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OVG Schleswig-Holstein

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Zitieren als:
OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 23.06.2011 - 4 LB 10/10 - asyl.net: M19743
https://www.asyl.net/rsdb/M19743
Leitsatz:

1. Ein vollständiges Durchlaufen der ausländerbehördlich gestaffelt festgesetzten Mitwirkungshandlungen eines Ausländers bei der Klärung der Staatsangehörigkeit kann nicht vor Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG verlangt werden, wenn damit ein überschaubarer Zeitraum erkennbar überschritten würde.

2. Trotz gegenwärtiger vollumfänglicher Mitwirkung des Ausländers an der Klärung der Staatsangehörigkeit kann ein in der Vergangenheit liegendes Mitwirkungsfehlverhalten noch mit ursächlich für das aktuelle Ausreisehindernis sein und der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus § 25 Abs. 5 AufenthG entgegenstehen, wenn es die Ausreise wesentlich verzögert hat.

3. Das für den Tatbestand des § 25 Abs. 5 AufenthG maßgebliche Ausreisehindernis der unverschuldeten Passlosigkeit stellt sich gleichzeitig als atypischer Fall innerhalb der Regel-Ausnahme-Systematik des § 5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG (Erfüllung der Passpflicht) dar.

4. Ein atypischer Fall und damit eine Ausnahme von der Regelerteilungsvoraussetzung der Sicherung des Lebensunterhaltes gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG kommt in Betracht, wenn die mangelnde Sicherung des Lebensunterhaltes auf ausländerbehördlichen Beschränkungen der Erwerbstätigkeit beruht.

(Amtliche Leitsätze)

Schlagwörter: Mitwirkungspflicht, Klärung der Staatsangehörigkeit, ungeklärte Staatsangehörigkeit, Staatsangehörigkeit, Vergangenheit, unverschuldete Passlosigkeit, Ausreisehindernis, Passpflicht, Sicherung des Lebensunterhalts, Beschränkung der Erwerbstätigkeit, Arbeitserlaubnis, Passbeschaffung, Identitätsfeststellung, Prognose, Passersatz, Negativbescheinigung, Aserbaidschan, aktuelles Fehlverhalten, ermessensfehlerfreie Entscheidung,
Normen: AufenthG § 25 Abs. 5, AufenthG § 5 Abs. 1 Nr. 4, AufenthG § 5 Abs. 1 Nr. 1, AufenthG § 11 Abs. 1, GG Art. 6 Abs. 1, EMRK Art. 8 Abs. 1, AufenthG § 5 Abs. 1, AufenthG § 5 Abs. 2, AufenthG § 5 Abs. 1, AufenthG § 5 Abs. 3 S. 2,
Auszüge:

[...]

Die Berufung ist zulässig, jedoch nur teilweise begründet. Die Kläger haben einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung des Beklagten über ihren Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 AufenthG.

Nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG kann einem vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer abweichend von § 11 Abs. 1 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall des Ausreisehindernisses in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Nach Satz 2 der Norm soll die Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist. Eine Aufenthaltserlaubnis darf nach § 25 Abs. 5 Satz 3 und 4 AufenthG nur erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist, wobei ein Verschulden insbesondere u.a. im Falle der Nichterfüllung zumutbarer Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse vorliegt.

Die Kläger sind nach Bestandskraft ihrer ablehnenden asylrechtlichen Bescheide, Setzung einer Ausreisefrist und Androhung der Abschiebung gemäß §§ 50, 58 AufenthG vollziehbar ausreisepflichtig. Die Ausreise der Kläger zu 1), 3) und 4) ist aus tatsächlichen Gründen derzeit unmöglich, weil für sie keine Einreisedokumente eines aufnahmebereiten Staates, insbesondere der Republik Aserbaidschan als dem Land ihrer bislang durchweg von sämtlichen Beteiligten angenommenen Staatsangehörigkeit, vorliegen. Im Falle der Klägerin zu 2), für die Einreisedokumente für die Republik Aserbaidschan erklärtermaßen ausgestellt werden können, liegt ein rechtliches Ausreisehindernis in Gestalt des Rechtes auf Familie nach Art. 6 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK vor, da ihr eine Ausreise ohne die restlichen Mitglieder der Familie nicht zuzumuten ist. Davon, dass bei einer Ausreise die Familieneinheit der Kläger zu wahren wäre, geht auch der Beklagte seit jeher aus.

