VG Potsdam

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Zitieren als:
VG Potsdam, Urteil vom 27.06.2012 - 8 K 2220/10 - asyl.net: M19843
https://www.asyl.net/rsdb/M19843
Leitsatz:

Aus einem allgemeinen Folgenbeseitigungsanspruch kann sich auch ein Anspruch auf die Herausgabe von einbehaltenem Geld durch die Bundespolizei ergeben. Wird einbehaltenes Geld anlässlich einer Abschiebung aufgefunden, gilt die abgeschobene Person als Besitzer grundsätzlich als Eigentümer der Geldscheine (nach § 1006 Abs. 2 BGB). Für eine Folgenbeseitigung muss der frühere Besitzer den Nachweis führen, dass er Eigentümer des aufgefunden Geldes ist.

Schlagwörter: Herausgabe, Geld, Herausgabe einbehaltenen Geldes, öffentlich-rechtliche Streitigkeit, Folgenbeseitigung, Folgenbeseitigungsanspruch, Eigentümer, Abschiebung, Bundespolizei, zivilrechtliche Vermutung, Besitzvermutung,
Normen: VwGO § 40 Abs. 1 S. 1, BGB § 1006 Abs. 1 S. 1,
Auszüge:

[...]

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

1. Der Rechtsweg ist zu den Verwaltungsgerichten nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffnet, denn die Herausgabe des einbehaltenen Geldes ist eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art, die auch nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen ist. Der Kläger beruft sich im Wesentlichen auf sein Eigentumsrecht, um die Herausgabe des einbehaltenen Geldes vom Beklagten zu erwirken. Hierfür stehen neben originären zivilrechtlichen Herausgabeansprüchen auch der öffentlich-rechtliche Folgenbeseitigungsanspruch zur Verfügung. Entscheidend für die Abgrenzung ist, welche Rechtsqualität der behauptete rechtswidrige Eingriff in das Eigentum hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. März 1976 - IV C 7.74 - BVerwGE 50, 282). Der Einbehalt der 4000,- Euro, die der Kläger beansprucht, ist vom Beklagten auf der Grundlage einer Anordnung einer Sicherheitsleistung ohne vorherige Vollstreckungsanordnung und Fristsetzung nach § 66 Abs. 5 Satz 2 AufenthG vollzogen worden. Diese Vorschrift berechtigt und verpflichtet gerade den Beklagten als Träger hoheitlicher Gewalt, so dass der Streitdarum, ob die Wegnahme und das Behaltendürfen des weggenommenen Geldes ebenfalls öffentlich-rechtlich ist.

Die Rechtsstreitigkeit ist auch nicht nach § 40 Abs. 2 Satz 1 1. Alternative VwGO den ordentlichen Gerichten zugewiesen, weil der Einbehalt des Geldes keine öffentlichrechtliche Verwahrung darstellt. Eine öffentlich-rechtliche Verwahrung liegt nur vor, wenn eine Behörde eine Sache in Verfolgung öffentlicher Belange also in Erfüllung öffentlicher Aufgaben in ihre Obhut nimmt und dabei die Sache zugleich auch für den Bürger aufbewahrt (so Kopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl., § 40 Rn. 65). Ein solches Obhutsverhältnis wird im Rahmen einer angeordneten und vollstreckten Sicherheitsleistung nach § 66 Abs. 5 Satz 2 AufenthG nicht begründet, denn die Wegnahme und der Einbehalt des Geldes dient nur dem Zweck, die Befriedigung der durch die Abschiebung begründeten Kostenschuld im Wege der Verrechnung zu sichern (ebenso VGH Mannheim, Beschluss vom 2. Mai 2001 – 4 S 667/01 – zu der Parallelvorschrift des § 7a AsylbLG; zit. nach juris).

Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage statthaft, denn der Kläger kann sich unter anderem auf einen öffentlich-rechtlichen Folgenbeseitigungsanspruch als Grundlage seines Herausgabebegehrens berufen, soweit es ihm um die Beseitigung der rechtswidrigen Folgen eines hoheitlichen Tun oder Unterlassens geht und er eine Folgenbeseitigung in natura anstrebt (vgl. hierzu BVerwGE 69, 366, 371; VGH München, Beschluss vom 14. September 2001 – 20 ZB 01.2394 –; zit. nach juris), nicht aber um Schadensersatz im Wege der Amtshaftung (§ 839 BGB) oder aufgrund anderer spezialgesetzlicher Ermächtigungen (z.B. § 38 OBG Bbg, vgl. OLG Bbg, Urteil vom 25. November 2008 – 2 U 28/07 – zit. nach juris). So liegt es hier, denn der Kläger hat ausdrücklich die Herausgabe der einbehaltenen Geldsumme und nicht Schadensersatz gefordert.

Die auch für die allgemeine Leistungsklage erforderliche allgemeine Prozessvoraussetzung einer Klagebefugnis entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO ist jedenfalls insoweit gegeben, als der Kläger möglicherweise durch den Einbehalt in seinem Eigentumsrecht an den Geldscheinen verletzt ist.

2. Die Klage ist aber unbegründet, denn der Kläger hat weder aus dem allgemeinen Folgenbeseitigungsanspruch noch aus anderen zivilrechtlichen Anspruchsgrundlagen (vgl. § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG) einen Anspruch auf Herausgabe des einbehaltenen Geldes.

Voraussetzung hierfür wäre in jedem Fall, dass der Kläger Eigentümer des Geldes gewesen wäre. Davon kann nach den bekannten und aufgeklärten Umständen nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgegangen werden. Schließlich wurde das Geld bei Herrn Sy Manh ... bei seiner Abschiebung aufgefunden, so dass nach zivilrechtlichen Grundsätzen, welche im Bereich des öffentlichen Rechts ebenfalls gelten (vgl. BVerwG, stge. Rechtsprechung, zuletzt Urteil vom 26. April 2012 - 7 C 11/11 -; zit. nach juris, Rn. 3), die Eigentumsvermutung für den Besitzer der Geldscheine Herrn ... sprach, vgl. § 1006 Abs. 1 Satz 1 BGB. Hiervon durfte auch die Bundespolizei ausgehen.

Zur Überzeugung des Gerichts ist diese zivilrechtliche Vermutung nicht durch den Sachvortrag oder das Ergebnis der Beweisaufnahme erschüttert worden. Die Ansicht des Klägers, wonach die Besitzvermutung nach § 1006 Abs. 2 BGB zu seinen Gunsten greife, überzeugt nicht. Nach § 1006 Abs. 2 BGB wird zugunsten des früheren Besitzers vermutet, dass er während der Dauer des Besitzes Eigentümer der Sache gewesen sei. Diese Vermutung greift allerdings nur ein, wenn und soweit der frühere Besitz(erwerb) des Klägers an der Sache nachgewiesen oder unstreitig gegeben war. Der Kläger hat einen solchen Nachweis für die streitbefangenen einbehaltenen Geldscheine nicht führen können noch konnte ein solcher von Amts wegen ermittelt werden. Die Zeugin ... hat zwar angegeben, am Vorabend der Abschiebung gesehen zu haben, wie der Kläger Herrn ... 5000 Euro in 500-Euro-Scheinen übergeben hat, konnte aber nicht bestätigen, dass diese Geldscheine dem Kläger gehörten und mit jenen identisch waren, die bei Herrn ... am Flughafen aufgefunden und einbehalten worden sind. Vielmehr stützte sie sich allein auf das, was ihr der Kläger anschließend erzählt hat. Die von der Zeugin gegebene Darstellung, der Kläger habe Herrn ... an diesem Abend in seine Unterkunft nach Luckenwalde gefahren, bei diesem im Wohnheim übernachtet und sei am Abreisetag hinter dem Transporter hergefahren, der Herrn ... nach Schönefeld gefahren habe, ist ebenfalls nicht geeignet, die Identität der Geldscheine lückenlos zu bestätigen. Hinzukommt, dass die Besitzvermutung nach § 1006 Abs. 2 BGB gegenüber der Besitzvermutung nach Absatz 1 zurücktritt (vgl. Baldus in MüKo, BGB, 5. Aufl. § 1006 Rn. 36 m. w. N.).

