1. Keine Flüchtlingsanerkennung für staatenlosen Kurden aus Syrien. Nach den vorliegenden Erkenntnissen ist auch nach dem Inkrafttreten des deutsch-syrischen Rückübernahmeabkommen keine tatsächliche Möglichkeit der Rückführung für Angehörige der Gruppen der Maktumin und der Ajanib möglich. Die Wiedereinreiseverweigerung ist jedoch nicht als politische Verfolgung anzusehen, da keine generelle Behördenpraxis in Syrien feststellbar ist, die in asylrelevanter Weise gegen die kurdische Volkszugehörigkeit gerichtet ist. Ob sich die Rechtspraxis des syrischen Staatsangehörigkeitsrechts und das Wiedereinreiseverbot in einem allgemeinen Sinne in eine restriktive Kurdenpolitik einfügt und siedlungspolitischen Zielen des syrischen Staates entgegenkommt, ist für die qualifizierte politische Verfolgung im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG ebenso unerheblich wie ein mögliches Interesse des syrischen Staates, potentielle Unruhestifter fernzuhalten.
2. Auch kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG, da sich in Syrien auch nach den jüngsten Geschehnissen kein landesweiter bewaffneter Konflikt feststellen lässt. Die Demonstrationen der Regimegegner wie auch die gewaltsamen Aktionen der syrischen Sicherheitskräfte beschränken sich auf einige Städte im Süden und Westen des Landes. Die von Kurden organisierten Demonstrationen in der Provinz Al-Hassake sind hingegen weitgehend friedlich verlaufen.
[...]
Auf die zulässige Berufung der Beklagten ist das Urteil des Verwaltungsgerichts vom26. Oktober 2009 zu ändern. Der Bescheid der Beklagten vom 9. Juni 2008 ist auch soweit die Anerkennung des Klägers als Flüchtling abgelehnt worden ist, rechtmäßig verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Dem Kläger steht kein Anspruch auf die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft zu. [...]
Der Kläger kann sich hinsichtlich der Feststellung der Flüchtlingseigenschaft i.S.d. § 3 AsylVfG weder auf das Wiedereinreiseverbot für Staatenlose nach Syrien noch auf individuelle Gründe berufen.
In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass auch der Entzug der Staatsangehörigkeit eine asylerhebliche Verfolgung darstellen kann (vgl. Urt. v. 24.10.1995 - 9 C 3.95 -, NVwZ-RR 1996, 602). [...]
Allerdings stellt eine Ausbürgerung nur dann eine Verfolgung im Sinne von § 60 Abs. 1 AufenthG dar, wenn sie in Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale im Sinne dieser Vorschrift erfolgt. Eine Ausbürgerung, die lediglich eine ordnungsrechtliche Sanktion für die Verletzung einer alle Staatsbürger gleichermaßen treffenden Pflicht darstellt, kann nicht als flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung angesehen werden. Wenn die Verfolgung gerade in einer asylerheblichen Herbeiführung der Staatenlosigkeit durch den Staat der bisherigen Staatsangehörigkeit liegt, ist dies flüchtlingsrechtlich als (fortdauernde) Verfolgung durch eben diesen Staat der (bisherigen) Staatsangehörigkeit anzusehen. [...]
Auch bei einer festgestellten Staatenlosigkeit ist - in Übereinstimmung mit der von der Beklagten vertretenen Auffassung - eine inhaltliche Prüfung des Anspruchs auf Flüchtlingsanerkennung sowie grundsätzlich auch des subsidiären Schutzes nach Art. 15 Iit. c QRL vorzunehmen. Dies gilt auch dann, wenn anzunehmen ist, dass der Asylbewerber auf absehbare Zeit nicht in das Land seines früheren Aufenthalts zurückkehren kann. Der insoweit anderslautenden bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Urt. v. 22. Februar 2005 - 1 C 17.03 -, NVwZ 2005, 1191) kann im Hinblick auf Art. 2 Iit. c QRL ("oder einen Staatenlosen, der sich aus denselben vorgenannten Gründen außerhalb des Landes seines vorherigen gewöhnlichen Aufenthalts befindet und nicht dorthin zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht dorthin zurückkehren will") nicht weiter gefolgt werden. Anders als die frühere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts stellt die Qualifikationsrichtlinie im Hinblick auf die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft auf den vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt ab.
