OVG Niedersachsen

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OVG Niedersachsen, Urteil vom 14.02.2013 - 8 LC 129/12 - asyl.net: M20627
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Leitsatz:

Die Befristung der Wirkungen einer Ausweisung ist nach § 11 Abs. 1 AufenthG in der Fassung des Gesetzes zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union und zur Anpassung nationaler Rechtsvorschriften an den EU-Visakodex vom 22. November 2011 (BGBl. I S. 2258) allein anhand der Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. Eine abstrakte Festlegung von Fristen, etwa durch einen eigenständig formulierten und nach den Ausweisungsgründen gestaffelten Fristenkatalog oder durch eine fortwährende Orientierung an den Vorgaben der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz, ist, selbst wenn sie einer bloßen groben Orientierung dienen soll, ausgeschlossen.

(Amtlicher Leitsatz)

Schlagwörter: Ausweisung, Fristenkatalog, Frist, Befristung, Wirkung der Ausweisung, Einzelfall, Generalpräventiver Zweck, spezialpräventiver Zweck, Rückführungsrichtlinie,
Normen: AufenthG § 11 Abs. 1, AufenthG § 11 Abs. 1 S. 4,
Auszüge:

[...]

Der Ausländer hat grundsätzlich einen Anspruch darauf, dass die Ausländerbehörde mit einer Ausweisung zugleich das daran geknüpfte gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot sowie die Titelerteilungssperre befristet (vgl. BVerwG, Urt. v. 10.7.2012, a.a.O., Rn. 30 m.w.N.). Geschieht dies nicht, kann nachträglich die Befristung verlangt werden, und zwar sowohl im verwaltungsgerichtlichen Verfahren auf Anfechtung der Ausweisungsverfügung als Hilfsantrag (vgl. BVerwG, Urt. v. 10.7.2012, a.a.O, Rn. 39) als auch isoliert gegenüber der für eine Befristungsentscheidung zuständigen Ausländerbehörde (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.3.2012, a.a.O., S. 199 f.). Es handelt sich um eine gebundene Entscheidung der Ausländerbehörde; ein Ermessen besteht nicht (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.2.2012 - 1 C 7.11 -, BVerwGE 142, 29, 45 f.). Die Befristungsentscheidung der Ausländerbehörde unterliegt der vollumfänglichen gerichtlichen Überprüfung. Das Verwaltungsgericht hat zunächst darüber zu befinden, ob dem Ausländer bereits im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts ein Anspruch auf die Befristung der Wirkungen der Ausweisung zusteht. Sollte ein Befristungsanspruch bestehen, hat das Gericht sodann über die

konkrete Dauer der Befristung selbst zu befinden und die Ausländerbehörde zu einer entsprechenden Befristung der Ausweisung zu verpflichten (vgl. BVerwG, Urt. v. 10.7.2012, a.a.O, Rn. 40; Urt. v. 14.2.2012, a.a.O., S. 44 f.).

Abgesehen von den in § 11 Abs. 1 Satz 7 AufenthG genannten Fällen genügt eine zeitlich befristete Ausweisung regelmäßig zur Erreichung der mit dieser ordnungsrechtlichen Maßnahme verfolgten Zwecke (vgl. BVerwG, Urt. v. 10.7.2012, a.a.O., Rn. 31; Senatsurt. v. 14.5.2009 - 8 LB 158/06 -, juris Rn. 39; vgl. zu möglichen Ausnahmen: Niedersächsisches OVG, Urt. v. 28.6.2012 - 11 LC 490/10 -, juris Rn. 59). Die Dauer der Frist ist dabei allein unter präventiven Gesichtspunkten festzusetzen.

