1. Im Hinblick auf die aktuellen Erkenntnismittel kann nicht festgestellt werden, dass praktisch jede in Kabul oder Kunar befindliche Zivilperson bereits auf Grund ihrer reinen Anwesenheit einer ernsthaften individuellen Bedrohung im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts im Sinne von § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG ausgesetzt ist.
2. Zur Überzeugung des Senats herrscht weder in Kabul noch in Kunar allgemeine Gewalt von solcher Intensität, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 AufenthG bereits ohne die etwaige Annahme individueller gefahrerhöhender Umstände erfüllt sind.
[...]
Aus Art. 60 Abs. 2 AufenthG ergibt sich ein Abschiebungsverbot, wenn es ernsthafte und stichhaltige Gründe dafür gibt, dass der Betroffene im Falle seiner Abschiebung tatsächlich Gefahr läuft, im Aufnahmeland einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden (BVerwG, Urt. v. 31. Januar 2013 a.a.O., unter Bezugnahme auf EGMR, Urt. v. 7. Juli 1989 - Nr. 1/1989/161/217, Soering/Vereinigtes Königreich - NJW 1990, 2183 Rn. 90 f. und v. 28. Februar 2008 - Nr. 37201/06, Saadi/Italien - NVwZ 2008, 1330 Rn. 125). Die Konvention zielt hauptsächlich darauf ab, bürgerliche und politische Rechte zu schützen. Abschiebungsschutz in Verbindung mit Art. 3 EMRK kommt aber auch bei Gefahren in Betracht, die nicht seitens eines Staates oder einer staatsähnlichen Organisation drohen (BVerwG, Urt. v. 13. Juni 2013 - 10 C 13.12 -, juris; anders zuletzt noch Beschl. v. 18. Dezember 2006 - 1 B 53.06 - Buchholz 402.242 § 60 Abs. 2 ff. AufenthG Nr. 26 Rn. 7). Fehlen beim Betroffenen individuelle gefahrerhöhende Umstände, kommt im Falle allgemeiner Gefahren im Herkunftsstaat Abschiebungsschutz dann in Betracht, wenn nahezu jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung ausgesetzt wäre (VGH BW, Urt. v. 24. Juli 2013 - A 11 S 727/13 -, juris). Der Schutzbereich des Art. 3 EMRK erstreckt sich nicht allgemein auf soziale Leistungsrechte. Doch können in ganz außergewöhnlichen Fällen auch (schlechte) humanitäre Verhältnisse Art. 3 EMRK verletzen, wenn die humanitären Gründe gegen die Ausweisung "zwingend" sind. Art. 3 EMRK verpflichtet die Staaten jedoch nicht, Fortschritte in der Medizin sowie Unterschiede in sozialen und wirtschaftlichen Standards durch freie und unbegrenzte Vers6rgung von Ausländern ohne Bleiberecht zu beseitigen (BVerwG, Urt. v. 31. Januar 2013 a.a.O.). Ganz außerordentliche individuelle Umstände müssen beim Betroffenen hinzutreten, um schlechte humanitäre Bedingungen, wenn diese nicht zumindest überwiegend auf Handlungen der genannten Akteure zurückzuführen sind, als unmenschliche Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK qualifizieren zu können (VGH BW, Urt. v. 24. Juli 2013 a.a.O.).
Ausgehend hiervon und im Hinblick auf die aktuellen Erkenntnisquellen - insbesondere den aktuellen Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 4. Juni 2013, die Berichte der United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) aus den Jahren 2011 bis 2013 sowie die Berichte des Afghanistan NGO Safety Office (ANSO) gibt es im Zeitpunkt der Berufungsverhandlung keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass für den Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan die allein in Betracht kommende konkrete Gefahr der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung im Sinne des Art. 3 EMRK wegen allgemeiner Gewalt oder schlechter humanitärer Bedingungen bestünde.
Der Senat ist davon überzeugt, dass in Kabul und Kunar, die hier als Zielorte des Klägers bei dessen Rückführung in Betracht kommen, keine allgemeine Gewalt von solcher Intensität herrscht, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 AufenthG bereits ohne Annahme gefahrerhöhender Umstände in der Person des Klägers erfüllt wären. Insoweit schließt sich der Senat auf der Grundlage der aktuellen Erkenntnismittel - wie insbesondere den oben angesprochenen - den Einschätzungen des Verwaltungsgerichtshofes Baden-Württemberg (Urt. v. 24. Juli 2013 a.a.O., juris Rn. 83 ff., zu den Verhältnissen in Kabul) und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs an (Urt. v. 15. März 2013 - 13a B 12.30121 -, juris Rn. 25 zu den Verhältnissen in der Ostregion Afghanistans [Kunar]) an.
Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger aufgrund gefahrerhöhender Umstände von allgemeinen Gefahren in Afghanistan betroffen seien könnte, sind nicht ersichtlich. Nichts anderes ergibt sich aus dem Umstand, dass der Kläger zur Volksgruppe der Paschtunen gehört (vgl. oben). Diese Volksgruppe macht in Afghanistan etwa 38 % der Bevölkerung aus (Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 4. Juni 2013).
Auch im Hinblick auf die humanitäre Situation in Kabul und Kunar ergibt sich kein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK zugunsten des Klägers (vgl. VGH BW, Urt. v. 14. August 2013 - A 11 S 688/13 -, juris; BayVGH, Urt. v. 15. März 2013 a.a.O., juris Rn. 25).
Seine persönlichen Verhältnisse bieten keine Anhaltspunkte dafür, dass er von den schwierigen humanitären Umständen besonders betroffen wäre. Insoweit macht sich der Senat die Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes (Beschl. v. 24. April 2013 - 13a ZB 13.30062 -, juris) zu eigen, dass ein - wie hier - arbeitsfähiger, gesunder Mann, der mangels familiärer Bindungen keine Unterhaltslasten zu tragen hat, regelmäßig auch ohne nennenswertes Vermögen im Fall einer zwangsweisen Rückführung in sein Heimatland Afghanistan in der Lage wäre, durch Gelegenheitsarbeiten in seiner Heimatregion oder in Kabul ein kleines Einkommen zu erzielen und damit wenigstens ein Leben am Rande des Existenzminimums zu bestreiten. Dass sich diese Annahme hier wegen einer Erkrankung oder auch wegen anderer besonderer individueller Umstände in der Person des Klägers Geltung verbietet, ist nicht ersichtlich.
Der Senat weist darauf hin, dass auch das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 31. Januar 2013 (a.a.O.) zur Situation in Kabul entschieden hat, dass jedenfalls für einen jungen gesunden, arbeitsfähigen und ledigen Mann die Rückkehr nach Kabul keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung bewirken würde. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Baden-Württemberg (Urt. v. 14. August 2013 a.a.O.), auf die sich die Beklagte in der Berufungsverhandlung bezogen hat, ist daran auch unter Berücksichtigung des jüngsten Lageberichts des Auswärtigen Amts vom 4. Juni 2013 und der Briefing Notes aus diesem Jahr festzuhalten. Zwar ergebe sich aus den jüngsten Briefing Notes, dass die Zahl der in Kabul verübten Anschläge im ersten Halbjahr zugenommen habe. Hieraus folge jedoch noch keine allgemeine Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG, weshalb auch eine unzulässige Behandlung im Sinne des § 60 Abs. 2 AufenthG ausgeschlossen werden könne. Der erkennende Senat schließt sich auch dieser Rechtsprechung ausdrücklich an. [...]
2. Nach § 73 Abs. 3 AsylVfG ist die Entscheidung, ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2, 3, 5 oder 7 AufenthG vorliegen, zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen nicht mehr vorliegen. Der Widerruf bestimmt sich ausschließlich nach den Vorschriften des nationalen Rechts (BVerwG, Urt. v. 29. September 2011 - 10 C 24.10 -, juris). Maßgeblich ist auch insoweit die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat (§ 77 Abs. 1 AsylVfG). § 73 Abs. 3 AsylVfG in der auch derzeit noch unverändert geltenden Fassung vom 30. Juli 2004 (BGBl. I S. 1950) verlangt für den Widerruf eines Abschiebungshindernisses eine beachtliche Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse. Durch neue Tatsachen muss sich eine andere Grundlage für die Gefahrenprognose bei dem jeweiligen Abschiebungsverbot ergeben. Sind die Voraussetzungen für das seinerzeit konkret festgestellte nationale Abschiebungsverbot entfallen, ist auch zu prüfen, ob nationaler Abschiebungsschutz aus anderen Gründen besteht (vgl. BVerwG, Urt. v. 29. September 2011, 451 Rn. 16 f. und v. 13. Juni 2013 - 10 C 13.12 - juris).
Ausgehend hiervon ist der streitgegenständliche Widerrufsbescheid materiell rechtmäßig, weil die Voraussetzungen des mit Bescheid der Beklagten vom festgestellten Abschiebungsverbots nach § 53 Abs. 4 AuslG (heute § 60 Abs. 5 AufenthG) i.V.m. Art. 3 EMRK aufgrund einer Änderung der Sachlage im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) entfallen waren (2.1) und auch kein anderes nationales Abschiebungsverbot (2.2) vorliegt. [...]