Der Senat geht in Anwendung der vorgenannten Grundsätze davon aus, dass der Kläger Staatenloser ist, weil er vom syrischen Staat nicht als syrischer Staatsangehöriger angesehen wird und weil er auch keine andere Staatsangehörigkeit besitzt. [...]
Zum einen gibt es eine Gruppe von in Syrien lebenden Kurden, denen im Rahmen einer in der Provinz Al-Hassake - per Gesetzesdekret Nr. 93 - durchgeführten Sondervolkszählung vom 23. August 1962 die syrische Staatsangehörigkeit "aberkannt" wurde bzw. bei denen festgestellt worden ist, dass sie in Syrien ansässig seien, ohne die syrische Staatsangehörigkeit zu besitzen. [...] Diese registrierten Personen besitzen keine umfassenden staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten; ihnen ist u.a. die Teilnahme an Wahlen sowie die Möglichkeit zum Eigentumserwerb von Land und die Ausübung selbständiger Gewerbe untersagt. Nach einer von den Standesämtern in der Provinz Al Hassake durchgeführten Zählung betrug die Zahl der Ajanib im Jahr 2008 ca. 154.000 Personen (Kurdwatch, Staatenlose Kurden in Syrien, März 2010). Erst mit Beginn des Jahres 2011 hat die syrische Regierung einige Änderungen hinsichtlich dieser Personengruppe angekündigt. [...] Ferner hat der syrische Staatspräsident Assad entschieden, dass die registrierten Staatenlosen die syrische Staatsangehörigkeit erhalten sollen. Diese Maßnahme bedarf zu ihrer Umsetzung noch der Veröffentlichung im Amtsblatt, welche noch nicht vorgenommen wurde (Kurdwatch, Meldung vom 8. April 2011). Ferner ist offen, ob und wie auch die derzeit im Ausland lebenden registrierten Staatenlosen die syrische Staatsangehörigkeit erhalten können.[...]
Weiter gibt es in Syrien eine Gruppe von Kurden, die als sog. Unregistrierte bzw. Nichtregistrierte (arabisch: Maktumin bzw. Makhtoumin) gelten. Sie setzt sich zusammen aus Kurden, die bei der Volkszählung im Jahre 1962 nicht erfasst worden sind, Kindern aus Verbindungen zwischen Nichtregistrierten, von männlichen "Ausländern" oder Nichtregistrierten mit syrischen Staatsbürgerinnen sowie aus Verbindungen zwischen Ausländern und Nichtregistrierten. Auch bei diesen Kurden kann es sich um Personen handeln, die ihre syrische Staatsangehörigkeit, die sie mit der 1946 erfolgten Gründung des syrischen Staates erlangt hatten, wieder verloren haben, indem sie, obwohl sie seit langem in den ihnen angestammten Regionen lebten, bei der Volkszählung von 1962 nicht als syrische Staatsbürger (und auch nicht als "Ausländer") erfasst wurden. Bei der Gruppe der "Unregistrierten" in Syrien handelt es sich nicht selten aber auch um Flüchtlinge oder um (später) zugewanderte Personen, bei denen eine türkische oder irakische Staatsangehörigkeit gegeben ist. [...]
Die Registrierung der Kurden als syrische Staatsangehörige und ihre Erfassung als "Ausländer" bzw. ihre Nichtregistrierung erfolgte willkürlich. Den konkreten Nachweis für die Behauptung, dass es sich bei den als Ausländer eingetragenen bzw. nicht registrierten Kurden um Flüchtlinge oder (später) Zugewanderte (Kurden aus der Türkei oder dem Irak) gehandelt hat, ist die syrische Regierung stets schuldig geblieben (Kurdwatch, Staatenlose Kurden in Syrien, März 2010).
Vor dem Hintergrund der aufgezeigten historischen Ereignisse im Jahre 1962 und der seither in Syrien lebenden unterschiedlichen Gruppierungen von Kurden ist der Senat davon überzeugt, dass der Kläger sog. registrierter Ausländer ist. Der Senat hat keine Zweifel daran, dass der von ihm vorgelegte Auszug aus dem Zivilregister der Provinz Al-Hassake vom 17. November 2005 authentisch ist.
Ob der Kläger aufgrund der derzeitigen Erkenntnislage eine rechtliche oder tatsächliche Möglichkeit hat, nach Syrien zurückzukehren, mag dahinstehen. [...]
