbezug gesetzt hat (vgl. BVerwG, Urt. v. 19. Februar 2009 - 5 C 22.08 -, BVerwGE 133, 153, 160 f., juris Rdnr. 23; Beschl. d. Senats vom 2. Mai 2012 - 13 LA 198/11 -, S. 2 des Beschlussabdrucks; Berlit, in: GK-StAR, Stand: 13. EL Oktober 2007, § 10 StAG Rdnr. 242; Hailbronner, in: ders./Renner/Maaßen, Staatsangehörigkeitsrecht, 5. Aufl. 2010, § 10 StAG Rdnr. 39, jew. m.w.N.). Der von dem Begriff vorausgesetzte objektive Zurechnungszusammenhang zwischen zu verantwortendem Verhalten und Leistungsbezug ist aber in zweifacher Hinsicht begrenzt. Zum einen erfordert dieser Zusammenhang in quantitativer Hinsicht stets, dass das Verhalten des Verantwortlichen für die Verursachung oder Herbeiführung der Inanspruchnahme einbürgerungsschädlicher Sozialleistungen zumindest nicht nachrangig, sondern hierfür, wenn schon nicht allein ausschlaggebend, so doch maßgeblich bzw. (wesentlich) prägend ist (BVerwG, a.a.O.). Zum anderen kommt diesem Begriff ein qualitativ-zeitliches Moment zu. Ausgehend von dem Anliegen des Gesetzgebers, Personen mit achtjährigem rechtmäßigem Inlandsaufenthalt grundsätzlich einen Anspruch auf Zugang zur deutschen Staatsangehörigkeit einzuräumen, hat der Einbürgerungsbewerber für ein ihm zurechenbares und für einen aktuellen schädlichen Sozialleistungsbezug mitursächliches Verhalten der Vergangenheit (dessen Wirkungen unabänderlich geworden sind) nach Ablauf einer Frist von acht Jahren nicht mehr einzustehen (BVerwG, a.a.O. S. 163 f., juris Rdnr. 28 m.w.N.).

Als wesentlich prägend ist es bei einem arbeitslosen Ausländer anzusehen, wenn er sich nicht oder nicht hinreichend um die Aufnahme einer Beschäftigung bemüht oder wenn er durch ihm zurechenbares Verhalten zu erkennen gibt, dass er nicht bereit ist, eine ihm zumutbare Beschäftigung unter den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes - ggf. auch abweichend von seiner bisherigen Qualifikation und auch zu ungünstigeren Lohn- oder Arbeitsbedingungen - anzunehmen. Nicht zu vertreten mangels hinreichender tatsächlicher Prägung seines Verhaltens hat der Einbürgerungsbewerber einen Leistungsbezug wegen Verlusts des Arbeitsplatzes aufgrund gesundheitlicher, betriebsbedingter oder konjunktureller - nicht: verhaltensbezogener - Ursachen oder wenn er trotz hinreichend intensiver Stellensuche aus konjunkturellen Gründen oder wegen objektiv vermittlungshemmender Umstände - deren Eintritt er selbst nicht zurechenbar verursacht hat - keine Beschäftigung findet. Personen, die nach Alter, Gesundheitszustand oder sozialer Situation sozialrechtlich (§§ 10 SGB II, 11 SGB XII) nicht erwerbsverpflichtet sind, haben den Leistungsbezug normativ regelmäßig nicht zu vertreten. Die Darlegungs- und Beweislast für das Nichtvertretenmüssen trägt angesichts der gesetzlichen Konstruktion von Regel und Ausnahme - und weil es sich typischerweise um Umstände handelt, die seiner persönlichen Sphäre entstammen - der Einbürgerungsbewerber (vgl. Berlit, in: GK-StAR, a.a.O., § 10 StAG Rdnrn. 244 ff., 254).

Gemessen an diesen Maßstäben hat die Klägerin den Bezug von Leistungen nach dem SGB II zu vertreten.

aa) Dies gilt zunächst, soweit es ursächliches gegenwärtiges Verhalten der Klägerin betrifft.

