Trotz intensiver Überwachung der äthiopischen exilpolitischen Szene in Deutschland ist nicht jeder Funktionsträger einer oppositionellen Partei oder Organisation als solcher gefährdet. Für die Gefährdung von exilpolitisch aktiven Äthiopiern ist ausschlaggebend, ob ein über die Ausübung einer Funkion hinausgehendes politisches Engagement im Heimatland und in der Bundesrepublik Deutschland auch als eine von der Masse der äthiopischen Asylbewerber abhebende, nach außen erkennbar politisch interessierte und aktive Person darstellt.
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Die EPPF ist eine Oppositionspartei, die sich zum bewaffneten Guerilla-Kampf gegen die EPRDF-Regierung bekennt und im nördlichen Äthiopien in Kampfaktionen mit unterschiedlicher Intensität involviert ist. Die Gruppierung wurde im Jahre 2000 als Zusammenschluss aus vier teilweise schon zuvor bewaffnet kämpfenden Widerstandsgruppen gegründet. Sie ist aber auch unter der äthiopischen Diaspora in Europa, den USA und anderen westlichen Ländern aktiv. Sie wird von der eritreischen Regierung mit der Absicht unterstützt, die äthiopische Regierung zu schwächen. Die EPPF gehört zu den wichtigsten illegalen Oppositionsparteien und ist in Eritrea mit Rebellengruppen und politischen Büros präsent. In der Region Amhara zählt die EPPF 200 bis 2.000 aktive Mitglieder.
In der äthiopischen exilpolitischen Szene gibt es zahlreiche Gruppierungen. Dem Auswärtigen Amt liegen keine Erkenntnisse darüber vor, dass allein die Betätigung für eine oppositionelle Organisation im Ausland bei Rückkehr nach Äthiopien zu staatlichen Repressionen führt. Grundsätzlich kommt es darauf an, ob eine Organisation von den äthiopischen Stellen als terroristisch angesehen wird und welche Art exilpolitischer Aktivität festgestellt wird (führende Position, Organisation, gewaltsame Aktionen).
Von Bedeutung ist auch, ob und wie sich eine zurückgeführte Person anschließend in Äthiopien politisch betätigt. Die bloße Asylantragstellung im Ausland bleibt, soweit bekannt, ohne Konsequenzen.
Insgesamt ist den verfahrensgegenständlichen Erkenntnisquellen zu entnehmen, dass die äthiopische Regierung die Aktivitäten der äthiopischen Diaspora genau beobachtet bzw. durch die Auslandsvertretungen beobachten lässt. Spitzenpolitiker von Exilparteien, die der Regierung missliebig sind, müssen deshalb im Falle einer Rückkehr nach Äthiopien mit Verfolgung rechnen. Auch Aktivisten, die sich im Ausland gegen die Regierung aussprechen, drohen in Äthiopien Verfolgungen auf Grund revolutionärer Absichten. Aktivitäten einfacher Parteimitglieder werden hingegen von den äthiopischen Behörden nicht registriert, da den Behörden dazu die Ressourcen fehlen. Es sind allerdings Einzelfälle bekannt geworden, in denen es trotzdem bei Rückkehr zu Verhaftungen gekommen ist. Andererseits sind zahlreiche Fälle von Mitgliedern von Exilparteien bekannt, die nach ihrer Rückkehr nach Äthiopien nicht belangt worden sind. Insgesamt lässt sich nach Auffassung des Gerichts den verfahrensgegenständlichen Erkenntnisquellen im Wesentlichen entnehmen, dass jedenfalls Personen, die bereits in Äthiopien dem äthiopischen Staat regimekritisch aufgefallen sind und die sich hier in der Bundesrepublik Deutschland exponiert politisch betätigt haben und sich nicht nur als einfache Mitglieder oder bloße Mitläufer darstellen, bei einer Rückkehr nach Äthiopien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit politisch motivierten Verfolgungsmaßnahmen zu rechnen haben, zumal der äthiopische Staat in der Bundesrepublik Deutschland die Aktivitäten äthiopischer Staatsangehöriger genau überwacht (vgl. z.B. BayVGH, Urteil vom 25.2.2008, 21 B 07.30363; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 17.8.2010, 8 A 4063/06.A).
Zwar lässt sich den diesbezüglich vorgelegten Unterlagen und dem Vorbringen des Klägers in der mündlichen Verhandlung u.a. entnehmen, dass der Kläger seit April 2012 im Vorstand der EPPF Nürnberg und dort zuständig für soziale Angelegenheiten ist; ein Nachweis der erstmals in der mündlichen Verhandlung gemachten Angabe, er sei Vorsitzender der EPPF Nürnberg, wurde nicht vorgelegt, dies ist aber letztendlich für die hierzu treffende Entscheidung nicht relevant, da der Kläger nach Auffassung des Gerichts unter Zugrundelegung der verfahrensgegenständlichen Erkenntnisquellen auch als Vorsitzender der EPPF Nürnberg und nicht nur als "sonstiges" Vorstandsmitglied bei einer Rückkehr nach Äthiopien wegen seiner exilpolitischen Aktivitäten nicht mit der erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit den Art. 60 Abs. 1 AufenthG unterfallenden Gefährdungen ausgesetzt wäre.
Gerade im Hinblick auf die nach Auskunftslage intensive Überwachung der äthiopischen exilpolitischen Szene hier in der Bundesrepublik Deutschland durch den äthiopischen Staat ist nach Ansicht des Gerichts auch den äthiopischen Behörden klar, dass solch inflationär entstehende, wie Pilze aus dem Boden schießende Vorstandsfunktionen, insbesondere wenn sie einen örtlich begrenzten Wirkungskreis aufweisen, für sich alleine betrachtet den jeweiligen Asylbewerber, wenn er sich ansonsten im Heimatland als weitgehend unpolitisch erwiesen hat, nicht zu einem aus dem Kreis der bloßen Mitläufer herausragenden, ernsthaften und damit aus Sicht des äthiopischen Staates zu verfolgenden Oppositionellen machen. Vielmehr ist nach Auffassung des Gerichts ausschlaggebend, ob der jeweilige Funktionsträger nicht allein durch das Innehaben eines Amtes, sondern durch sein davon unabhängiges politisches Engagement im Heimatland und hier in der Bundesrepublik Deutschland auch als eine von der Masse der äthiopischen Asylbewerber abhebende, nach außen erkennbar politisch interessierte und aktive Person darstellt.
Auf Grund des Eindrucks, den der Kläger in der mündlichen Verhandlung gemacht hat und unter Berücksichtigung der zur Darlegung eines politisch interessierten und engagierten Menschen völlig ungeeigneten Schilderung seiner angeblichen Vorfluchtgrunde geht das Gericht unter Zugrundelegung der verfahrensgegenständlichen Erkenntnisquellen davon aus, dass es sich beim Kläger um einen weitgehend unpolitischen Menschen handelt, der sich durch die mittels Unterlagen bewiesenen Nachfluchtaktivitaten lediglich seinen weiteren Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland sichern will, der jedoch - auch für den äthiopischen Staat erkennbar - kein ernstzunehmender Regimegegner ist. [...]