VG Köln

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Zitieren als:
VG Köln, Urteil vom 26.07.2013 - 11 K 6360/12 - asyl.net: M21457
https://www.asyl.net/rsdb/M21457
Leitsatz:

Weist sich ein Fahrerlaubnisbewerber durch eine Aufenthaltsgestattung aus, die auf eigenen Personalangaben beruht, und legt er keinen Identitätsnachweis vor, so darf die Behörde die Erteilung der Fahrerlaubnis ablehnen.

Schlagwörter: Aufenthaltsgestattung, Fahrerlaubnis, Führerschein, Identitätsnachweis, Duldung,
Normen: StVG § 2 Abs. 6, FeV § 21 Abs. 3 Nr. 1,
Auszüge:

[...]

Die Fahrerlaubnis wird mit der Aushändigung der amtlichen Bescheinigung (Führerschein) erteilt (§ 2 Abs. 1 StVG, § 22 Abs. 3 und Abs. 4 Satz 3 FeV). Die Aushändigung setzt das Bestehen der Prüfung und das zweifelsfreie Feststehen der Identität des Bewerbers voraus (§ 22 Abs. 4 Satz 3 und 4 FeV). Nach § 2 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 StVG i.V.m. § 21 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FeV hat ein Fahrerlaubnisbewerber einen amtlichen Nachweis über Ort und Tag seiner Geburt zu führen.

Damit werden zwei Zielsetzungen verfolgt: Zum einen die zuverlässige Feststellung, ob der Bewerber das für die Erteilung der beantragten Fahrerlaubnis erforderliche Mindestalter (vgl. § 10 Abs. 1 und 2, § 48 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FeV) erreicht hat und ob die Fahrerlaubnis gegebenenfalls aus Altersgründen (vgl. § 23 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 FeV) befristet oder ihre Verlängerung (z. B. nach § 24 Abs. 1 Satz 3 FeV) von der Erfüllung besonderer Voraussetzungen abhängig gemacht werden muss. Zum anderen soll § 21 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FeV die Behörde in die Lage versetzen, die für die Erteilung einer Fahrerlaubnis entscheidungserheblichen Informationen zutreffend und vollständig zu ermitteln. Durch die Beibringung eines entsprechenden Nachweises soll verhindert werden, dass die Fahrerlaubnis einer Person erteilt wird, die bereits eine solche Berechtigung besitzt oder deren Fahreignung Bedenken begegnet. Die Erreichung dieser Ziele wäre nicht gewährleistet, wenn das fahrerlaubnisrechtliche Erteilungsverfahren unter anderen Personalien als denjenigen betrieben werden könnte, unter denen der Bewerber sonst im Bundesgebiet lebt oder gelebt hat. Denn neben dem Namen des Betroffenen stellen sein Geburtstag und sein Geburtsort die wichtigsten Personenordnungsmerkmale dar. Stehen sie zuverlässig fest, ist ausreichend sichergestellt, dass sich auf den Betroffenen beziehende Eintragungen in behördlichen Akten und Datenbanken, deren Inhalt im jeweiligen Zusammenhang entscheidungserheblich ist (in Betracht kommen im Fahrerlaubnisrecht das Bundeszentral- und das Verkehrszentralregister sowie die örtlichen Fahrerlaubnisregister), aufgefunden werden können (vgl. BayVGH, Beschluss vom 5. November 2009 - 11 C 08.3165 -, juris, VG Neustadt, Beschluss vom 22.08.2011 – 3 K 613/11.NW -).

In der Regel wird dieser amtliche Nachweis durch Vorlage eines Personalausweises oder eines Reisepasses geführt werden können. Selbst eine Geburtsurkunde ist nur zusammen mit einem amtlichen Lichtbildausweis zur Führung des geforderten Identitätsnachweises geeignet, weil ansonsten nicht überprüfbar ist, ob die Urkunde für die vorlegende Person ausgestellt wurde (vgl. Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 40. Aufl., § 21 FeV, Rn. 12).