(1) Ein derzeitiger normativer Ausschluss des Vertretenmüssens wegen des Alters oder Gesundheitszustandes der Klägerin ist nicht ersichtlich. Gegenwärtig ist die Klägerin aber auch - anders als zum Zeitpunkt der Verhandlung und Entscheidung des Verwaltungsgerichts am 1. August 2011 - selbst unter Berücksichtigung ihrer Eigenschaft als alleinerziehende Mutter gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 3, 2. HS. SGB II nicht aus sozialen Gründen vollständig von ihrer Erwerbsobliegenheit befreit, weil die Tochter I. schon mehr als viereinhalb Jahre alt ist und seit Oktober 2012 in einem Kindergarten betreut wird, so dass die Kindererziehung nicht per se durch Erwerbstätigkeit gefährdet wird.

(2) Dass, wie die Klägerin geltend macht, diese Betreuung nur auf einem Teilplatz erfolgen könne, weil sie einen (die Zeit bis 16.00 Uhr an Werktagen abdeckenden) Ganztagesplatz trotz intensiver Bemühungen nicht erhalten habe, bedarf keiner weiteren Aufklärung. Soweit die Klägerin damit sinngemäß meinen sollte, sie könne infolge einer nur möglichen zeitweiligen Betreuung allenfalls eine Teilzeitstelle annehmen, mit der kein insgesamt bedarfsdeckendes Einkommen erzielt werden könnte, griffe dieses Vorbringen nicht durch. Denn nach der Rechtsprechung (vgl. BVerwG, Urt. v. 19. Februar 2009 - 5 C 22.08 -, BVerwGE 133, 153, 157, juris Rdnrn. 15 f.) ist nicht erforderlich, dass der Einbürgerungsbewerber bei größtmöglicher Erfüllung seiner Erwerbsverpflichtungen die Möglichkeit hat, den Bezug von Leistungen nach dem SGB II überhaupt (dem Grunde nach) zu vermeiden. Zu vertreten hat er vielmehr bereits eine betragsmäßige Erhöhung der von ihm bezogenen Sozialleistungen, die auf seine Nichteinhaltung der Erwerbsobliegenheit adäquat-kausal zurückgeht. So liegt es hier.

Die Klägerin könnte und müsste derzeit zumindest eine dem Betreuungsumfang ihrer Tochter entsprechende Teilzeittätigkeit annehmen, welche die Höhe der bezogenen Leistungen nach dem SGB II verringert. Dies geschieht nicht. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass sich die Klägerin um derartige Teilzeit - beschäftigungen auch nur bemüht geschweige denn sie ausgeübt hätte. Dass die ukrainische Staatsangehörigkeit oder ihre Eigenschaft als alleinerziehende Mutter sie konkret an der Erlangung einer Teilzeitstelle gehindert hätten, trägt die Klägerin nicht vor.

(3) Aktuell ist vielmehr die bewusste und freiwillige Entscheidung der Klägerin (vgl. Mitteilung des Jobcenters Region Hannover vom 18. September 2013, Beiakte B: "hat sich eigeninitiativ um Qualifikation gekümmert") für die Durch- und Weiterführung der seit dem 5. März 2013 andauernden und bis Januar 2014 verlängerten Fortbildung zur Reiseverkehrs-Kauffrau - mag sie auch als Verbesserung ihrer zukünftigen Erwerbschancen zu begrüßen sein - wesentlich prägende Ursache für die Nichterzielung eines die Sozialleistungen verringernden Einkommens aus Erwerbstätigkeit. Die täglich aktualisierte Entscheidung für Fortbildung und gegen Erwerbstätigkeit verursacht damit adäquat-kausal, dass die Klägerin weiterhin Leistungen nach dem SGB II in unveränderter Höhe bezieht, und zwar sowohl in der derzeitigen Situation als auch in absehbarer Zukunft (bis zur anvisierten IHK-Prüfung im Mai 2014, zumindest aber bis Januar 2014).