Dabei hat der Tatrichter in einem 1. Prüfungsschritt zu prognostizieren, wie lange die mit der konkret verfügten Ausweisung verfolgten Zwecke (vgl. Bayerischer VGH, Urt. v. 26.3.2009 - 19 ZB 09.498 -, juris Rn. 2; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 26.3.2003 - 11 S 59/03 -, juris Rn. 32 m.w.N.) eine Fernhaltung des Ausländers vom Bundesgebiet erfordern ("Zweckerreichung als Fristobergrenze"). Ist die Ausweisung zu generalpräventiven Zwecken erfolgt, stellt sich die Frage, wann die Abschreckungswirkung erreicht bzw. verbraucht ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.2.2012, a.a.O., S. 42 f.; Senatsurt. v. 14.5.2009, a.a.O.; Renner, Ausländerrecht, 9. Aufl., AufenthG, § 11 Rn. 23). Ist die Ausweisung zu spezialpräventiven Zwecken erfolgt, stellt sich die Frage, für welche Dauer von dem Ausländer die Gefahr einer Wiederholung bzw. Fortdauer der Ausweisungsgründe ausgeht (vgl. BVerwG, Urt. v. 10.7.2012, a.a.O, Rn. 32 f. und 42; Niedersächsisches OVG, Urt. v. 28.6.2012, a.a.O., Rn. 59; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 26.3.2003, a.a.O.). Bei der Beantwortung sind - ungeachtet der tatsächlichen Schwierigkeiten, die mit der geforderten Bestimmung eines solchen Endzeitpunktes regelmäßig verbunden sein werden - insbesondere das Gewicht des Ausweisungsgrundes, das Verhalten des Ausländers nach der Ausweisung, das Ausmaß der von dem Ausländer konkret ausgehenden Gefahr und die Vorhersehbarkeit der zukünftigen Entwicklung dieser Gefahr zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, Urt. v. 10.7.2012, a.a.O.; Urt. v. 14.2.2012, a.a.O.).

Ergänzend ist der durch § 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG gezogene Rahmen zu beachten. Nach dieser Bestimmung darf die Frist fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist (Alt. 1), oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht (Alt. 2). Dabei ist der Senat der Auffassung, dass der Gesetzgeber mit der in § 11 Abs. 1 Satz 4 Alt. 1 AufenthG getroffenen Bestimmung eine generelle Ausnahme von der Fünfjahresfrist für alle Fälle schaffen wollte, in denen der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung wegen einer schwerwiegenden Straftat ausgewiesen worden ist (so auch BVerwG, Urt. v. 13.12.2012 - 1 C 20.11 -, juris Rn. 42; vgl. Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP, Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union und zur Anpassung nationaler Rechtsvorschriften an den EU-Visakodex, BT-Drs. 17/5470, S. 21). Eine derartige Ausnahme widerspricht auch den Vorgaben in Art. 11 Abs. 2 Satz 1 Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl. L 348 v. 24.12.2008, S. 98 f.) nicht. Denn ungeachtet der Frage, ob eine Ausweisung überhaupt eine Rückkehrentscheidung im Sinne der genannten Richtlinie ist (vgl. hierzu VG Baden-Württemberg, Urt. v. 16.5.2012 - 11 S 2328/11 -, DVBl. 2012, 1170, 1174 f. m.w.N.), bestimmt Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie, dass die Mitgliedstaaten beschließen können, diese unter anderem nicht auf solche Drittstaatsangehörigen anzuwenden, die nach einzelstaatlichem Recht aufgrund einer strafrechtlichen Sanktion oder infolge einer strafrechtlichen Sanktion rückkehrpflichtig sind. Ausweislich der benannten Gesetzesmaterialien hat der Gesetzgeber von dieser Möglichkeit jedenfalls bezüglich der Dauer der für ein Einreiseverbot zu bestimmenden Frist mit § 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG explizit Gebrauch gemacht (so auch VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 6.11.2012 - 11 S 2307/11 -, juris Rn. 71; OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 22.3.2012 - 18 A 951/09 -, juris Rn. 90 f.; OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 13.12.2011 - 12 B 19.11 -, juris Rn. 27). Selbst in den in § 11 Abs. 1 Satz 4 Alt. 1 und 2 AufenthG genannten Fällen, in denen die Fünfjahresfrist ohne Bedeutung ist, stellt in der Regel aber ein Zeitraum von maximal zehn Jahren den Zeithorizont dar, für den eine Prognose realistischerweise noch gestellt werden kann. Weiter in die Zukunft lässt sich die Persönlichkeitsentwicklung - insbesondere jüngerer Menschen - kaum abschätzen (vgl. BVerwG, Urt. v. 13.12.2012, a.a.O., Rn. 40).