Die Nachweisführung kann sich insbesondere bei Asylbewerbern oder abgelehnten Asylbewerbern, die lange nach ihrer Geburt nach Deutschland eingereist sind, schwierig gestalten. Aber auch bei ihnen erfüllt diese Nachweisfunktion am ehesten eine amtliche, mit einem aktuellen Lichtbild versehene Urkunde, die die Gewähr dafür bietet, dass sie die Personalien wiedergibt, unter denen der Betroffene im Bundesgebiet seither durchgehend behördlich geführt wird. Lässt sich das bejahen, ist nicht nur weitgehend ausgeschlossen, dass entscheidungsrelevante Daten in amtlichen Registern und Akten unter Alias-Personalien gespeichert wurden, sondern es lässt sich auch aufgrund des in einem solchen Dokument enthaltenen Lichtbildes (anders z. B. als bei einer bloßen Geburtsurkunde) zugleich feststellen, ob die darin genannten Personendaten tatsächlich den konkreten Menschen betreffen, der als Antragsteller im Verwaltungsverfahren auftritt (vgl. Verwaltungsgericht Neustadt, 3 K 613/11. NW, a.a.O.).

Anders als im Fall des Verwaltungsgericht Neustadt – dort hatte der Antragsteller ein amtliches Dokument mit Lichtbild und die Kopie einer Geburtsurkunde vorgelegt, welche das Gericht indes nicht als ausreichend erachtete - hat der Kläger allerdings kein Dokument vorgelegt. Er ist überdies der Meinung – vgl. Bl. 65 der Gerichtsakte -, es sei ihm nicht zuzumuten, sich mit den pakistanischen Behörden wegen der Ausstellung eines Passes oder Passersatzpapiers in Verbindung zu setzen. Kann der Kläger aber seine Identität nicht nachweisen, ist jedenfalls die Fahrerlaubniserteilung in Gestalt der Aushändigung des Führerscheins ausgeschlossen. Ein Recht auf Fahrerlaubniserteilung besteht dann nicht. Dies gilt auch mit Blick auf die insoweit bislang ergangene Rechtsprechung.

So ließ das VG Gelsenkirchen in seinem Urteil vom 22. August 2007 - 7 K 2840/06 - (juris) offen, ob allein mit einer im Original vorgelegten Geburtsurkunde der amtliche Nachweis im Sinne des § 21 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FeV zu erbringen sei. Denn in dem von ihm entschiedenen Fall lagen außer der Geburtsurkunde des dortigen Klägers auch die Geburtsurkunden seiner Ehefrau und der gemeinsamen noch vor der Einreise in die Bundesrepublik geborenen drei Kinder sowie die Heiratsurkunde bei der Ausländerbehörde vor. Aus der Zusammenschau aller dieser Urkunden ergab sich für das VG Gelsenkirchen zweifelsfrei, dass der Kläger die Person sei, die sich mit der von ihm vorgelegten Geburtsurkunde ausweise. Eine andere Bewertung, so das Gericht, müsste davon ausgehen, dass sämtliche Urkunden falsch seien. Dies sei zwar theoretisch denkbar, aber irgendwelche oder gar konkrete Anhaltspunkte dafür gebe es nicht. So habe auch die Ausländerbehörde seit der Einreise des Klägers nie Zweifel daran geäußert, dass er durch die Daten der vorgelegten Urkunden hinreichend ausgewiesen sei und habe zweimal entsprechende Bescheinigungen ausgestellt. Der Fall des Klägers, der keine Dokumente vorgelegt hat, ist mit der von dem VG Gelsenkirchen entschiedenen Fallgestaltung daher nicht vergleichbar.

