Eine rumänische Staatsangehörige ist nicht freizügigkeitsberechtigt, wenn ihr noch keine Arbeitserlaubnis-EU oder Arbeitsberechtigung-EU i.S.v. § 284 SGB III erteilt wurde. Solange kein Freizügigkeitsrecht besteht, steht ihr Kindergeld nur unter den besonderen Voraussetzungen des § 62 Abs. 2 Nr. 1 bis Nr. 3 EStG zu.
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Nach § 62 Abs. 2 EStG erhält ein nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer Kindergeld nur, wenn er
- eine Niederlassungserlaubnis (Abs. 2 Nr.1) besitzt
- oder eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, die zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt und nicht nach §§ 16, 17, 18 Abs. 2, 23 Abs. 1, 23a, 24, 25 Abs. 3 bis 5 AufenthG erteilt wurde (Abs. 2 Nr. 2)
- oder er eine Aufenthaltserlaubnis nach §§ 23 Abs. 1, 23a, 24, 25 Abs. 3 bis 5 AufenthG besitzt und sich zusätzlich seit mindestens drei Jahren rechtmäßig, gestattet oder geduldet im Bundesgebiet aufhält und im Bundesgebiet berechtigt erwerbstätig ist, laufende Geldleistungen nach dem SGB III bezieht oder Elternzeit in Anspruch nimmt (Abs. 2 Nr. 3).
Die Klägerin fällt in den Anwendungsbereich des § 62 Abs. 2 EStG, da sie im Streitzeitraum nicht freizügigkeitsberechtigt war.
Ihr ist zwar dahingehend zuzustimmen, dass Personen, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Union besitzen, grundsätzlich freizügigkeitsberechtigt sind. Dies ergibt sich u. a. aus Artikel 21 Abs. 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union -AEUV- (früher: Artikel 18 Abs. 1 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft -EGV-), wonach jeder Unionsbürger das Recht hat, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, allerdings nur vorbehaltlich der in den Verträgen und in den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen.
Für Staatsangehörige der der EU zum 01.01.2007 beigetretenen Staaten Rumänien und Bulgarien (Vertrag vom 25.04.2005, BGBl. II 2006, S. 1146) sind insbesondere die konkreten Beitrittsbedingungen zu beachten, welche in Bezug auf das Recht auf Freizügigkeit Übergangsbestimmungen vorsehen.
Nach Art. 1 Abs. 3 des EU-Beitrittsvertrages zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union und der Republik Bulgarien und Rumänien (Amtsblatt der Europäischen Union vom 21.06.2005, L 157/11) sind die Bedingungen und Einzelheiten der Aufnahme in dem diesem Vertrag beigefügten Protokoll festgelegt, dessen Bestimmungen Bestandteil des EU-Beitrittsvertrages sind. Gemäß dem mit "Übergangsmaßnahmen" überschriebenen Art. 20 des Protokolls über die Bedingungen und Einzelheiten der Aufnahme der Republik Bulgarien und Rumäniens in die Europäische Union (Amtsblatt der Europäischen Union vom 21.06.2005, L 157/29) gelten die in den Anhängen VI und VII aufgeführten Maßnahmen in Bezug auf Bulgarien und Rumänien unter den in jenen Anhängen festgelegten Bedingungen. Regelungen zur Freizügigkeit von rumänischen Staatsangehörigen befinden sich sowohl im ersten Kapitel des Anhangs VII zur "Liste nach Art. 20 des Protokolls: Übergangsmaßnahmen, Rumänien" (Amtsblatt der Europäischen Union vom 21.06.2005, L 157/138) als auch im ersten Kapitel des Anhangs VII der "Liste nach Artikel 23 der Beitrittsakte: Übergangsbestimmungen, Rumänien" (Amtsblatt der Europäischen Union vom 21.06.2005, L 157/311). In beiden Anhängen heißt unter Kapitel 1 Nr. 1 u. a., dass die Freizügigkeit von Arbeitnehmern nur vorbehaltlich der Übergangsbestimmungen der Nr. 2 bis 14 gilt. Kapitel 1 Nr. 2 beider Anhänge regelt hierzu, dass abweichend von den Artikeln 1 bis 6 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und bis zum Ende eines Zeitraums von 2 Jahren nach dem Tag des Beitritts die derzeitigen Mitgliedstaaten nationale oder sich aus bilateralen Abkommen ergebenden Maßnahmen anwenden werden, um den Zugang rumänischer Staatsangehöriger zu ihren Arbeitsmärkten zu regeln. Die derzeitigen Mitgliedstaaten können solche Maßnahmen bis zum Ende eines Zeitraums von 5 Jahren nach dem Tag des Beitritts weiter anwenden; eine Verlängerung auf 7 Jahre ist möglich (Kapitel 1 Nr. 2 und Nr. 5 beider Anhänge VII).
Hiervon hat die Bundesregierung zunächst für den Zeitraum bis zum 31.12.2011 Gebrauch gemacht (vgl. Bekanntmachung vom 17.12.2008 - Bundesanzeiger Nr. 198 vom 31.12.2008, S. 4807). Nach § 284 des Sozialgesetzbuches Drittes Buch (SGB III) dürfen die Staatsangehörigen der Staaten Bulgarien und Rumänien eine Beschäftigung nur mit Genehmigung der Bundesagentur ausüben (sog. Arbeitserlaubnis-EU bzw. Arbeitsberechtigung-EU). Das FreizügG/EU trägt dem in § 13 FreizügG/EU Rechnung, wonach das Freizügigkeitsgesetz Anwendung finden soll, wenn die Beschäftigung durch die Bundesagentur für Arbeit gem. § 284 Abs. 1 SGB III genehmigt wurde. Damit ist zumindest das Recht aus § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU, wonach Unionsbürger gemeinschaftsrechtlich freizügigkeitsberechtigt sind, wenn sie sich als Arbeitnehmer, zur Arbeitssuche oder zur Berufsausbildung in Deutschland aufhalten wollen, während der Übergangszeit stark eingeschränkt.
Da sich die Klägerin nach eigenen Angaben zwecks Arbeitssuche in Deutschland aufgehalten haben will, ist sie folglich erst dann freizügigkeitsberechtigt, wenn ihr eine Arbeitserlaubnis-EU oder eine Arbeitsberechtigung- EU i.S.d. § 284 SGB III erteilt wird. Dafür, dass eine solche Genehmigung ausgestellt wurde, ist bei summarischer Prüfung allerdings nichts ersichtlich.
Dafür, dass die Klägerin aus anderen Gründen freizügigkeitsberechtigt ist (vgl. § 2 Abs. Abs. 2 Nr. 2 – 7 FreizügG/EU), ist ebenfalls nichts ersichtlich. Zu beachten ist hierbei, dass nicht erwerbstätige Unionsbürger gem. § 4 FreizügG/EU grundsätzlich nur dann ein Aufenthaltsrecht haben, wenn sie über ausreichenden Krankenversicherungsschutz und ausreichende Existenzmittel verfügen. Die Klägerin hat nach eigenen Angaben jedoch Anträge auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II gestellt und zudem -- zumindest im November 2011 -- Leistungen nach dem AsylbLG bezogen. Dies spricht gegen das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel.
War die Klägerin nicht freizügigkeitsberechtigt, steht ihr Kindergeld nur unter den besonderen Voraussetzungen des § 62 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 EStG zu. Dass diese Voraussetzungen im Streitzeitraum vorlagen, wurde von der Klägerin nicht geltend gemacht und ist auch nicht anderweitig ersichtlich. [...]