Jedenfalls ist in dem Umstand, dass die syrischen Behörden staatenlosen Kurden die Rückkehr nach Syrien verwehren, keine politische Verfolgung i.S. des § 60 Abs.1 AufenthG zu sehen. Das Wiedereinreiseverbot für die genannte Personengruppe nach illegaler Ausreise lässt sich nämlich nicht auf die in § 60 Abs. 1 AufenthG aufgeführten politischen Gründe zurückführen (einhellige obergerichtliche Rechtsprechung: VGH Kassel, Beschl. v. 06.08.2009 - 3 A 2842/05. A -, juris; OVG Münster, Urt. v. 29.08.2007 - 15 A 331/04.A -; OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 22.12.2006 - 3 B 19.05 -, juris, OVG LSA, Urt. v. 22.03.2006 - 3 L 327/03 -, juris, jeweils m.w.N.).
In der Rechtsprechung ist - wie bereits zur Frage der Ausbürgerungen - geklärt, dass auch "Aussperrungen" und "Ausgrenzungen" in Gestalt von Rückkehrverweigerungen politische Verfolgung im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG darstellen können, wenn sie wegen einer der in § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG genannten Merkmale des Betroffenen erfolgen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 24.05.2006 - 1 B 9.06 -, juris; Urt. v. 24.10.1995 - 9 C 3.95 -, NVwZ-RR 1996, 602). Dasselbe gilt im Rahmen des § 60 Abs. 1 AufenthG. Die Verweigerung der Wiedereinreise muss also auf die Rasse, Religion, die Nationalität bzw. Staatsangehörigkeit, die Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder auf die politische Überzeugung des Asylbewerbers zielen. Dies wird regelmäßig anzunehmen sein, wenn die Aussperrung Staatsangehörige betrifft, was allerdings nicht ausschließt, dass auch in diesen Fällen die Rückkehrverweigerung auf anderen als asylerheblichen Gründe beruht. Bei Staatenlosen und Personen, die nicht die Staatsangehörigkeit des Landes besitzen, in welches sie ausreisen bzw. abgeschoben werden sollen, wird eine solche Maßnahme hingegen nicht selten auf anderen als asylrelevanten Gründen beruhen, weil beispielsweise der Staat ein Interesse daran hat, die durch den Aufenthalt entstandene wirtschaftliche Belastung zu mindern oder Gefahren für die Staatssicherheit durch potentielle Unruhestifter vorzubeugen, oder weil er schlicht keine Veranlassung sieht, Staatenlose, die freiwillig das Land verlassen haben, weiterhin aufzunehmen (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.10.1995 - 9 C 75.95 NVwZ-RR 1996, 471). In den letztgenannten Fallgruppen stehen grundsätzlich ordnungspolitische Erwägungen im Vordergrund, die ihrer objektiven Gerichtetheit nach nicht an asylerhebliche Persönlichkeitsmerkmale anknüpfen.
Der Senat vermag aufgrund der vorliegenden Erkenntnisquellen nicht festzustellen, dass das Wiedereinreiseverbot für die Kurden aus Syrien, die dort als staatenlos gelten, im Sinne einer objektiven Gerichtetheit an die kurdische Ethnie anknüpft. Gegen eine solche Annahme spricht bereits der Umstand, dass nicht sämtliche in Syrien lebenden Kurden, die das Land illegal verlassen haben und wieder nach Syrien einreisen wollen, von diesem Verbot betroffen sind. Eine solche unterschiedslose Behandlung wäre jedoch für den Fall anzunehmen, dass es dem syrischen Staat darum ginge, die der kurdischen Volksgruppe angehörenden Personen wegen ihrer Ethnie auszusperren. Die Restriktionen beschränken sich indessen auf jene Personen kurdischer Volkszugehörigkeit, die keine syrische Staatsangehörigkeit besitzen. Dies entspricht - wie oben bereits ausgeführt - einem Anteil von derzeit ca. 15 % der kurdischen Volksgruppe in Syrien. Betroffen ist somit - gemessen an der Gesamtzahl der in Syrien lebenden Kurden - nur eine relativ kleine Anzahl von Kurden. Dies lässt darauf schließen, dass der Anknüpfungspunkt für die Restriktionen bei der Wiedereinreise in eben diesen Eigenschaften - Staatenlosigkeit, illegaler Aufenthalt in Syrien - zu suchen ist.
