1. Die Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG setzt voraus, dass der Ausländer zuletzt über eine Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug verfügte. Nicht erforderlich ist, dass die Führung der ehelichen Lebensgemeinschaft während des gesamten in § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG benannten Zeitraums auf einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug beruht.
2. Die eheliche Lebensgemeinschaft wird jedenfalls dann rechtmäßig im Bundesgebiet geführt, wenn die Ehe rechtmäßig besteht und der ausländische Ehegatte im nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG maßgeblichen Zeitraum ununterbrochen über einen Aufenthaltstitel, über ein fiktives Aufenthaltsrecht nach § 81 Abs. 3 oder 4 AufenthG oder über ein gültiges Visum verfügt.
3. Die Dauer des Besitzes eines Schengenvisums ist auf den nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG maßgeblichen Zeitraum anzurechnen.
(Amtliche Leitsätze)
[...]
Nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG in der seit dem 1. Juli 2011 geltenden Fassung wird die Aufenthaltserlaubnis des Ehegatten im Falle der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft als eigenständiges, von dem in § 28 AufenthG bezeichneten Aufenthaltszweck unabhängiges Aufenthaltsrecht verlängert, wenn die eheliche Lebensgemeinschaft seit mindestens 3 Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet bestanden hat. Gemäß § 28 Abs. 3 AufenthG ist die Regelung auf Ehegatten von Deutschen entsprechend anzuwenden. Es gibt unter Zugrundelegung des Vorbringens der Beteiligten greifbare Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller die nach der Neufassung erforderliche dreijährige Ehebestandszeit erfüllt, so dass offenbleiben kann, ob auf ihn § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG in der vor dem 1. Juli 2011 geltenden Fassung anzuwenden ist, wonach lediglich eine zweijährige Ehebestandszeit erforderlich wäre.
Die eheliche Lebensgemeinschaft wird rechtmäßig i.S.d. § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG geführt, wenn die Ehe rechtmäßig besteht und der ausländische Ehegatte im maßgeblichen Zeitraum ununterbrochen im Besitz eines Aufenthaltstitels war. Zwar knüpft die Vorschrift die Verlängerungsfähigkeit einer erteilten Aufenthaltserlaubnis daran, dass der Ausländer zuletzt über eine Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug verfügte (vgl. BVerwG, Urteil vom 4.September 2007 – 1 C 43.06 -, ZAR 2008, S. 105).
Daraus folgt aber nicht, dass der rechtmäßige Aufenthalt des Ehegatten während des gesamten Zeitraums auf einer Aufenthaltserlaubnis nach §§ 28, 30 AufenthG beruhen muss. Vielmehr genügen auch Zeiten, in denen der Ehegatte über einen sonstigen Aufenthaltstitel oder – bei späterer Titelerteilung – zunächst nur über ein fiktives Aufenthaltsrecht nach § 81 Abs. 3 oder 4 AufenthG verfügte (Kloesel/Christ/Häußer, Deutsches Aufenthalts- und Ausländerrecht, Stand: Juli 2011, § 6 Rz. 22 bis 24).
In die Zeiten des rechtmäßigen Aufenthalts einzubeziehen sind zudem Zeiten, in denen der Ausländer nach der Einreise einen Aufenthaltstitel in Form eines gültigen Visums (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AufenthG) besitzt (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. Dezember 2009 – 1 C 16.08 -, NVwZ 2010, S. 1101 (1105)).
Im Rahmen des § 31 Abs. 1 AufenthG ist anrechenbar auch ein ausschließlich zu Besuchszwecken erteiltes Schengen-Visum. Hierbei handelt es sich nach der Legaldefinition in § 6 Abs. 1 Nr. 1, 2. Alt. AufenthG um ein nach Maßgabe der Verordnung (EG) Nr. 810/2009 vom 13, Juli 2009 über einen Visakodex der Gemeinschaft (Visakodex) (vgl. hierzu auch Winkelmann, ZAR 2010, S. 213 (220 f.)) erteiltes Visum für geplante Aufenthalte im Hoheitsgebiet der Schengen-Staaten von bis zu drei Monaten innerhalb einer Frist von sechs Monaten von dem ersten Tag der Einreise an. Der Visakodex verdrängt aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionrechts die nationale Regelung des § 6 Abs. 1 bis Abs. 3 AufenthG a.F. auch in den Fällen, in denen die Behörde bereits vor Inkrafttreten des Visakodex über den Visumsantrag entschieden hat (vgl. BVerwG, Urteile vom 15. November 2011 – 1 C 15.10 , NVwZ 2012, S. 976 und vom 11. Januar 2011 – 1 C 1.10 -, NVwZ 2011, S. 1201).