Wäre Herr ... tatsächlich im Auftrage des Klägers als Kurier des Geldes tätig gewesen, wäre es ihm ein leichtes gewesen, sich in diesem Sinne gegenüber der Bundespolizei zu äußern und die angebliche Vollmacht vorzuweisen, um seinem Vorbringen Nachdruck zu verleihen. Tatsächlich hat Herr ... nichts dergleichen getan. Die dafür vom Kläger vorgebrachte Erklärung, Herr ... habe Angst vor der Bundespolizei gehabt, überzeugt nicht, denn die Zeugin gab abweichend an, Herr ... habe dem Kläger erzählt, dass die Vollmacht im Koffer und daher nicht greifbar gewesen sei. Die Zeugin ergänzte auf Vorhalt dieses Widerspruchs ihre Aussage dahin, dass im Koffer auch andere Dinge gewesen seien, die Herr ... nicht habe zeigen wollen. Diese Erläuterung überzeugt das Gericht nicht, denn entweder war der Koffer nicht greifbar, dann aber bestand kein Anlass, Angst vor einer Durchsuchung des Koffers zu haben, oder aber der Koffer war erreichbar und Herr ... hätte die Vollmacht vorweisen können.

Die vorgelegte Vollmachtsurkunde selbst belegt ebenfalls nichts, da sie vom Kläger erst am 10. November 2009 der Ausländerbehörde vorgelegt worden ist und nach Aussage der Zeugin eigentlich das Datum 18. September 2009 hätte tragen müssen. Schließlich hat der Kläger nach ihrer Aussage erst am Abend der Abschiebung ein solches Schreiben aufgesetzt. Die hierfür gegebene Begründung des Klägers, das Datum habe für ihn keine besondere Bedeutung gehabt, ist unglaubhaft. Schließlich ist es das einzige Dokument, das seinen mittelbaren Besitz am Geld belegen könnte. Wenn sich der Kläger schon keine Quittung über die Geldübergabe von Herrn ... geben ließ, wäre es naheliegend gewesen, wenigstens auf eine sorgfältig und wahrheitsgemäß ausgestellte Vollmachtsurkunde Wert zu legen.

Ferner sind weder der Vortrag des Klägers noch die Aussage der Zeugin geeignet gewesen zu erklären, wieso sich der Kläger nicht um den Verbleib der bei Herrn ... nicht aufgefundenen 1000,- Euro gekümmert hat. Hätte er ihm wirklich 5000,- Euro gegeben, wäre er diesbezüglich deutlich aktiver geworden, um seiner Mutter wenigstens dieses Geld zukommen zu lassen. Keinesfalls aber hätte er die Sache auf sich beruhen lassen. Letzteres muss aber aus der Aussage der Zeugin geschlossen werden, wonach der Kläger keinen Kontakt mehr mit Herrn ... hat. Es wäre auch naheliegend gewesen, von Herrn ... aus Vietnam eine schriftliche Bestätigung über den behaupteten Lebenssachverhalt beizubringen, um das angebliche Besitzmittlungsverhältnis zu belegen. Unklar ist auch geblieben, warum der Kläger nicht die deutlich sichere Möglichkeit einer Finanztransaktion mittels des Bankinstituts WESTERN UNION gewählt hat. Die hierfür gegebene Begründung klingt wie die ganze Geschichte gewunden und ist erst auf Vorhalt im Verfahren nachgeliefert worden. [...]