Im Falle der Kläger ist auch mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse des Fehlens von Einreisepapieren bzw. wegen des Anspruchs auf Wahrung der Familieneinheit nach Art. 6 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK in absehbarer Zeit nicht zu rechnen. Bei der Bewertung, ob ein dauerhaftes oder lediglich ein vorübergehendes Ausreisehindernis vorliegt, mit dessen Wegfall in absehbarer Zeit zu rechnen ist, handelt es sich um eine gerichtlich voll überprüfbare Prognoseentscheidung, für die es auf den maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung einer gerichtlichen Tatsacheninstanz ankommt (vgl. Gemeinschaftskommentar zum Aufenthaltsrecht - Burr, § 25 AufenthG Rdnr. 167; Hailbronner, AufenthG, § 25 Rdnr. 122). Regelmäßig wird von einem lediglich vorübergehenden Ausreisehindernis und damit vom Fehlen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG, dass mit dem Wegfall des Ausreisehindernisses in absehbarer Zeit nicht zu rechnen sein darf, auszugehen sein, wenn mit dem Heimatstaat des betreffenden Ausländers bereits Rückübernahmeverhandlungen aufgenommen worden sind und Ermittlungen wie etwa die Vorführung vor Vertretern der Botschaft des Heimatstaates oder entsprechenden Expertenkommissionen im Hinblick auf die Ermittlung der Staatsangehörigkeit noch andauern (vgl. Senatsbeschl. v. 07.01.2011 - 4 O 69/10 -, v. 19.11.2010 - 4 O 63/10 -, sowie v. 30.09.2010 - 4 LA 40/10 -; Hailbronner, a.a.O., Rdnr. 122). Insofern ist vor einer Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis auf Grundlage von § 25 Abs. 5 AufenthG regelmäßig eine etwa erlassene Verfügung bezüglich der erwarteten Mitwirkungshandlungen des betreffenden Ausländers "abzuarbeiten", wenn dies in einem überschaubaren Zeitraum möglich ist. Anders kann es jedoch dann liegen, wenn im Einzelfall das Passersatzpapierverfahren seitens der Vertretung des für die Einreise in Betracht kommenden Staates erkennbar verschleppt wird, trotz entsprechender Rückfragen seitens der Ausländerbehörde für eine längere Zeit keine Auskünfte zum Sachstand erteilt werden (vgl. Senatsbeschl. v. 03.11.2010 - 4 O 57/10 -) oder - wie vorliegend - nach einem verschleppten Feststellungsverfahren der Botschaft trotz einer zwischenzeitlich angenommenen hohen Wahrscheinlichkeit einer Staatsangehörigkeit des betreffenden Staates schließlich eine Negativbescheinigung erteilt wird. Ein vollständiges Durchlaufen der von der Ausländerbehörde gestaffelt festgesetzten Mitwirkungshandlungen kann nicht vor Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis verlangt werden, wenn damit ein überschaubarer Zeitraum erkennbar überschritten würde. So liegt es hier. Im Falle der Kläger sind die Beteiligten von Anfang an von einer aserbaidschanischen Staatsangehörigkeit ausgegangen: Diese wurde von den Klägern zu 1) und 2) im Rahmen ihrer Asylanträge angegeben, durch zahlreiche Detailangaben in ihren Fragebögen zur Identitätsfeststellung im Verlaufe des Asylverfahrens untermauert und sowohl seitens der Kläger als auch des Verwaltungsgerichts im Rahmen der Klageverfahren betreffend ihr Asylbegehen zugrunde gelegt. Auch nach dem Ergebnis der Befragung durch aserbaidschanische Vertreter im Landesamt für Ausländerangelegenheiten vom 29. November 2009 ist der Kläger zu 1) mit "sehr hoher Wahrscheinlichkeit" aserbaidschanischer Staatsangehöriger; für die Kläger zu 3) und 4) kann bislang von nichts anderem ausgegangen werden. Nachdem die Botschaft der Republik Aserbaidschan nunmehr im März 2011 mitgeteilt hat, eine Registrierung der Kläger zu 1), 3) und 4) als Staatsangehörige Aserbaidschans könne nicht festgestellt werden, ist ein Wegfall der Ausreisehindernisse der Pass- bzw. Passersatzpapierlosigkeit und im Falle der Klägerin zu 2) des Rechts auf Wahrung der Familieneinheit nicht mehr absehbar.

