LSG Hessen

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Zitieren als:
LSG Hessen, Urteil vom 06.02.2013 - L 6 EG 1/10 - asyl.net: M20610
https://www.asyl.net/rsdb/M20610
Leitsatz:

Eine Fiktionsbescheinigung gem. § 81 Abs. 4 AufenthG ist für den Bezug von Elterngeld ausreichend. Eine Fiktion gem. § 84 Abs. 2 S. 2 AufenthG reicht dagegen nicht aus, um die Voraussetzungen für einen Elterngeldanspruch nachzuweisen.

Schlagwörter: Elterngeld, Aufenthaltstitel, Aufenthaltserlaubnis, Berechtigung zur Erwerbstätigkeit, Erwerbstätigkeit, Arbeitserlaubnis, Nebenbestimmung, Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis, Verlängerungsantrag, Fiktionsbescheinigung, Erlaubnisfiktion, Fiktionswirkung,
Normen: BEEG § 1 Abs. 1, AufenthG § 4 Abs. 2 S. 1, AufenthG § 81 Abs. 4, AufenthG § 84 Abs. 2 S. 2,
Auszüge:

[...]

Soweit die Klägerin am 14. Oktober 2005 einen Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis gestellt hat, bewirkte dies gem. § 81 Abs. 4 AufenthG die Fiktion des Fortbestandes ihres bisherigen Aufenthaltstitels bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde und damit auch die Fiktion des Fortbestandes der genannten Nebenbestimmung. Die Ablehnung des Antrages durch Bescheid der Stadt Frankfurt am Main vom 24. Juli 2006 führte zum Erlöschen der Fiktion gemäß § 81 Abs. 4 AufenthG. Mit der Klage und dem Eilantrag gegen den Ablehnungsbescheid gemäß § 84 Abs. 2 S. 2 AufenthG entstand sodann eine Fiktionswirkung dergestalt, dass für Zwecke der Aufnahme oder Ausübung einer Erwerbstätigkeit der Aufenthaltstitel unter den dort genannten Fallkonstellationen als fortbestehend galt. Eine Fiktion gemäß § 84 Abs. 2 S. 2 AufenthG reicht jedoch für den Elterngeldbezug nicht aus (so auch Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 28. Mai 2010, L 12 EG 9/10 B ER m.w.N.), wie dies ebenso für eine Duldung gem. § 60a Abs. 2 AufenthG gilt, die hier nach der Anordnung der aufschiebenden Wirkung mit Beschluss des Verwaltungsgerichts Frankfurt vom 1. Dezember 2006 von der Stadt Frankfurt am Main ausgesprochen worden ist.

Im Hinblick auf die Nebenbestimmung zur Frage einer erlaubten Erwerbstätigkeit ist jedoch zu Gunsten der Klägerin bereits vor Klageerhebung eine Änderung dadurch eingetreten, dass die Stadt Frankfurt am Main am 24. Juli 2007 und damit zeitgleich mit dem ablehnenden Bescheid eine Fiktionsbescheinigung erteilte, die bis zum 23. August 2006 befristet war, so dass diese offenbar für die Dauer der einmonatigen Rechtsbehelfsfrist Geltung haben sollte. Unabhängig von dem Rechtsgrund für die Fiktionsbescheinigung enthielt diese nunmehr die Nebenbestimmung "Erwerbstätigkeit gestattet", wie dies der seit dem 1. Januar 2005 geltenden und für die Klägerin maßgeblichen Rechtslage entsprach. Der Senat wertet die Nebenbestimmung als eigenständigen Verwaltungsakt, mit dem die frühere - noch nach den Vorschriften des AuslG erteilte - und die Erwerbstätigkeit einschränkende Nebenbestimmung aufgehoben worden ist. Insofern regelte die Stadt Frankfurt am Main im Einzelfall und mit Rechtswirkung nach außen die Änderung des bisherigen Status der Klägerin zur Erwerbstätigkeit, so dass die Voraussetzungen für einen Verwaltungsakt (§ 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - SGB X) als erfüllt anzusehen sind.

Eine weitere - und nunmehr zum Anspruch auf Elterngeld führende - Änderung trat dadurch ein, dass die Stadt Frankfurt am Main am 19. Februar 2007 den Ablehnungsbescheid vom 24. Juli 2006 aufhob. Hierdurch lebte die ursprüngliche Fiktionswirkung gemäß § 81 Abs. 4 AufenthG ab diesem Zeitpunkt wieder auf, denn die Aufhebung des Ablehnungsbescheides führte dazu, dass das Verwaltungsverfahren aufgrund des am 14. Oktober 2005 von der Klägerin gestellten Verlängerungsantrages wieder offen war. Für die Dauer des Antragsverfahrens gilt aber die Fiktion des § 81 Abs. 4 AufenthG. Mithin galt ab dem 19. Februar 2007 die Aufenthaltserlaubnis vom 30. April 2004 bis zu einer erneuten Entscheidung der Ausländerbehörde als fortbestehend, wobei die seinerzeit erteilte Nebenbestimmung zur Einschränkung der Erwerbstätigkeit aufgrund der Aufhebung im Rahmen der Fiktionsbescheinigung vom 24. Juli 2006 nicht mehr wirksam war. Die so wirksam gewordene Fiktion reicht auch im elterngeldrechtlichen Sinn aus. Insofern ist klarzustellen, dass nicht eine entsprechende Fiktionsbescheinigung dem Aufenthaltstitel gleichsteht, vielmehr führt die Fiktion des Fortbestehens des bisherigen Aufenthaltstitels dazu, dass der Berechtigte weiterhin im Besitz des Aufenthaltstitels ist (vgl. Bayerisches LSG a.a.O.). Soweit die Stadt Frankfurt am 14. März 2007 eine weitere bis zum 13. Juli 2007 befristete Fiktionsbescheinigung mit der Nebenbestimmung "Erwerbstätigkeit gestattet" ausgestellt hat, kommt dieser keine entscheidende Bedeutung zu, denn die Klägerin war bereits ab dem 19. Februar 2007 - fiktiv - wieder im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis, die zur Erwerbstätigkeit berechtigte. Eine Fiktionsbescheinigung hat ohnehin lediglich deklaratorische Bedeutung, sie dokumentiert nur den bestehenden Rechtszustand (BVerwG, Beschluss vom 21. Januar 2010, 1 B 17/09 u.a.). Im Übrigen ist der Klägerin am 7. Mai 2007 eine Aufenthaltserlaubnis mit der Nebenbestimmung "Erwerbstätigkeit gestattet" befristet bis zum 6. Mai 2010 erteilt worden, die zu dem Abhilfebescheid vom 25. Mai 2007 mit Elterngeldbezug ab dem 12. Mai 2007 führte. [...]