(4) Die Entscheidung für Fortbildung statt Erwerbstätigkeit führt auch nicht aus anderen Gründen dazu, dass die Klägerin den Leistungsbezug nicht zu vertreten hätte.

Zwar wird in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. VG Stuttgart, Urt. v. 14. September 2012 - 11 K 410/12 -, juris Rdnr. 21) teilweise vertreten, dass ein Einbürgerungsbewerber den Leistungsbezug (normativ) nicht zu vertreten habe, wenn er die Schule besucht, sich in Ausbildung befindet, ein Studium absolviert oder wenn er sich nach dem Schulabschluss nachhaltig um einen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz bemüht.

Der Sen hat kann jedoch offenlassen, ob diesem Ansatz ausnahmslos zu folgen ist, weil es sich hier lediglich um eine Fortbildungsmaßnahme und nicht um den Erwerb eines Schulabschlusses oder eines ersten berufsqualifizierenden Abschlusses handelt. Die Klägerin verfügt bereits seit Juni 2002 über eine abgeschlossene Berufsausbildung als Kauffrau für Bürokommunikation, an welche die Fortbildung erklärtermaßen anknüpft.

Die alleinige Absolvierung einer Qualifizierungsmaßnahme oder das Bemühen hierum können im Übrigen nur ausreichend sein, wenn der Einbürgerungsbewerber darlegt und nachweist, dass er langanhaltende, intensive und breitgefächerte Bemühungen um eine einkommenserzielende Erwerbstätigkeit gezeigt hat, diese jedoch erfolglos gewesen sind (vgl. hierzu VG Berlin, Urt. v. 14. September 2005 - 2 A 93/03 -, juris Rdnr. 18). Nur in diesen Fällen stellt sich nämlich die Qualifizierung nicht nur als nützlich, sondern als zwingend notwendig dar, weil dann feststeht, dass der Bewerber schon wegen seiner geringen beruflichen Qualifikation ein objektives Vermittlungshemmnis aufweist. Diese Voraussetzungen liegen hier jedoch nicht vor, da die Klägerin vor Beginn der Fortbildung keinerlei Bemühungen um die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit hat erkennen lassen. Es ist daher nicht nachgewiesen, dass sie nicht auch unter Einsatz ihrer bisher erworbenen Qualifikation als Kauffrau für Bürokommunikation hätte erwerbstätig sein können. Auszugehen ist daher davon, dass es sich vorliegend nur um eine nützliche Fortbildung handelt, mit welcher lediglich die zukünftigen Erwerbschancen der Klägerin eventuell verbessert werden können. Die Durch- und Weiterführung dieser Maßnahme begründet damit jedoch nicht per se ein Nichtvertretenmüssen des währenddessen weiterhin gegebenen Sozialleistungsbezugs.

bb) Selbst wenn man dies anders sieht und die Fortbildung zum jetzigen Zeitpunkt als notwendige Voraussetzung einer sozialleistungsmindernden Erwerbstätigkeit der Klägerin überhaupt einstuft, hat die Klägerin diesen gegenwärtig eingetretenen und vorerst andauernden Zustand durch ihr vergangenes Verhalten zurechenbar verursacht und den fortlaufenden Sozialleistungsbezug während der Fortbildung damit gleichwohl zu vertreten.