Dem steht auch nicht entgegen, dass eine Vorführung des Klägers zu 1) vor Botschaften der Ukraine und der Türkei noch nicht stattgefunden hat und für die Ukraine kurz bevorsteht. Die Kläger haben eine Staatsangehörigkeit dieser Länder stets bestritten und auch der Beklagte ist - ungeachtet einiger immerhin vorhandener Anknüpfungspunkte in den Fragebögen zur Identitätsfeststellung vom Oktober 2004 - Verrichtung des Militärdienstes des Klägers zu 1) zu Zeiten des Bestandes der UdSSR sowie Studium in der Ukraine - bislang nicht von einer entsprechenden Staatsangehörigkeit ausgegangen. Dementsprechend hat er sein Mitwirkungsverlangen in der Ordnungsverfügung vom 01. Februar 2008 so gestaffelt, dass zunächst das Staatsangehörigkeitsfeststellungsverfahren vor Vertretern der Republik Aserbaidschan abgeschlossen sein musste, bevor entsprechende Vorführungen vor Vertretern der Ukraine bzw. der Türkei eingeleitet werden sollten. Anträge der Kläger für Pässe bzw. Passersatzpapiere für diese beiden Staaten liegen seit nunmehr 2 1/2 Jahren vor. Es spricht zum gegenwärtigen Zeitpunkt nichts konkret dafür, dass diese Staatsangehörigkeitsfeststellungsverfahren erfolgreich verlaufen werden. Mithin stehen sie der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG nicht entgegen.

Angesichts der nunmehr seit über 4 Jahren (seit Februar 2007) ausgesetzten Abschiebung der Kläger liegen auch die Voraussetzungen für die Umwandlung eines Anspruchs auf Ermessensausübung über die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen in einen Regelanspruch nach § 25 Abs. 5 Satz 2 AufenthG vor. Allerdings stellt diese Norm keine selbstständige Anspruchsgrundlage für einen Aufenthaltstitel dar, sondern sie knüpft an das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen für einen Anspruch nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG an (BVerwG, Urt. v. 27.06.2006 - 1 C 14.05 -; Gemeinschaftskommentar - Burr, § 25 Rdnr. 190; Senatsbeschl. v. 21.04.2011 - 4 LA 6/11 -).