Es handelt sich bei einem Schengen-Visum um einen Aufenthaltstitel i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AufenthG, der dazu führt, dass der Aufenthalt des Ausländers im Zeitraum der Gültigkeitsdauer des Visums bzw. des Verbrauchs der Aufenthaltstage als rechtmäßig anzusehen ist (vgl. Winkelmann, ZAR 2010, S. 270 (273/274)).
Dies entspricht im Übrigen auch der Rechtslage vor Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes, nach der das Schengen-Visum als Aufenthaltsgenehmigung i.S.v. § 3 Abs. 3 Satz 1 AuslG 1990 angesehen wurde (vgl. Senatsbeschluss vom 7. Oktober 2003 - 18 B 1938/03 -; VG Frankfurt, Urteil vom 30. August 2000 – 1 E 40007/908.A -, juris sowie Westphal, ZAR 1998, S. 175 (176), letzterer unter Berufung auf Teipel, ZAR 1995, S. 162 (166)).
Der Anrechenbarkeit eines Schengen-Visums im Rahmen des § 31 AufenthG steht die Wertung des § 6 Abs. 3 Satz 3 AufenthG (n.F.), wonach (nur) die Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts mit einem nationalen Visum auf die Zeiten des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis, Niederlassungserlaubnis oder Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG angerechnet wird, nicht entgegen. Dies ergibt sich aus dem Zweck, der dem Erfordernis der dreijährigen Mindestehebestandszeit gemäß § 31 AufenthG zugrundeliegt. Mit der Forderung nach einer rechtmäßigen Mindestehebestandszeit geht der Gesetzgeber im Rahmen einer nicht zu beanstandenden Betrachtungsweise davon aus, dass im Regelfall nach Ablauf der rechtmäßigen Mindestbestandszeit der Ehegatte sich so weit in der Bundesrepublik Deutschland integriert hat, dass es unverhältnismäßig wäre, seinen Aufenthalt noch zu beenden (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 1. Februar 2000 - 18 B 120/99 -, m.w.N.).
Diesem Zweck wird auch genügt, wenn der Ausländer mit einem Schengen-Visum in das Bundesgebiet einreist, während der Geltungsdauer des Visums eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 28 AufenthG beantragt, ihm diese erteilt wird und die eheliche Lebensgemeinschaft mindestens drei Jahre besteht.
Nach den genannten Grundsätzen spricht einiges dafür, dass der seit 2006 verheiratete Antragsteller die dreijährige Ehebestandszeit erfüllt: Er verfügte bei seiner am 12. April 2008 erfolgten Einreise in das Bundesgebiet über ein bis zum 9. Juli 2008 gültiges Schengen-Visum. Sein rechtzeitig vor Ablauf des Schengen-Visums, nämlich am 2. Juli 2008, gestellter Aufenthaltserlaubnisantrag löste Fiktionswirkungen i.S.d. § 81 Abs. 4 AufenthG unabhängig davon aus, ob der Antragsteller von Anfang an einen Daueraufenthalt beabsichtigt hatte (vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 1. September 2008 – 18 B 943/08 – und vom 16. Januar 2008 – 19 B 1624/07 -, beide juris).
Auf diesen Antrag wurde ihm erstmals am 31. Oktober 2008 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG erteilt, welche zuletzt bis zum 31. Oktober 2011 verlängert wurde. Die Beteiligten gehen übereinstimmend davon aus, dass die eheliche Lebensgemeinschaft des Antragstellers mit der deutschen Staatsangehörigen … (erst) durch Auszug des Antragstellers aus der gemeinsamen Wohnung (...) im April bzw. Mai 2011 aufgelöst wurde. [...]