(1) Denn die wesentlich prägende Ursache für ihren - unterstellt - absoluten Fortbildungsbedarf und den daraus folgenden heute fortgesetzten Leistungsbezug liegt darin, dass die Klägerin in der Vergangenheit (bis zum Beginn der vorgeburtlichen Mutterschutzfrist Anfang 2009 und seit dem Ende der Betreuungsfrist im Oktober 2012) überhaupt keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen ist, deshalb weder Berufserfahrung gesammelt noch sich im Arbeitsalltag ("on the job") fortgebildet hat und auch weder um eine Erwerbstätigkeit noch um eine Qualifizierungsmaßnahme bemüht gewesen ist, obwohl sie schon seit langer Zeit (ab dem 2. Dezember 1993) unbeschränkt zur Erwerbstätigkeit berechtigt war und bereits seit Juni 2002 über eine abgeschlossene Berufsausbildung als Kauffrau für Bürokommunikation verfügte. Von den unzulänglichen Erwerbsbemühungen zwischen Juni 2002 und Anfang 2009 und seit Oktober 2012 sind ihr in Anwendung der eingangs dargelegten Grundsätze des BVerwG (Urt. v. 19. Februar 2009 - 5 C 22.08 -, BVerwGE 133, 153, 164, juris Rdnr. 28) alle Verstöße gegen die Erwerbsobliegenheit innerhalb eines Zeitraums von acht Jahren vor der Berufungsverhandlung - d.h. seit dem 13. November 2005 - entgegenzuhalten. Die dadurch bedingte zunehmende erhebliche Verschlechterung ihrer Berufschancen hat die Klägerin durch die nach Einschätzung des Senats deutlich gezeigte jahrelange Arbeits- und Bildungsunwilligkeit zu einem maßgeblichen und prägenden Anteil willentlich selbst verursacht. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, inwieweit die Arbeits- und Sozialverwaltung ihr in den genannten, erheblichen Zeiträumen Arbeits- und Bildungsangebote unterbreitet hat oder nicht. Denn die Klägerin durfte sich insoweit nicht auf Bewerbungen auf von dort vermittelte Stellen beschränken oder weitere Vermittlungsvorschläge abwarten; vielmehr oblag es ihr, stets auch eigeninitiativ tätig zu werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 17. Mai 1995 - 5 C 20.93 -, BVerwGE 98, 203, 206 f., juris Rdnr. 16 f., zum insoweit übertragbaren sozialhilferechtlichen Maßstab). Dies hat sie in der Vergangenheit zu keinem Zeitpunkt getan. Weil die Unwilligkeit der Klägerin nach Auffassung des Senats offenkundig ist, kann auch dahinstehen, inwieweit gegen sie überdies sozialrechtlich Sperrzeiten bzw. leistungsmindernde Sanktionen (§§ 31 ff. SGB II, §§ 144 SGB III a.F./ 159 SGB III n.F.) verhängt worden sind, denen Indizwirkung für eine Unwilligkeit zukommen könnte (vgl. Berlit, in: GK-StAR, a.a.O., § 10 StAG Rdnrn. 246 f.). Vor diesem Hintergrund bestand für den Senat keine Veranlassung, die die Klägerin betreffenden Sozialakten beizuziehen.

(2) Von einem Vertretenmüssen der Klägerin, soweit es die Zeit bis Anfang 2009 angeht, ist zutreffend auch das Verwaltungsgericht ausgegangen. Allerdings hat es in der Geburt der Tochter I. im … 2009 eine Unterbrechung des objektiven Zurechnungszusammenhangs gesehen. Dieser Einschätzung kann der Senat nicht beitreten. Die Folgen des Verhaltens der Klägerin in der Vergangenheit wirken bis heute nach und prägen ihre aktuelle Situation noch immer wesentlich.

Mutterschutz und Betreuungszeit (Anfang 2009 bis Oktober 2012) haben gemessen an dem bereits zuvor eingetretenen absoluten Fortbildungsbedarf der Klägerin keine wesentliche Änderung mehr zu erzeugen vermocht; insbesondere kommt ihnen keine "überholende Kausalität" gegenüber den von der Klägerin in der Vergangenheit durch ihr Verhalten gesetzten Ursachen zu. Die vom Verwaltungsgericht angenommene Motivationsänderung der Klägerin, die auf die neue "Vorbildfunktion als Mutter" zurückgehe, könnte die objektive Zurechnung eines auf jahrelangem Vorverhalten beruhenden absoluten Fortbildungsbedarfs nach Auffassung des Senats frühestens dann unterbrochen haben, wenn diese Änderung der inneren Einstellung auch zur Beseitigung des entstandenen objektiven Vermittlungshemmnisses geführt hätte, d.h. bereits mit Erfolg betätigt worden wäre. Dieser Prozess ist jedoch hier noch nicht beendet, weil die Fortbildung fortgesetzt worden ist und erst im Mai 2014 die zugehörige IHK-Prüfung abgelegt werden soll. Feststellungen dazu, ob eine Motivationsänderung zurechnungsunterbrechende objektive Momente gezeitigt hat, können mithin erst nach diesem Zeitpunkt getroffen werden. Vor diesem Hintergrund muss der Senat der Frage, ob die erwähnte Änderung der inneren Haltung bei der Klägerin auf eigenen Antrieb oder aber nur unter dem Druck des Berufungsverfahrens erfolgt ist, nicht nachgehen.