Dies gilt in gleicher Weise für den Sachverhalt, der dem Urteil des VG Schleswig vom 17. April 2007 - 3 A 161/07 - (juris) zugrundelag. In jenem Verfahren verfügte der Kläger zwar über keinen der üblichen Nachweise wie Geburtsurkunde, Personalausweis oder nationalen Reisepass, so dass ihm ein Identitätsnachweis durch die herkömmlichen in Betracht kommenden Dokumente verwehrt war. Er verfügte aber über einen mit Lichtbild versehenen Ausweisersatz mit der Feststellung: "Dieses Dokument gilt als Ausweisersatz". Wenn dieses Dokument einen Ausweis ersetzen solle - so das VG Schleswig -, dann könne dies nur den Zweck haben, im Rechtsverkehr dort, wo üblicherweise ein Ausweis verlangt werde, sich durch dieses "Ersatzpapier" zu legitimieren. Anderenfalls mache die Ausstellung eines derartigen Ausweisersatzes keinen Sinn. Auch wenn in dem Papier angekreuzt sei, "die Personalangaben auf Seite 2 beruhen auf den eigenen Angaben des Inhabers", so ändere dieser Vermerk nichts an der Identifikationsfunktion des Papieres. Denn es sei davon auszugehen, dass die zuständige Behörde vor Ausstellung des Ausweisersatzes die vom Kläger getätigten Angaben auf seine Plausibilität hin überprüft und verschiedene Informationsquellen genutzt habe, um seine Angaben nachzuvollziehen. Vergleichbar hiermit liegt der Fall des Klägers nicht. Denn die ihm von der zuständigen Ausländerbehörde ausgestellte Bescheinigung über die "Aussetzung der Abschiebung (Duldung)" stellt keinen Ausweisersatz dar. Sie soll nur für den Bereich des Aufenthaltsrechts, für die damit befassten Ordnungsbehörden Bedeutung haben (§ 60a Abs. 4 AufenthG). Ihre möglicherweise gegebene faktische Bedeutung in anderen Bereichen ist hier unerheblich. Auch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach die Bescheinigung nach § 63 AsylVfG hinsichtlich der Personalangaben eine öffentliche Urkunde im Sinne des § 267 StGB ist (Urteil vom 16. April 1996 - 1 StR 127/96 -, BGHSt 42, 131 = NJW 1996, 2170), besagt nicht, dass mit einer solchen Urkunde die Identität ihres Inhabers als nachgewiesen zu gelten habe. Denn die Urkunde enthält ausdrücklich den Vermerk: "Die Inhaberin/der Inhaber genügt mit dieser Bescheinigung nicht der Pass- und Ausweispflicht." Die Duldungsbescheinigung ist damit kein Ausweisersatz, der dem Antragsteller nach Prüfung seiner Angaben auf Plausibilität ausgestellt wurde. Denn weiter ist in der Bescheinigung festgehalten, dass die Personalangaben auf den eigenen Angaben des Inhabers beruhen. Eine Duldungsbescheinigung, auch wenn sie mit einem Lichtbild versehen ist, reicht damit als Identitätsnachweis nicht aus (vgl. BayVGH, Beschluss vom 26.Februar 2002 – 11 CE 02.225 -, und Beschluss vom 5. November 2009 - 11 C 08.3165 -; VG Berlin, Urteil vom 8. Juni 2007 - 4 A 348.06 – (juris); a.A. VG Weimar, Beschluss vom 15. März 2007 - 2 E 267/07 We -, (juris)).

Als ausreichend für den nach § 21 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FeV zu führenden Nachweis wurde ein Reisedokument im Falle eines anerkannten Asylbewerbers erachtet (vgl. BayVGH, Beschluss vom 5. November 2009, a.a.O.; VG Stade, Beschluss vom 24. März 2003 - 1 B 149/03 -, (juris)) sowie eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis, die von der Ausländerbehörde gemäß § 24 AuslG erteilt worden war, so dass die Versagungsgründe des § 8 Abs. 1 AuslG, insbesondere der Nr. 4 (ungeklärte Identität des Ausländers) und die Ausnahmemöglichkeiten nach § 9 Nr. 3 AuslG Gegenstand der Prüfung vor der Erteilung gewesen sein dürften. Die sodann ausgehändigte Bescheinigung stelle gemäß § 39 AuslG einen Ausweisersatz dar (vgl. VG Stade, Beschluss vom 29. Juli 2007 - 1 B 1167/04 -, (juris)).

Der Kläger besitzt aber weder eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis noch ein Reisedokument, so dass eine Berufung auf diese Gerichtsentscheidungen ausscheidet.

Soweit das VG Weimar (a.a.O.), eine Bescheinigung über die Aussetzung der Abschiebung (Duldung) als Beleg im Sinne von § 2 Abs. 6 StVG genügen lässt, ist die Fallkonstellation schon deshalb nicht vergleichbar, weil der dortige Kläger gemeinsam mit seinen Eltern in die Bundesrepublik Deutschland eingereist war und die Eltern übereinstimmende Angaben zu dessen Geburtsort und Geburtsdatum gemacht hatten. Abgesehen davon teilt das Gericht auch nicht die Auffassung des Verwaltungsgerichts Weimar, weil auf diesem Weg die unzweideutige Vorgabe des § 21 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 FeV "amtlicher Nachweis über Ort und Tag der Geburt" und damit die Notwendigkeit des eindeutigen Identitätsnachweises ohne Not unbeachtet bleiben würde. Die weiteren Ausführungen des Verwaltungsgericht Weimar – vgl. in juris RN 6 – "Unterstellt man diese Angaben als richtig" ... "erscheint es nahezu ausgeschlossen" ... und "erscheint es ausgeschlossen" weisen darauf hin, dass eine auf eigenen Angaben basierende Duldung allenfalls Vermutungen in Bezug auf die Identität des Betroffenen zulässt. Von dem gebotenen und georderten sicheren Nachweis der Identität kann hingegen keine Rede sein. [...]