Gegen eine an die Ethnie anknüpfende Motivation des Wiedereinreiseverbotes sprechen auch die derzeit bestehenden allgemeinen politischen Verhältnisse der kurdischen Volksgruppe in Syrien. Danach jedenfalls kann nicht davon ausgegangen werden, dass die in Syrien lebende kurdische Minderheit, auch sofern sie wie der Kläger yezidischen Glaubens ist, einer politischen Verfolgung ausgesetzt ist (vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 24.03.2009 - 2 LB 643/07 -, juris m.w.N.; Hajo/Savelsberg - Europäisches Zentrum für Kurdische Studien - Gutachten an das Bundesasylamt Österreich vom 19.05.2010; Kurdwatch, Yeziden in Syrien, Dezember 2010). Die in Syrien lebenden Kurden, die die syrische Staatsangehörigkeit besitzen, sind mit allen staatsbürgerlichen Rechten ausgestattet und grundsätzlich keinen staatlichen Repressionsmaßnahmen und Diskriminierungen ausgesetzt, die über das hinausgingen, was Minderheiten aufgrund der im Herkunftsland bestehenden politischen Verhältnisse im Allgemeinen hinzunehmen haben. Die im Gesetz angelegte Gleichstellung aller syrischen Staatsbürger und die auf Ausgleich angelegte staatliche Politik schließen es allerdings nicht aus, dass unter der sunnitisch-arabischen Bevölkerungsmehrheit Vorbehalte gegenüber ethnischen und religiösen Minderheiten bestehen und ihnen mit Misstrauen begegnet wird. Auch müssen Minderheiten wie die Kurden sich des Arabischen als Amtssprache bedienen. Ein muttersprachlicher Unterricht wird nicht angeboten. Der Freiraum, weitergehende Rechte in Bezug auf ihre eigene religiöse und kulturelle Identität einzufordern, ist generell stark eingeschränkt (Kurdwatch, Die Kurdenpolitik der syrischen Regierung, 2009). Dies ändert aber nichts an der grundsätzlichen Bereitschaft des syrischen Staates, die Angehörigen der Minderheiten als Staatsbürger zu akzeptieren, sofern sie denn die syrische Staatsangehörigkeit besitzen.
Angesichts der allgemeinen Haltung des syrischen Staates zu seinen Minderheiten lassen sich auch Nachteile, denen die sog. Ausländer oder Staatenlose in Syrien ausgesetzt sind (z.B. fehlendes Wahlrecht, kein Recht auf Landbesitz und zur Ausübung eines selbständigen Gewerbes), nicht als ethnisch oder religiös motivierte politische Verfolgung klassifizieren. Die Ursache für ihre Schlechterstellung liegt zur Überzeugung des Senats vielmehr darin begründet, dass sie von ihrem Status her keine syrischen Staatsbürger sind und sich in Syrien illegal aufhalten bzw. nur geduldet sind. Dies hat zur Folge, dass sie - wie dies regelmäßig auch in anderen Staaten der Fall ist - weniger Rechte besitzen und eben auch in ihren Möglichkeiten beschränkt sind, sich wirtschaftlich und in sonstiger Weise zu betätigen. [...]