Ein unionsrechtliches Abschiebungsverbot nach dieser Vorschrift liegt nicht vor, so dass der Senat unter Verweis auf die Ausführungen zu § 60 Abs. 2 VwGO davon ausgeht, dass Abschiebungsschutz zugunsten des Klägers nach § 60 Abs. 5 AufenthG (früher § 53 Abs. 4 AuslG) nicht mehr besteht. Insbesondere ist die maßgebliche Gefahr einer Zwangsrekrutierung nicht mehr gegeben. Mögliche Zwangsrekrutierungen sind zwar nicht auszuschließen. Da die erfolgreiche Anwerbung als Soldat oder Polizist für den überwiegend arbeitslosen Teil der jungen männlichen Bevölkerung aber eine der wenigen Verdienstmöglichkeiten darstellt, erscheint die Notwendigkeit für Zwangsrekrutierungen eher unwahrscheinlich (Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 4. Juni 2013; vgl. auch OVG NRW, Beschl. v. 23. Mai 2013 - 13 A 1220/13.A -, juris).
2.2. Eine individuelle, erhebliche konkrete Gefahr im Sinn von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG droht dem Kläger nicht. Insoweit kann auf die Ausführungen zu § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG und zu § 60 Abs. 5 AufenthG verwiesen werden (vgl. hierzu auch BayVGH, Urt. v. 15. März 2013 a.a.O.).
Eine Gefahr im Sinn von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG kann allerdings grundsätzlich auch in einer unzureichenden Versorgungslage in Afghanistan, die insbesondere für Rückkehrer ohne Berufsausbildung und ohne familiäre Unterstützung besteht, begründet sein. Dies stellt jedoch eine allgemeine Gefahr im Sinn des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG dar, die auch dann nicht als Abschiebungshindernis unmittelbar nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG berücksichtigt werden kann, wenn sie durch Umstände in der Person oder in den Lebensverhältnissen des Ausländers begründet oder verstärkt wird, aber nur eine typische Auswirkung der allgemeinen Gefahrenlage ist (BVerwG, Urt. v. 8. Dezember 1998, BVerwGE 108, 77). Dann greift grundsätzlich die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist jedoch im Einzelfall Ausländern, die zwar einer gefährdeten Gruppe im Sinn des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG angehören, für welche aber ein Abschiebestopp nach § 60a Abs. 1 AufenthG oder eine andere Regelung, die vergleichbaren Schutz gewährleistet, nicht besteht, ausnahmsweise Schutz vor der Durchführung der Abschiebung in verfassungskonformer Handhabung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zuzusprechen, wenn die Abschiebung wegen einer extremen Gefahrenlage im Zielstaat Verfassungsrecht verletzen würde. Das ist der Fall, wenn der Ausländer gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde. Diese Grundsätze über die Sperrwirkung bei allgemeinen Gefahren und die Voraussetzungen für eine ausnahmsweise verfassungskonforme Anwendung in den Fällen, in denen dem Betroffenen im Abschiebezielstaat eine extrem zugespitzte Gefahr droht, sind auch für die neue Rechtslage nach dem Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes maßgeblich (BVerwG, Beschl. v. 23. August 2006 - 1 B 60.06 - Buchholz 402.242 § 60 Abs. 2 ff. AufenthG Nr. 19).
Wann allgemeine Gefahren von Verfassungs wegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalls ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Die Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Das Erfordernis des unmittelbaren - zeitlichen - Zusammenhangs zwischen Abschiebung und drohender Rechtsgutverletzung setzt zudem für die Annahme einer extremen Gefahrensituation wegen der allgemeinen Versorgungslage voraus, dass der Ausländer mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach seiner Rückkehr in sein Heimatland in eine lebensgefährliche Situation gerät, aus der er sich weder allein noch mit erreichbarer Hilfe anderer befreien kann (Renner, Ausländerrecht, 9. Aufl. 2011, § 60 AufenthG Rn. 54). Das bedeutet nicht, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung eintreten müssen. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde (vgl. BVerwG, Urt. v. 29. Juni 2010, BVerwGE 137, 226).
Ausgehend hiervon ist der Senat der Überzeugung, dass sich die allgemeine Gefahr in Afghanistan für den Kläger nicht zu einer extremen Gefahr verdichtet, dass eine entsprechende Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG geboten ist. Auch insoweit schließt sich der erkennende Senat im Hinblick auf die aktuellen Erkenntnismittel der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes (Urt. v. 15. März 2013 a.a.O., Rn. 31 ff.) an.
Zwar besteht eine extreme Gefahrenlage [zwar] auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde (vgl. BVerwG, Urt. v. 29. Juni 2010 a.a.O.). Diese Gefahr besteht hier jedoch nicht (vgl. die Ausführungen zu § 60 Abs. 2 AufenthG). [...]