Der Senat hat keine Anhaltspunkte dafür, dass der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vorliegend die negativen Erteilungsvoraussetzungen des § 25 Abs. 5 Sätze 3 und 4 AufenthG entgegenstünden. Auch der Beklagte geht seit dem Erlass der Ordnungsverfügung vom 01. Februar 2008 und dem erfolglosen Abschluss des diesbezüglichen gerichtlichen Eilverfahrens der Kläger davon aus, dass diese ihren Mitwirkungspflichten vollumfänglich nachgekommen sind. Dass die bis zum erfolglosen Abschluss des Eilverfahrens wegen der Ordnungsverfügung zwischenzeitlich unterlassene Mitwirkung zu einer wesentlichen Verzögerung der Beseitigung der Ausreisehindernisse geführt hätte (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.11.1998 - 1 C 8.98, BVerwGE 108, 21), ist nach dem Verlauf des Verfahrens bei den aserbaidschanischen Behörden nicht ersichtlich. Allerdings setzt die negative Erteilungsvoraussetzung des § 25 Abs. 5 Sätze 3 und 4 AufenthG nicht in jedem Falle ein aktuelles Fehlverhalten des betreffenden Ausländers voraus. Eine in der Vergangenheit unterlassene Mitwirkung kann auch dann noch für das aktuell bestehende Ausreisehindernis zumindest mit kausal sein (zu diesem Erfordernis vgl. Senatsbeschlüsse v. 05.05.2010 - 4 O 25/10, v. 27.09.2010 - 4 LA 31/10 -, v. 03.11.2010 - 4 O 57/10 -, v. 11.02.2011 - 4 O 72/10 - u.v. 13.04.2011 - 4 LA 2/11 -), wenn sich aus ihr auch heute noch die Unmöglichkeit der Ausreise ergibt und sie daher weiterhin fortwirkt (vgl. BayVGH, Beschl. v. 13.11.2009 - 19 ZB 09.2530 -, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 18.02.2006 - 18 B 1772/05 -, InfAuslR 2006, 222). Ob von einer Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Ausreisehindernis ausgegangen werden kann, ist im Einzelfall zu bewerten (vgl. BVerwG, Beschl. v. 10.03.2009 - 1 B 4/09 -, juris). Ein lediglich in der Vergangenheit liegendes Mitwirkungsfehlverhalten kann dem Ausländer jedenfalls dann nicht dauerhaft entgegengehalten werden, wenn er seit längerer Zeit wieder vollumfänglich an der Klärung seiner Identität und Staatsangehörigkeit mitwirkt und sich aus der früheren Mitwirkungspflichtverletzung keine wesentliche Verzögerung seiner Ausreise mehr ergibt (noch weitergehend vgl. Dienelt in: Renner, AuslR, 9. Aufl. 2011, § 25 Rn. 88). Das ist bei den Klägern der Fall. Ein Verschulden am Bestehen der Ausreisehindernisse, für dessen Nichtvorliegen die Kläger beweis- und darlegungspflichtig sind (vgl. Senatsbeschl. v. 09.03.2011 - 4 LA 8/11 - sowie v. 26.02.2008 - 4 MB 18/08 -), lässt sich nach alledem angesichts der vom Beklagten anerkannten Erfüllung der Mitwirkungspflichten der Kläger seit März 2008 nicht erkennen.

Ein der Erteilung von Aufenthaltstiteln entgegenstehendes Verschulden der Kläger kann weiterhin nicht aus ihrer Passlosigkeit und einer daran anknüpfenden Risikobetrachtung abgeleitet werden. Die Kläger haben im Rahmen ihrer Asylverfahren vorgetragen, ihre aserbaidschanischen Papiere seien ihnen vor ihrer Ausreise in Baku bei einer polizeilichen Wohnungsdurchsuchung abgenommen worden. Hinweise darauf, dass die Kläger entgegen diesem Vorbringen doch noch über Pässe oder sonstige Unterlagen, die eine aserbaidschanische Staatsangehörigkeit belegen, verfügen könnten, haben sich bislang nicht ergeben und werden auch von dem Beklagten, der die Vorlage solcher Unterlagen im Rahmen seiner Ordnungsverfügung verlangt und zuletzt noch einmal mit Schreiben vom 20. Mai 2008 angeregt hat, nicht vorgetragen. Daraus, dass die Ausreisehindernisse für die Kläger gerade aus der nach derzeitigem Sachstand nicht widerlegten Passlosigkeit der Kläger zu 1), 3) und 4) resultieren und ein diesbezügliches Verschulden nicht vorliegt, ergibt sich gleichzeitig eine Ausnahme von der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG. Der insoweit für die Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 25 Abs. 5 AufenthG grundlegende Fall des Ausreisehindernisses wegen unverschuldeter Passlosigkeit stellt sich innerhalb der Regel-Ausnahme-Systematik des § 5 Abs. 1 AufenthG als atypischer Fall dar.

Einem Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 Satz 1 und 2 AufenthG steht derzeit jedoch die Tatsache entgegen, dass die Kläger ihren Lebensunterhalt noch nicht vollständig aus eigener Anstrengung sichern können, sondern zumindest auch noch von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz abhängig sind. Dies geht aus den im Rahmen des Antrages auf Prozesskostenhilfe vorgelegten Angaben zu ihren wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnissen hervor; dass der Lebensunterhalt nach dem in der Berufungsverhandlung erwähnten neu geschlossenen Arbeitsvertrag vollständig gesichert wäre, haben die Kläger nicht geltend gemacht. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG setzt die Erteilung eines Aufenthaltstitels in der Regel voraus, dass der Lebensunterhalt gesichert ist. Von der Anwendung dieser Erteilungsvoraussetzung kann jedoch gemäß § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG im Wege einer Ermessensentscheidung abgesehen werden.