Der Senat hat bereits erhebliche Zweifel daran, dass es sich bei der 1962 erfolgten außerordentlichen Volkszählung um einen Akt politischer Verfolgung gehandelt hat. Denn auch wenn man einmal davon ausgeht, dass von dieser Maßnahmen nicht nur überwiegend, sondern ausschließlich Kurden betroffen waren - was hier auf sich beruhen kann - vermag dieser Umstand nicht schon die Annahme zu rechtfertigen, dass der mit der Volkszählung einhergehende Verlust der Staatsangehörigkeit an asylerhebliche Persönlichkeitsmerkmale - hier die kurdische Volkszugehörigkeit - anknüpfte. Eine solche Annahme begegnet bereits deshalb Zweifeln, weil hiervon nicht sämtliche in Syrien lebenden Kurden betroffen waren, sondern es in dem Gebiet der Jezirah (Provinz Hassake) unbestritten auch kurdische Volkszugehörige gab, die als syrische Staatsangehörige registriert wurden, soweit sie nachweisen konnten, dass sie bereits vor 1945 in Syrien lebten. Die Volkszählung war insoweit von einer willkürlichen Vorgehensweise der syrischen Stellen gekennzeichnet (vgl. Kurdwatch, Staatenlose Kurden in Syrien, März 2010), was für sich genommen nicht ausreichend ist, um ihr den Charakter einer politischen Verfolgung beizumessen. Soweit die Volkszählung schließlich mit einer sog. Arabisierungspolitik der syrischen Regierung einherging bzw. Teil derselben war, lässt sich hieraus ebenfalls nicht schlussfolgern, dass es sich bei dem Zensus um eine Maßnahme gehandelt hat, die als politische Verfolgung zu qualifizieren sind. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Volkszählung sowie die durchgeführten Zwangsumsiedlungen zugleich von der Besorgnis des syrischen Staates getragen waren, dass Kurden illegal aus der Türkei in das Gebiet der Jezirah zugewandert seien, um den "arabischen Charakter" der Provinz zu zerstören, und dass es aus der Sicht des syrischen Staates zu verhindern galt, die arabischen Mitbürger in die Rolle einer Minderheit geraten zu lassen. Hierbei ist auch festzuhalten, dass es zu einer gewaltsamen Vertreibung der kurdischen Bevölkerung, die sich der Zwangsumsiedlung widersetzte, nicht kam (Kurdwatch, Die Kurdenpolitik der syrischen Regierung, 2009). Eine solche staatlich veranlasste Binnenmigration bei gleichzeitigem Zensus mit dem Ziel der Registrierung der eigenen Staatsangehörigen ist im Hinblick auf die ihr zugrunde liegenden Intention von einer politischen Verfolgung, die auf eine an die Ethnie anknüpfenden Vertreibung, Ausbürgerung oder Ausgrenzung abzielt, zu unterscheiden.
Selbst dann, wenn die 1962 erfolgte "Ausbürgerung" kurdischer Volkszugehöriger ein Akt politischer Verfolgung gewesen sein sollte, rechtfertigt allein der Umstand, dass auch die Nachkommen dieser Personengruppe von dieser Maßnahme (noch) betroffen sind, nicht schon die Annahme einer auch hinsichtlich der Abkömmlinge fortbestehenden politischen Verfolgung. Zwar knüpft der Status der Nachkommen daran an, dass der Vater des Klägers bzw. dessen Eltern 1962 ihre Staatsbürgerschaft verloren haben, indem sie als "Ausländer" registriert wurden. Damit wirkt die staatliche Maßnahme hinsichtlich der damit einhergehenden Rechtsfolgen in Bezug auf den Verlust der Staatsangehörigkeitsrechte fort, so dass es für den jeweiligen Abkömmling hinsichtlich der Art und Intensität der Rechtsgutbeeinträchtigung nicht an den für eine asylrelevante Verfolgungsmaßnahme erforderlichen Voraussetzungen fehlt. Gleichwohl lässt sich nicht feststellen, dass es sich hinsichtlich der für die Nachkommen der 1962 "ausgebürgerten" Personen fortwirkenden Rechtsgutbeeinträchtigung um eine staatliche Maßnahme handelt, die - wie es für eine asylrelevante politische Verfolgung erforderliche wäre - hinsichtlich ihrer Zielgerichtetheit an ihre kurdische Volkszugehörigkeit anknüpft. Es lässt sich auch unter Berücksichtigung der für genannten Personenkreis und ihre Abkömmlinge fortbestehenden Beeinträchtigung nicht davon ausgehen, dass es dem syrischen Staat auch heute noch darum geht, die von der Volkszählung selbst oder infolge ihrer Abstammung (mittelbar) betroffenen Kurden in Syrien wegen ihrer Ethnie auszugrenzen. Hierfür bestehen nach Auffassung des Senats keine ausreichenden Anhaltspunkte. Nach gefestigter obergerichtlicher Rechtsprechung ist die kurdische Bevölkerung in Syrien - und zwar auch im Gebiet der Provinz Al-Hassake - keiner staatlichen Gruppenverfolgung ausgesetzt; ebenso lässt sich nicht feststellen, dass eine programmatische Politik der Vertreibung, Ausbürgerung oder Ausgrenzung von Kurden wegen ihrer Volkszugehörigkeit betrieben wird, selbst wenn gegenüber den 1962 ausgebürgerten bzw. unregistrierten Kurden Vorbehalte verblieben und sie aufgrund ihres Status erheblich benachteiligt sind (vgl. zuletzt: OVG Lüneburg, Urt. v. 24.03.2009 - 2 LB 643/07 -, juris, m.w.N.). Ferner enthebt auch das Rechtsinstitut der "Sippenhaft" nicht der Notwendigkeit, dass sich die staatlichen Maßnahmen - wenn auch anknüpfend an asylrelevante Persönlichkeitsmerkmale Dritter - ihrer objektiven Zielgerichtetheit nach zugleich gegen die Angehörigen richten müssen und dass ein entsprechender Verfolgungswille auch gegenwärtig noch besteht (BVerwG, Urt. v. 27.04.1982 - 9 C 239.80 -, BVerwGE 65, 244). Dies kann hier aus den bereits dargelegten Gründen aber nicht festgestellt werden. [...]
