VGH Bayern

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Zitieren als:
VGH Bayern, Beschluss vom 17.04.2013 - 10 ZB 12.2364 - asyl.net: M20849
https://www.asyl.net/rsdb/M20849
Leitsatz:

Sind bei einer Ermessensentscheidung mehrere Gründe für die Entscheidung maßgebend, so dass sie erst zusammen zu der Entscheidung führen, so hängt die Rechtmäßigkeit von der Sachgemäßheit sämtlicher Beweggründe ab.

Schlagwörter: Ermessensentscheidung, Ermessen, selbständig tragende Gründe, Ausweisung, Falschangaben, falsche Angaben, Täuschung über Identität, Wiederholungsgefahr,
Normen: AufenthG § 55 Abs. 2 Nr. 1a, AufenthG § 55 Abs. 2 Nr. 2,
Auszüge:

[...]

Auch das Vorbringen der Beklagten, die falschen Angaben des Klägers seine Identität betreffend, die er vor dem 1. April 2005 gegenüber der Beklagten gemacht hatte, erfüllten zwar nicht den Ausweisungstatbestand des § 55 Abs. 2 Nr. 1a AufenthG, seien aber unter den Tatbestand des § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG zu subsumieren, vermögen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils zu begründen. Es kann dahinstehen, ob die nicht unter den Tatbestand des § 55 Abs. 2 Nr. 1a AufenthG fallenden Falschangaben des Klägers grundsätzlich den Ausweisungstatbestand des § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG erfüllen (§ 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG 1990 bzw. § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG) und damit die Einschätzung der Beklagten, der Kläger habe 13 Jahre lang die Behörden getäuscht, zutrifft. Jedenfalls erweist sich die Entscheidung des Erstgerichts, die Ausweisungsentscheidung leide unter einem Fehler bei der Ermessensausübung, im Ergebnis als richtig. Das Gericht darf die von der Beklagten getroffene Entscheidung nur anhand derjenigen Erwägungen überprüfen, die die Beklagte tatsächlich angestellt hat. Das Gericht ist nicht befugt, die behördliche Entscheidung aus Gründen, die für die Beklagte nicht ausschlaggebend waren, im Ergebnis aufrecht zu erhalten. Nur wenn es sich um zwei, die Ermessensentscheidung selbständig tragende Gründe handelt, genügt die rechtliche Fehlerfreiheit nur eines Grundes für die Rechtmäßigkeit der Entscheidung. Waren dagegen mehrere Gründe für die Entscheidung maßgebend, so dass erst beide zusammen zu der Entscheidung führten, so hängt die Rechtmäßigkeit von der Sachgemäßheit beider Beweggründe ab (BVerwG, U.v. 26.11.1987 – 2 C 53.86 – juris Rn. 33; BVerwG, U.v. 21.9.2000 – 2 C 5.99 – juris Rn. 53). In der Ausweisungsverfügung führt die Beklagte aus, dass für die Ausweisung des Klägers seine falschen Angaben zu seiner Identität über eine Zeitraum von 13 Jahren und die daraus resultierende Wiederholungsgefahr sowie die von ihm als Sympathisant der HAMAS ausgehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit sprächen. Erweist sich aber eine für die Ermessensentscheidung tragende Erwägung der Beklagten – wie oben dargelegt – als fehlerhaft, kann die Ausweisungsentscheidung, auch wenn der Kläger wegen der Verwirklichung diverser Ausweisungstatbestände im Ergebnis tatsächlich ausgewiesen werden könnte, nicht aufrecht erhalten werden, weil für die Beklagte ausweislich der Begründung der Ermessensentscheidung in Nr. 2.3 des Bescheides vom 9. Januar 2012 sämtliche Gesichtspunkte – also auch die angebliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit – maßgebend für die Entscheidung waren. [...]