KG Berlin

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Zitieren als:
KG Berlin, Beschluss vom 06.12.2012 - 1 W 295/11 - asyl.net: M20549
https://www.asyl.net/rsdb/M20549
Leitsatz:

1. Ist der Name eines deutschen (zuvor türkischen) Staatsangehörigen durch Verwaltungsakt nach dem NamÄndG geändert worden, verbleibt es bei dem neuen Namen auch dann, wenn der Betroffene auf seinen Antrag durch Beschluss des türkischen Innenministeriums (unter seinem früheren Namen) wiedereingebürgert wird. Das gemäß Art. 10 Abs.1 EGBGB anzuwendende türkische Recht misst einem Statutenwechsel insoweit keine Rückwirkung bei. Der Entscheidung über die Wiedereinbürgerung kommt auch keine namensändernde Funktion zu.

2. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen erfordert es nicht, den früheren Namen als rechtmäßig geführt anzusehen, solange er nicht alle zumutbaren Anstrengungen unternommen hat, (türkische) Personaldokumente mit dem zutreffenden neuen Namen zu erhalten.

(Amtlicher Leitsatz)

Schlagwörter: Namensänderung, Namensänderungsgesetz, neuer Name, Name, Wiedereinbürgerung, allgemeines Persönlichkeitsrecht, Personaldokument, Dokumente, Folgebeurkundung, Beurkundung, Namensführung,
Normen: EGBGB Art. 10 Abs. 1, PStG § 49, BGB § 1616,
Auszüge:

[...]

Die Namensführung des Kindes bestimmt sich gemäß Art. 10 Abs.1 EGBGB nach deutschem Recht. H. besitzt die deutsche Staatsangehörigkeit (§ 4 Abs.1 S.1 StAG) auch dann noch, wenn sie nach ihrer Geburt die türkische erhalten hat. Ein unter elterlicher Sorge stehender Deutscher kann die Staatsangehörigkeit mit dem Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit gemäß § 25 Abs.1 S.1 StAG nur unter den Voraussetzungen des § 19 StAG verlieren, die hier nicht vorliegen. Insbesondere ist ein Fall des § 19 Abs.2 StAG nur gegeben, wenn Eltern, denen das Sorgerecht gemeinsam zusteht, den Erwerb der ausländischen Staatsangehörigkeit beide gleichzeitig für sich und das Kind beantragen (GK-StAR/Marx, Stand Juli 2012, § 25 Rn. 89; vgl. auch Art. 7 Abs.2 S.2 EuStAÜbk). Die deutsche Staatsangehörigkeit des Kindes geht gemäß Art. 5 Abs.1 S.2 EGBGB vor. Ohnehin ist H..., die bei ihren Eltern in Berlin lebt, i.S.v. Art. 5 Abs.1 S.1 EGBGB am engsten mit der Bundesrepublik Deutschland verbunden.

Gemäß § 1616 BGB hat H. kraft Gesetzes den Ehenamen ihrer Eltern S. als Geburtsnamen erhalten. Dieser Geburtsname hat sich nicht gemäß § 1617c Abs.1 S.1, Abs.2 Nr.1 BGB durch Erstreckung in T. geändert. Denn die Beteiligten zu 1) und 2) führen weiterhin den Ehenamen S. Sie haben mit den Erklärungen vom 1. Juli 2010 gemäß Art. 10 Abs.2 S.1 Nr.1, S.2 EGBGB für ihre (künftige) Namensführung in der Ehe das türkische Recht gewählt, so dass sie ex nunc den Namen führen, den sie nach dem Wahlstatut erhielten, wenn im Augenblick des Statutenwechsels die Eheschließung stattfände (vgl. Staudinger/Hepting, BGB, Neubearb. 2007, Art. 10 EGBGB Rn. 326, 362). Dieser Name lautet S. Nach Art. 187 S.1 des Zivilgesetzbuchs der Republik Türkei Nr. 4721 vom 22. November 2001 (wiedergegeben bei Bergmann/Ferid/Rumpf/Odendahl, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Stand Sept. 2012, Türkei S. 56 ff.) nimmt die Frau mit der Eheschließung kraft Gesetzes den Familiennamen des Mannes an (Bergmann/Ferid, a.a.O., S. 46; Brandhuber/Zeyringer/Heussler, Standesamt und Ausländer, Stand Mai 2012, Türkei S. 12 Rn. 3). Der Beteiligte zu 1) führt den Familiennamen S. (und den Vornamen C.).