Des Weiteren lässt sich nach Auffassung des Senats auch nicht feststellen, dass dem Kläger bzw. den Abkömmlingen jener Personen, die aufgrund der im Jahre 1962 erfolgten "Ausbürgerung" ihre Staatsangehörigkeit verloren haben, die syrische Staatsbürgerschaft (unverändert) aus asylrelevanten politischen Gründen vorenthalten wird.
Soweit in Art. 3 des Gesetzes Nr. 276 vom 24. November 1969 zur Regelung der (syrischen) Staatsangehörigkeit normiert ist, dass "von Amts wegen als syrischer Araber gilt, (a) wer innerhalb oder außerhalb der arabischen Provinz Syrien (Art. 1 lit. a), a.a.O.) als Kind eines arabisch-syrischen Vaters geboren ist; (b) wer innerhalb der arabischen Provinz Syrien als Kind einer arabisch-syrischen Mutter geboren und wessen väterliche Abstammung nicht gesetzlich festgestellt worden ist; (c) wer in der Provinz als Kind von Eltern geboren ist, die ... unbekannter Staatsangehörigkeit oder staatenlos sind ..." ist zunächst festzustellen, dass das geltende syrische Staatsangehörigkeitsrecht keinen Anhaltspunkt liefert, welcher auf eine Benachteiligung bzw. Diskriminierung kurdischer Volkszughöriger schließen lässt. Maßgeblich wird nach der Gesetzeslage vielmehr auf die syrische Staatsangehörigkeit des Vaters (bzw. der Mutter) abgestellt und darauf, dass - soweit der Betroffene in Syrien geboren ist - die Eltern nachweislich keine Ausländer sind, mithin keine andere Staatsangehörigkeit besitzen, sondern Staatenlose bzw. Personen mit unbekannter Staatsangehörigkeit. Eine Ausgrenzung kurdischer Volkszugehöriger lassen die gesetzlichen Regelungen nach allem nicht erkennen.
Der Senat kann auch nicht festzustellen, dass die vom syrischen Staat geübte (restriktive) Rechtspraxis in der Anwendung und Handhabung des syrischen Staatsangehörigkeitsrechts an die Ethnie der kurdischen Volkszugehörigen anknüpft. Es ist aufgrund des vorliegenden Erkenntnismaterials schon nicht festzustellen, dass die Verwaltungspraxis syrischer Behörden bei der Anerkennung einer syrischen Staatsangehörigkeit Kurden ausnahmslos die staatsbürgerlichen Rechte verweigert. Das Deutsche Orient-Institut weist darauf hin, dass es vielen Kurden, die von der Ausbürgerung 1962 betroffen waren, gelungen sei, ihre syrische Staatsbürgerschaft zurückzuerlangen, entweder indem sie die lokalen Amtswalter bestachen oder sich im Hinblick auf ihre beweisbaren Geburtsdaten oder Hausurkunden oder sonstige Dokumente (z. B. Steuererklärung) auf das Gesetz beriefen (vgl. Kurdwatch, Staatenlose Kurden in Syrien, März 2010; Deutsches Orient-Institut, Gutachten v. 19.12.1995 an VG Hannover; Gutachten v. 22.12.2003 an VG Augsburg; ebenso Hajo/Savelsberg, Gutachten v. 19.02.2003 und v. 27.09.2002). In den Gutachten von Hajo/Savelsberg (a.a.O.) wird ausgeführt, dass es zwischen 15.000 und 40.000 Kurden der 1962 Ausgebürgerten in der Zeit von Mitte der 1960er bis Mitte der 1980er Jahre gelungen sei, die syrische Staatsbürgerschaft, wenngleich vorwiegend durch gute Beziehungen und Bestechung, zurückzuerlangen. Dies lässt nicht darauf schließen, dass das Handeln der zuständigen Stellen und der für sie handelnden Amtswalter von dem Willen getragen ist, Kurden wegen ihrer Ethnie (generell) die syrische Staatsangehörigkeit zu verweigern.