Die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 und 2 AufenthG müssen auch bei Vorliegen aller sonstigen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Erteilung einer humanitären Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 Satz 1 und 2 AufenthG grundsätzlich erfüllt sein (vgl. GK-Burr, a.a.O., § 25; Hailbronner, a.a.O., § 5 Rdnr. 74 sowie § 25 Rdnr. 137, 139). Allerdings kommt für den Fall, dass die mangelnde Sicherung des Lebensunterhaltes gerade infolge der Einschränkungen der Erwerbstätigkeit durch die Ausländerbehörde besteht, die Annahme eines Ausnahmefalls zur Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG in Betracht, weil dann die fehlende Möglichkeit einer eigenständigen Lebensunterhaltssicherung dem Ausländer aufenthaltsrechtlich nicht entgegengehalten werden kann (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschl. vom 10.09.2001 - 11 S 2212/00 -; hierzu bereits Senatsbeschl. v. 23.02.2011 - 4 LA 44/10 -; GK-Bäuerle, a.a.O., § 5 AufenthG, Rdnr. 70 f.; Hailbronner, a.a.O., § 5 Rdnr. 75). Vorliegend war den Klägern zu 1) und 2) eine Erwerbstätigkeit im Rahmen der ihnen erteilten Duldungen bis Oktober 2008 generell untersagt. Einen Antrag des Klägers zu 1) auf Erteilung einer Erlaubnis für eine Tätigkeit als Küchenhilfe zur teilweisen Sicherung des Lebensunterhaltes der Familie vom Mai 2008 lehnte der Beklagte nach negativer Stellungnahme der Bundesagentur für Arbeit ausweislich der Ausländerakte ab. Seit November 2008 ist den Klägern zu 1) und 2) eine Erwerbstätigkeit gestattet (zunächst mit Erlaubnis der Ausländerbehörde, nunmehr ohne eine solche). Weitere negative Bescheide der Beklagten auf Anträge der Kläger zu 1) und 2) auf Erteilung einer solchen Erlaubnis sind aus den Verwaltungsvorgängen nicht ersichtlich und von den insoweit darlegungs- und beweispflichtigen Klägern auch nicht vorgetragen. Für eine Umkehrung des Regel-Ausnahmeverhältnisses im Rahmen des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG fehlt es daher an einer tragfähigen Grundlage.

Die Kläger haben jedoch einen Anspruch aus §§ 25 Abs. 5 i.V.m. § 5 Abs. 1 und 3 Satz 2 auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über ein Absehen von der Anwendung der allgemeinen Erteilungsvoraussetzung der Lebensunterhaltssicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG, soweit sie noch auf öffentliche Leistungen angewiesen sind. Der Beklagte hat sein diesbezügliches Ermessen bislang nicht ausgeübt, so dass er hierzu - entsprechend dem Hilfsantrag der Kläger auf Bescheidung - zu verurteilen war. Im Rahmen einer Ermessensausübung wird der Beklagte die humanitäre Intention des § 25 Abs. 5 Satz 2 AufenthG, wonach die Erteilung von Kettenduldungen durch einen Aufenthaltstitel abgelöst werden soll, sowie die typischen Schwierigkeiten des für eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG in Betracht kommenden Personenkreises bei der Erfüllung der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 AufenthG mit zu berücksichtigen und angemessen zu gewichten haben. Erforderlich ist eine umfassende Interessenabwägung unter Einbeziehung auch des Grades der Verantwortlichkeit der Kläger für die derzeitige mangelnde Sicherung ihres Lebensunterhalts (vgl. hierzu GK-Burr, a.a.O., § 25 Rdnr. 188 sowie GK-Bäuerle, a.a.O., § 25 Rdnr.186; Hailbronner, a.a.O., § 25 Rdnr. 137). Zu berücksichtigen ist insbesondere, dass eine Integration der Kläger zu 1) und 2) in den Arbeitsmarkt während der Dauer ihres Asylverfahrens sowie nachfolgend durch Beschränkungen im Rahmen der ihnen erteilten Duldungen erheblich erschwert war und sie darüber hinaus für zwei kleinere Kinder zu sorgen haben. [...]