Der Name des Beteiligten zu 1) unterliegt gemäß Art. 10 Abs.1 EGBGB dem türkischen Recht, das keine Rückverweisung i.S.v. Art. 4 Abs.1 S.2 EGBGB enthält (vgl. Brandhuber/Zeyringer, a.a.O., S. 6 Rn. 9 und türkisches Gesetz über das internationale Privat- und Zivilverfahrensrecht Nr. 5718 vom 27. November 2007, Übersetzung IPRax 2008, 283). Der Beteiligte zu 1) besitzt nur die türkische Staatsangehörigkeit. Denn mit der auf seinen Antrag erfolgten Wiedereinbürgerung durch die Entscheidung des türkischen Innenministeriums vom 12. März 2010 (Artt. 3 lit.a, 13 lit.a und 20 Abs.1 des im Juni 2009 in Kraft getretenen türkischen Staatsangehörigkeitsgesetzes Nr. 5901 vom 29. Mai 2009, Übersetzung StAZ 2009, 346) hat der Beteiligte zu 1) die deutsche Staatsangehörigkeit gemäß §§ 17 Abs.1 Nr.2, 25 Abs.1 S.1 StAG ohne weiteres verloren; auf die Abgabe seines deutschen Reisepasses am 17. Juni 2010 u.ä. kommt es nicht an.

Der Beteiligte zu 1) führte seit dem 11. September 2008 auch nach türkischem Recht den Namen C. S. . Das folgt aus dem Übereinkommen über die Änderung von Namen und Vornamen vom 4. September 1958 (BGBl. 1961 II, 1055, 1076), das für die Bundesrepublik Deutschland am 24. Dezember 1961 (BGBl. 1962 II, 45) und die Republik Türkei am 8. Oktober 1962 in Kraft getreten ist (Bekanntmachung vom 5. Februar 1963, BGBl. II, 172). Gemäß Artt. 1 und 3 Abs.1 des Übereinkommens wirkt eine Namensänderung, die in einem Vertragsstaat durch unanfechtbare Entscheidung der zuständigen Behörde für einen eigenen Staatsangehörigen bewilligt worden ist, ohne weiteres auch in den anderen Vertragsstaaten; die Entscheidung ist als Randvermerk in die Personenstandsbücher der Betroffenen ohne weitere Förmlichkeit einzutragen (Art. 3 Abs.2). Der Verwaltungsakt vom 11. September 2008, mit dem die Namen des Beteiligten zu 1) nach dem Gesetz über die Änderung von Familiennamen und Vornamen geändert worden sind, ist eine unanfechtbare Entscheidung der zuständigen Behörde. Der Beteiligte zu 1) war auch eigener Staatsangehöriger i.S.v. Art. 3 Abs.1 des Übereinkommens. Er besaß zum Zeitpunkt der Namensänderung ausschließlich die deutsche Staatsangehörigkeit. Mit dem Verlust der türkischen Staatsangehörigkeit stand er gemäß Art. 29 S.1 des türkischen Staatsangehörigkeitsgesetzes Nr. 403 vom 11. Februar 1964 i.d.F. vom 12. Juni 2003 (wiedergegeben bei Bergmann/Ferid, a.a.O., S. 9 ff.) einem Ausländer gleich; die in Art. 29 S.2 bestimmten Ausnahmen sind hier nicht einschlägig.

Der Name des Beteiligten zu 1) hat sich durch seine Wiedereinbürgerung nicht erneut geändert. Nach dem auch insoweit maßgebenden türkischen Recht (vgl. Palandt/Thorn, BGB, 71. Aufl., Art. 10 EGBGB Rn. 10) bewirkt der Statutenwechsel vom 12. März 2010 keine Namensänderung. Das türkische Internationale Privatrecht misst einem Statutenwechsel in Ansehung eines unter dem bisherigen Statut erworbenen Namens - ebenso wie das deutsche Recht (vgl. BGH, NJW 2001, 2469, 2471) - keine Rückwirkung bei. Die Wiedereinbürgerung als solche macht die behördliche Namensänderung vom 11. September 2008 nicht ungeschehen. Dabei ist es unerheblich, dass der Beteiligte zu 1) in dem Beschluss des türkischen Innenministeriums vom 12. März 2010 mit seinem früheren Namen bezeichnet wird. Der Entscheidung über die Einbürgerung kommt gemäß Art. 13 des Staatsangehörigkeitsgesetzes Nr. 5901 keine namensändernde Funktion zu; nach Art. 27 des Zivilgesetzbuchs Nr. 4721 erfolgt eine Änderung des Namens durch Gerichtsbeschluss. Eine hiervon abweichende Rechtspraxis in der Türkei, die bei der Anwendung des fremden Rechts zu berücksichtigen wäre (vgl. BGH, NJW 2003, 2685, 2686; Palandt/Thorn, a.a.O., v. Art. 3 EGBGB Rn. 34), ist nicht ersichtlich und ergibt sich insbesondere nicht aus der Stellungnahme des Generalkonsulats vom 11. Oktober 2011. Weiter kommt es nicht darauf an, dass in dem türkischen Personalausweis und Reisepass (und demgemäß auch in der nach § 38 AufenthG erteilten deutschen Aufenthaltserlaubnis) als Name des Beteiligten zu 1) ... B. T. angegeben ist; Name im personenstandsrechtlichen Sinn (§ 1 Abs. 1 S. 1 PStG) ist nur derjenige Name, der der betreffenden Person rechtmäßig zusteht, nicht dagegen ein anderer Name, auch wenn er üblicherweise und tatsächlich unbeanstandet geführt wird (BGHZ 44, 121, 129; Senat, StAZ 2006, 326, 327).

