Geänderte Kammerrechtsprechung zur Kostenquote in asylrechtlichen Verfahren: Die Asyl- und/oder Flüchtlingsanerkennung werden im Verhältnis zu allen anderen Abschiebungsverboten (§ 60 Abs. 2 - 7 AufenthG) mit dem hälftigen Wert bemessen, wobei auch zwischen einzelnen Abschiebungsverboten nicht unterschieden wird. Wird beim Streit um mehrere Abschiebungsverbote nur eines zugesprochen, so wird dies mit dem hälftigen Wert bemessen. Die isolierte Aufhebung (nur) der Ablehnung als "offensichtlich unbegründet" wird mit 1/10 bemessen.
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Nachdem die Kläger die Klage zurückgenommen haben, soweit sie über § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG hinausgehenden Flüchtlingsschutz beantragt hatten, und die Parteien im übrigen den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, war nur noch über die Kosten des Rechtsstreits zu entscheiden. Hiernach haben die Kläger insgesamt einerseits und die Beklagte andererseits die Kosten jeweils hälftig zu tragen (§§ 155 Abs. 2, 159 Satz 1, 161 Abs. 2 VwGO, § 100 Abs. 1
ZPO).
Dies entspricht der geänderten neuen Rechtsprechung der Kammer, die Kostenquotelung in asylrechtlichen Verfahren wie folgt vorzunehmen:
- Dem Asylanspruch (Art. 16 a Abs. 1 GG) wird im Verhältnis zur Flüchtlingseigenschaft (§ 3 Abs. 1 AsylVfG i.V.m. § 60 Abs. 1 AufenthG) kein eigenständiger Kostenwert beigelegt;
- Asyl- und/oder Flüchtlingsschutzanspruch werden im Verhältnis zu allen anderen Abschiebungsschutzansprüchen (§ 60 Abs. 2 - 7 AufenthG) mit dem hälftigen Wert bemessen, wobei auch zwischen den einzelnen Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 - 7 AufenthG nicht unterschieden wird;
- wird beim Streit nur um die Zuerkennung mehrerer der Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 - 7 AufenthG auch nur eines zugesprochen, so wird dies mit dem hälftigen Wert bemessen;
- die isolierte Aufhebung der Ablehnung als offensichtlich unbegründet (§ 30 AsylVfG) wird mit 1/10 bemessen.
Dem liegen folgende Erwägungen zugrunde:
Das Gesetz differenziert in § 30 RVG hinsichtlich der Gegenstandswerte lediglich zwischen Klageverfahren, die die Asylanerkennung und/oder die Flüchtlingsanerkennung nach § 60 Abs. 1 AufenthG betreffen einerseits und sonstigen Klageverfahren andererseits (vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. Februar 2007, Az.: 1 C 22/04). Den ersteren wird mit 3.000,- Euro einheitlich der doppelte Wert zugemessen wie den sonstigen mit 1.500,- Euro.
Der Gesetzgeber sieht demnach keinen Wertunterschied zwischen Verfahren, bei denen sowohl die Asylanerkennung als auch die Flüchtlingsanerkennung nach § 60 Abs. 1 AufenthG begehrt wird und solchen, bei denen nur die Flüchtlingsanerkennung nach § 60 Abs. 1 AufenthG gegenständlich ist. Daher ist ein unbegründeter Antrag auf Asylanerkennung im Verhältnis zur Flüchtlingsanerkennung nach § 60 Abs. 1 AufenthG keine Zuvielforderung in kostenrechtlicher Sicht. Dies ergibt sich auch aus der Kontrollüberlegung, dass der unbegründete Antrag auf Asylanerkennung keine Mehrkosten verursacht, da ihm keine Steigerung des Gegenstandswertes innewohnt. Ferner hat beides die gleiche Rechtsfolge nach § 25 Abs. 1 Satz 1 bzw. Abs. 2 Satz 1 AufenthG – "ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen". Das vom Ausländer letztendlich verfolgte Rechtsschutzbegehr zielt bei lebensnaher Betrachtung gerade auf diese Aufenthaltserlaubnis ab.
Aus den gleichen Erwägungen ist auch keine kostenmäßige Differenzierung zwischen den nachrangigen Abschiebungshindernissen (§ 60 Abs. 2 - 7 AufenthG) zu machen. Auch diesen hat der Gesetzgeber ohne weitere Differenzierung den gleichen Gegenstandswert zugemessen und an ihr Vorliegen in § 25 Abs. 3 AufenthG eine einheitliche Rechtsfolge geknüpft.
Ein Obsiegen mit einem nachrangigen Abschiebungsschutzanspruch (§ 60 Abs. 2 - 7 AufenthG) stellt im Verhältnis zu dem darüber hinaus geltend gemachten Anspruch auf Asylanerkennung und/oder die Flüchtlingsanerkennung nach § 3 Abs. 1 AsylVfG ein hälftiges Obsiegen und Unterliegen dar. Dies folgt ebenfalls der Gegenstandswertbestimmung in § 30 RVG. Hätte der Ausländer von Anfang an nur den begründeten (nachrangigen) Abschiebungsschutzanspruch geltend gemacht, hätte dies Kosten aus dem halben Gegenstandswert verursacht. Entsprechend ist das Unterliegen zu bewerten. Im Übrigen dürfte es dem klagenden Ausländer in letzter Konsequenz vorrangig darauf ankommen, dass er überhaupt ein Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik Deutschland zuerkannt bekommt. Dem würde es nicht gerecht werden, einen solchen Ausgang des Rechtsstreites mit einem mehr als hälftigen Unterliegen zu bewerten.
Das Begehren der isolierten Aufhebung der Ablehnung als "offensichtlich unbegründet" nach § 30 AsylVfG, ohne dass die Ablehnung selbst (erfolgreich) angegriffen würde, bemisst die Kammer mit 1/10. Eine isolierte Aufhebung einer solchen Ablehnung als offensichtlich unbegründet kann ohnehin nur erfolgen, wenn das Asyl- oder/und Flüchtlingsschutzgesuch erfolglos blieb. Dann kommt dem Offensichtlichkeitsausspruch jedoch nur ein an die Folge des § 10 Abs. 3 AufenthG anknüpfender eingeschränkter eigener Wert zu. Dieser stellt gleichsam einen "Vollstreckungsvorteil" hinsichtlich der angedrohten Abschiebung dar. Dessen Wertigkeit bleibt weit hinter der für die klagende Partei bedeutsamen Entscheidung über die Asyl- und Flüchtlingsanerkennung zurück und wirkt sich allein in aufenthaltsrechtlicher Beziehung (vgl. § 60a AufenthG) aus. [...]