Eine über diese Bestimmung der für die zu treffende Prognoseentscheidung maßgeblichen Aspekte hinausgehende abstrakte Festlegung von Fristen mag, hierin ist dem Verwaltungsgericht in der angefochtenen Entscheidung zuzustimmen, gerade für die verwaltungspraktische Handhabung wünschenswert sein. Der Senat hält eine solche Festlegung indes, auch wenn sie einer bloßen groben Orientierung dienen sollte, für ausgeschlossen. Sowohl die vom Verwaltungsgericht in der angefochtenen Entscheidung durch eigenständige Formulierung eines nach den Ausweisungsgründen gestaffelten Fristenkataloges (vgl. ähnlich VG Düsseldorf, Urt. v. 26.11.2012 - 27 K 5505/11 -, juris Rn. 93 f.; Urt. v. 6.11.2012 - 27 K 2548/11 -, juris Rn. 116 f.) als auch eine fortwährende Orientierung an den Vorgaben in Nr. 11.1.4.6.1 f. Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz - AVwV AufenthG - vom 26. Oktober 2009 (GMBl. S. 877) (vgl. VG Düsseldorf, Urt. v. 4.1.2013 - 7 K 1938/12 -, juris Rn. 75 f.; Urt. v. 6.12.2012 - 8 K 6577/10 -, juris Rn. 48 f.; Urt. v. 18.10.2012 - 8 K 6261/08 -, juris Rn. 118 f.) berücksichtigen die Vorgaben des europäischen Gesetzgebers in der Rückführungsrichtlinie und des nationalen Gesetzgebers im neu gefassten § 11 Abs. 1 AufenthG nicht hinreichend.

Die Regelungen in Nr. 11.1.4.6.1 f. AVwV AufenthG beruhen auf der bis zum 25. November 2011 gültigen Fassung des § 11 AufenthG, die zum einen die Befristung der Wirkungen der Ausweisung und Abschiebung nur für den Regelfall vorsah und zum anderen keinerlei Vorgaben bezüglich der Länge der Frist machte. Die Bestimmung der Fristlänge stand im Ermessen der Ausländerbehörde. Die Verwaltungsvorschriften dienten der einheitlichen Ausübung dieses Ermessens. Die nunmehr gültige Neufassung des § 11 Abs. 1 AufenthG enthält demgegenüber wesentliche Änderungen, nämlich den grundsätzlichen Anspruch des Ausländers darauf, dass die Ausländerbehörde zugleich mit der Ausweisung deren Wirkung befristet, und die rechtlich gebundene Entscheidung über die Fristlänge. Diese Neuerungen, die auf die Rückführungsrichtlinie zurückgehen, dienen ausdrücklich der Verbesserung der Rechtslage der betroffenen Ausländer (vgl. BVerwG, Urt. v. 10.7.2012, a.a.O., Rn 34). Die Regelungen in Nr. 11.1.4.6.1 f. AVwV AufenthG sind mithin zeitlich und inhaltlich überholt. Vor diesem Hintergrund verbietet sich die weitere Anwendung dieser Regelungen und auch eine bloße Orientierung an ihnen.

Darüber hinaus erscheinen abstrakte Regelfristen aber auch deshalb unzulässig, weil sie der durch die neue Rechtslage und die entsprechende Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geforderten Einzelfallentscheidung nicht gerecht werden. Die nunmehr gebotene umfassende Berücksichtigung der wesentlichen Umstände des Einzelfalls ohne einen der Ausländerbehörde verbleibenden Ermessensspielraum ist bei Zugrundelegung von Regelfristen in einem schematisierten Verfahren nicht gewährleistet, denn die Anwendung solcher Regelfristen kann zur unzulässigen Ausblendung wesentlicher Einzelfallumstände führen (vgl. OVG Nordrhein- Westfalen, Beschl. v. 24.1.2013 - 18 A 139/12 -, juris Rn. 20 f.). Danach ist auch eine schematisierende Berücksichtigung der Art der Ausweisung (Ermessens-, Regel- oder Ist-Ausweisung) im Sinne eines abstrakten Fristenkatalogs ausgeschlossen. Ohne eine an die Art der Ausweisung anknüpfende regelmäßige Frist bietet die isolierte Berücksichtigung der Ausweisungsart aber keinen Vorteil. Die Art der Ausweisung kann daher nur als ein Aspekt in die zu treffende Einzelfallentscheidung einfließen. Dabei handelt es sich dann nicht um eine unzulässige "schematische Anwendung eines vorgegebenen Rasters" (vgl. VG Düsseldorf, Urt. v. 26.11.2012, a.a.O. Rn. 93) oder um die unzulässige "Anknüpfung der Festlegung der Frist am Typus der Ausweisung" (vgl. Gutmann, Ermessen und europäisiertes Ausweisungsrecht, in: InfAuslR 2013, 2, 3), sondern um die erforderliche Würdigung der wesentlichen Aspekte des Einzelfalls.