Der Grundsatz von Treu und Glauben, der auch im Personenstandswesen Anwendung findet (vgl. Senat, NJW-RR 1997, 643, 644), gebietet es nicht, den nunmehr von dem Beteiligten zu 1) gewünschten Namen ... B. T. als rechtmäßig geführt anzusehen. Das gilt auch soweit ihn das Standesamt ... im November 2009 nicht zutreffend über die namensrechtlichen Folgen des Staatsangehörigkeitswechsels informiert hat. Dass der Beteiligte zu 1) bei anderer Information die Staatsangehörigkeit nicht gewechselt hätte, könnte bei einem Antrag auf erneuten Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit zu berücksichtigen sein, hat aber keinen Einfluss auf die (unveränderte) Namensführung. Gleiches gilt für den Umstand, dass den Beteiligten zu 1) und 2) Kosten für die Änderung von Dokumenten (Führerschein u.ä.) entstanden sind; dies wäre allenfalls bei der Kostenerhebung für eine erneute Ausstellung zu berücksichtigen. Im Übrigen hat es der Beteiligte zu 1) nach der Mitteilung des türkischen Generalkonsulats selbst unterlassen, bei seinem Antrag auf Wiedereinbürgerung u.a. die Namensänderung anzugeben.

Schließlich folgt auch aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht, dass der Beteiligte zu 1) den Namen ... B. T. rechtmäßig führt. Er hat diesen Namen (nach dem Wechsel der Staatsangehörigkeit im März 2010) nicht im berechtigten Vertrauen auf seine Richtigkeit über einen längeren Zeitraum tatsächlich geführt (vgl. dazu BVerfG, StAZ 2001, 207, 208; Senat, Beschluss vom 5. November 2012 - 1 W 771+772/11 - juris); das Standesamt ... hat ihn unter dem 15. Oktober 2010 darauf hingewiesen, der (erneute) Wechsel der Staatsangehörigkeit habe keine Namensänderung bewirkt. Die Persönlichkeit des Beteiligten zu 1) ist auch nicht deshalb unverhältnismäßig beeinträchtigt, weil er sich - auch im Inland - nur mit türkischen Dokumenten ausweisen kann, die auf den Namen ... B. T. ausgestellt sind. Der Beteiligte zu 1) hat bislang nicht alle zumutbaren Anstrengungen unternommen, um Personaldokumente mit dem Namen C. S. zu erhalten. Insoweit obliegt es ihm, unter Vorlage der Urkunde des Bezirksamts ... vom 11. September 2008 die Eintragung der Namensänderung gemäß Art. 3 Abs. 2 des oben genannten Übereinkommens über die Änderung von Namen und Vornamen in das Personenstandsregister der Provinz ... zu beantragen, das mit dem Verlust der türkischen Staatsangehörigkeit zu schließen und mit der Wiedereinbürgerung vom 12. März 2010 wieder zu öffnen war, Art. 14 Abs.2 S.1 des türkischen Personenstandsgesetzes Nr. 5490 vom 25. April 2006 (Übersetzung der Deutschen Botschaft Ankara Bl. 49 ff. d.A.). Gemäß Art. 14 Abs. 2 S. 2 des Gesetzes sind nach der Öffnung die erfolgten Personenstandsfälle einzutragen, zu denen auch eine Namensänderung gehört. Auf dieser Grundlage könnten die türkischen Behörden dem Beteiligten zu 1) einen Reisepass mit dem nach türkischem Recht zutreffenden Namen C. S. ausstellen; insoweit ist nach Art. 10 des Gesetzes Nr. 5490 die Registereintragung maßgebend. Es steht auch nicht etwa fest, dass die Eintragung der Namensänderung in das Personenstandsregister abgelehnt werden wird. Aus dem Schreiben des Generalkonsulats vom 11. Oktober 2011 ergibt sich lediglich, dass der Beschluss über die Wiedereinbürgerung nicht nachträglich geändert werden könne, weil verwaltungsrechtlich keine Fehler begangen worden seien. [...]