3. Daneben scheitert ein Einbürgerungsanspruch der Klägerin nach §§ 10, 11 StAG auch daran, dass sie die Einbürgerungsvoraussetzung aus § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG nicht erfüllt und auch keinen Grund für eine Hinnahme von Mehrstaatigkeit (hier: Beibehaltung der ukrainischen Staatsbürgerschaft) nach § 12 StAG verwirklicht.

a) Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG muss der Einbürgerungsbewerber seine bisherige Staatsangehörigkeit spätestens zeitgleich mit der Einbürgerung in den deutschen Staatsverband aufgeben oder verlieren. Dies ist bzw. wird nicht geschehen.

Verlust ist das Erlöschen der bisherigen Staatsangehörigkeit kraft Gesetzes, während eine Aufgabe in denjenigen Fällen vorliegt, in denen das Erlöschen an eine einseitige Willenserklärung des Einbürgerungsbewerbers oder an einen Hoheitsakt des Herkunftsstaates (wie Entlassung, Genehmigung des Verzichts auf die Staatsangehörigkeit oder Erlaubnis zum Staatsangehörigkeitswechsel) geknüpft ist (vgl. Berlit, in: GK-StAR, a.aO., § 10 StAG Rdnrn. 270, 274). Ob der Einbürgerungsbewerber seine bisherige Staatsangehörigkeit mit seiner Einbürgerung in den deutschen Staatsverband verliert, richtet sich nach dem Staatsangehörigkeitsrecht und der Rechtspraxis seines Heimatstaates (vgl. BVerwG, Urt. v. 27. September 1988 - 1 C 52.87 -, BVerwGE 80, 233, 234, juris Rdnr. 15).

aa) Anhaltspunkte für eine Entlassung der Klägerin aus der ukrainischen Staatsbürgerschaft (Art. 18 des Gesetzes über die Staatsbürgerschaft der Ukraine - ukrStBG - vom 18. Januar 2001, vgl. Textnachweis bei von Albertini, in: Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Stand: 203. NL September 2013, Abschnitt Ukraine, S. 20 f.) und damit für eine wirksame Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit vor oder bei Einbürgerung sind nicht erkennbar. Die Klägerin hat bislang nicht einmal einen auf Entlassung gerichteten Antrag gestellt.

bb) Durch die Einbürgerung in den deutschen Staatsverband würde nach den einschlägigen Vorschriften des ukrStBG gesetzesunmittelbar kein Verlust der ukrainischen Staatsbürgerschaft i.S.d. § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG bewirkt. Zwar stellt der freiwillige Erwerb der Staatsangehörigkeit eines anderen Staates durch einen Volljährigen nach Art. 19 Abs. 1 Nr. 1 ukrStBG einen "Verlustgrund" dar. Wirksam i.S. eines Entfalls der ukrainischen Staatsbürgerschaft würde dieser "Verlust" indessen erst zeitlich später, nämlich nachdem der Präsident der Ukraine einen den "Verlust" und damit die Beendigung der Staatsbürgerschaft bestätigenden Erlass nach Art. 19 Abs. 3 ukrStBG getroffen hat; bis zur Rechtskraft dieses Erlasses hätte die Klägerin gemäß Art. 20 ukrStBG alle Rechte und Pflichten einer ukrainischen Staatsbürgerin (vgl. dieselbe Deutung durch OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 25. September 2008 - 19 A 1221/04 -, juris Rdnr. 23 ff., mit näheren Ausführungen zum Verfahren in der Ukraine). [...]