Insgesamt gebietet die Neufassung des § 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG unter Berücksichtigung der Rückführungsrichtlinie bei der Bemessung der Sperrfrist eine Einzelfallentscheidung ohne jede Schematisierung. Bereits der Erwägungsgrund (6) der Rückführungsrichtlinie führt aus, dass die Entscheidungen gemäß dieser Richtlinie auf der Grundlage des Einzelfalls getroffen werden sollen. Auch der Wortlaut des Art. 11 Abs. 2 Satz 1 der Rückführungsrichtlinie, wonach die Dauer des Einreiseverbots in Anbetracht der jeweiligen Umstände des Einzelfalls festgesetzt wird, lässt eine andere Möglichkeit nicht zu (vgl. auch BVerwG Urt. v. 10.07.2012 a.a.O., Rn. 42).

Die nach diesen Maßgaben ermittelte, zur Erreichung des Ausweisungszwecks erforderliche (Höchst-)Frist muss in einem 2. Prüfungsschritt an höherrangigem Recht, insbesondere an verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen (etwa mit Blick auf Art. 2, 6 GG) und unions- und völkervertragsrechtlichen Vorgaben (etwa Art. 7 GRCh und Art. 8 EMRK) gemessen und gegebenenfalls relativiert werden. Dieses normative Korrektiv bietet der Ausländerbehörde und den Verwaltungsgerichten ein rechtsstaatliches Mittel, um die fortwirkenden einschneidenden Folgen des Einreise- und Aufenthaltsverbots für die persönliche Lebensführung des Betroffenen zu begrenzen. Dabei sind insbesondere die in § 55 Abs. 3 Nr. 1 und 2 AufenthG genannten schutzwürdigen Belange des Ausländers in den Blick zu nehmen. Die Abwägung ist nach Maßgabe des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auf der Grundlage der Umstände des Einzelfalles im Zeitpunkt der Behördenentscheidung vorzunehmen bzw. von den Verwaltungsgerichten zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. Entscheidung zu überprüfen oder bei fehlender behördlicher Befristungsentscheidung durch eine eigene Abwägung als Grundlage des Verpflichtungsausspruchs zu ersetzen (vgl. BVerwG, Urt. v. 10.7.2012, a.a.O., Rn. 42 m.w.N.).

Die so bestimmte Frist ist bis zu ihrem Ablauf von der Ausländerbehörde - auch nach Abschluss einer verwaltungsgerichtlichen Überprüfung- unter Kontrolle zu halten. Eine nachträgliche Änderung der für die Befristungsentscheidung maßgeblichen Umstände kann, dies zeigt schon § 72 Abs. 3 Satz 1 AufenthG, eine Änderung der Frist erfordern (vgl. BVerwG, Urt. v. 10.7.2012, a.a.O., Rn. 19 und 43 (Fristverkürzung); OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 24.1.2013, a.a.O., Rn. 26; VG Düsseldorf, Urt. v. 6.11.2012, a.a.O., Rn. 122 f. (Fristverlängerung)), wobei der Senat hier dahinstehen lassen kann, ob diese Änderung auf der Grundlage des § 11 Abs. 1 AufenthG erfolgen kann oder nur unter den Voraussetzungen des § 49 Abs. 1, 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG zulässig ist.

In Anwendung dieser Grundsätze besteht kein Anlass für den Senat, die Wirkungen der Ausweisung des Klägers über den in der angefochtenen Entscheidung bestimmten Zeitpunkt des 18. Juni 2014 hinaus zu befristen.

Der Kläger ist mit Verfügung vom 21. April 2008 wegen der vorausgegangenen schwerwiegenden Straftaten und der daran anknüpfenden strafrechtlichen Verurteilungen ausgewiesen worden. Die Fünfjahresfrist des § 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG ist daher hier ohne Bedeutung. Der Kläger hatte den Tatbestand der Ist-Ausweisung nach § 53 Nr. 1 AufenthG verwirklicht. Unter Berücksichtigung der hohen Rückfallgeschwindigkeit des Klägers bei der Begehung von Straftaten im Bundesgebiet, des Unrechtsgehalts dieser Taten und der bei der Tatbegehung verletzten Rechtsgüter erfordert der mit der spezialpräventiv motivierten Ausweisung verfolgte Zweck eine Fernhaltung des Klägers vom Bundesgebiet von, hierin ist dem Verwaltungsgericht zuzustimmen, durchaus sechs Jahren. Diese zur Zweckerreichung erforderliche Frist ist wegen des Verhaltens des Klägers nach der Ausweisung, insbesondere seiner mangelnden erneuten Delinquenz, nur geringfügig um drei Monate zu kürzen, denn diese Verhaltensänderung ist maßgeblich durch die Änderung der äußeren Lebensverhältnisse des Klägers bedingt, aber nicht erkennbar auf einen Wandel seiner inneren Einstellung zurückzuführen.

Die so bestimmte Frist ist insbesondere unter Berücksichtigung der sich aus Art. 6 GG ergebenden Schutzwirkungen um jedenfalls drei Monate zu kürzen. Drei Töchter des Klägers, deutsche Staatsangehörige im Alter von 13, 11 und 8 Jahren, leben im Bundesgebiet. Der Senat geht davon aus, dass der Kläger derzeit regelmäßigen Kontakt zu seinen Töchtern hält. Entgegen der Auffassung der Beklagten sind diese in einem Alter, in dem der persönliche Kontakt zum Vater auch von großer Bedeutung ist. Wenn auch die Beziehung des Klägers zu seinen deutschen Töchtern nicht durchgängig eng und intensiv war, so sind die von der geschienen Ehefrau geschilderten Bemühungen des Klägers, wieder ein gutes Verhältnis zu seinen Töchtern aufzubauen, anzuerkennen.

Bei einer danach grundsätzlich möglichen Rückkehr des Klägers nach Ablauf der vom Verwaltungsgericht bestimmten Frist, also nach dem 18. Juni 2014, ist lediglich die Strafvollstreckung aus dem Urteil des Amtsgerichts Wilhelmshaven vom 24. Januar 2000 noch nicht verjährt. Aus dieser Verurteilung ist derzeit noch ein Strafrest von 306 Tagen, also von circa 10 Monaten offen. Inwieweit der Kläger diesbezüglich mit Vollzugslockerungen oder sogar einem offenen Vollzug rechnen kann, ist nicht absehbar. Selbst wenn der Kläger den Strafrest in vollem Umfang verbüßen müsste, wären indes Besuchskontakte zwischen ihm und seinen Töchtern leichter und häufiger möglich, als dies bei seinem weiteren Verbleib in Serbien der Fall wäre. Entgegen der Auffassung der Beklagten rechtfertigt der noch offene Strafrest daher nicht die von ihr begehrte Heraufsetzung der Sperrfrist.

Schließlich besteht für den Senat - in dem durch den Berufungsantrag der Beklagten eröffneten Umfang einer Überprüfung und Änderung der angefochtenen Entscheidung - kein Anlass, die Wirkungen der Abschiebung des Klägers über den vom Verwaltungsgericht bestimmten Zeitpunkt des 18. Juni 2014 hinaus zu befristen. Dabei kann der aufgezeigte Maßstab für die Befristung der Wirkungen einer Ausweisung grundsätzlich auch für die gesondert vorzunehmende Befristung der Wirkungen einer Abschiebung herangezogen werden (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 26.3.2003, a.a.O., Rn. 33). Unter Berücksichtigung des danach maßgeblichen Zwecks der Abschiebung wird die zur Zweckerreichung erforderliche Frist einer Fernhaltung des Ausländers vom Bundesgebiet aber regelmäßig kürzer zu bemessen sein als die im Falle einer Ausweisung bestimmte Frist. Anhaltspunkte, die im vorliegenden Fall eine abweichende Betrachtung rechtfertigen würden, ergeben sich aus dem Berufungsvorbringen der Beklagten nicht. [...]