Ferner ist, soweit es die Rechtspraxis syrischer Behörden bei der Anwendung des syrischen Staatsangehörigkeitsrechts betrifft, in Rechnung zu stellen, dass die aufgrund der Volkszählung von 1962 staatenlosen und nicht registrierten oder im Ausländerregister erfassten Kurden sowie ihre Abkömmlinge häufig nicht über die erforderlichen Personaldokumente und Beweismittel verfügen, um den Nachweis zu führen, dass sie im Zeitpunkt ihrer Ausbürgerung die syrische Staatsangehörigkeit besaßen bzw. in Syrien geborene Abkömmlinge von Kurden sind, die staatenlos sind oder deren Staatsangehörigkeit ungeklärt ist. Bei dieser Sachlage erscheint es nahe liegend, dass viele Kurden nicht den erforderlichen Beweis zu erbringen vermögen, dass sie die gesetzlichen Voraussetzungen nach dem syrischen Staatsangehörigkeitsgesetz erfüllen. Dass es hingegen eines solchen Beweises bedarf, folgt bereits unmittelbar aus dem syrischen Staatsangehörigkeitsgesetz, wonach derjenige, der die syrische Staatsangehörigkeit für sich reklamiert, den erforderlichen Nachweis hierfür führen muss. Art. 29 des syrischen Staatsangehörigkeitsgesetzes schreibt insoweit ausdrücklich vor, dass die Beweislast auf dem Gebiet des Staatsangehörigkeitsgesetzes bei demjenigen liegt, der den Besitz der Staatsangehörigkeit behauptet. Dabei dürfte es auch keinen Unterschied machen, ob bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für eine syrische Staatsangehörigkeit die Staatsbürgerschaft "automatisch" erworben wird oder ob es insoweit eines zusätzlichen Verfahrens zwecks Erwerbs des begehrten Status bedarf. Dann jedenfalls kann bei dem betroffenen Personenkreis keineswegs ausnahmslos vom Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen gem. Art. 3 des syrischen Staatsangehörigkeitsgesetzes ausgegangen werden, da zur Gruppe der vom Zensus im Jahre 1962 betroffenen Kurden eben auch Personen gehörten, die - zumal aus der Sicht des syrischen Stellen - (im Einzelfall) auch eine andere (türkische oder irakische) Staatsangehörigkeit besaßen.
Aber selbst dann, wenn man unterstellen würde, dass die Entscheidung syrischer Behörden im Einzelfall von asylerheblichen - an die Ethnie anknüpfenden - Erwägungen getragen ist, lässt sich hieraus nicht schon auf eine generelle Behördenpraxis schließen, die in asylrechtlicher relevanter Weise gegen die kurdische Volkszugehörigkeit gerichtet ist. Eine solche Praxis syrischer Behörden ist jedenfalls auch nicht durch eine ausreichende Anzahl von Referenzfällen belegt. Soweit es den Kläger selbst betrifft, ist nicht ersichtlich und auch nicht geltend gemacht worden, dass er sich in Syrien um die Erlangung der syrischen Staatsbürgerschaft bemüht hat und dass derartige Bemühungen erfolglos geblieben sind (vgl. zu diesem Erfordernis: BVerwG, Urt. v. 26.02.2009, a.a.O.).
Nach Auffassung des Senats kann jedenfalls auch nicht davon ausgegangen werden, dass die (restriktive) Rechtspraxis syrischer Behörden bei der Anwendung des syrischen Staatsangehörigkeitsrechts als Fortsetzung der vormals vom syrischen Staat betriebenen sog. Arabisierungspolitik zu begreifen ist, soweit diese einer asylerheblichen programmatischen politischen Verfolgung gleichgesetzt wird. Zwar wird vom Senat nicht verkannt, dass die gegenwärtige Rechtspraxis syrischer Stellen unmittelbar an die Statusentscheidungen der Volkszählung von 1962 anknüpft. Insoweit kann die Rechtspraxis im Zusammenhang mit dem Erwerb der Staatsangehörigkeit für Kurden als Fortführung dessen begriffen werden, was mit den Ereignissen im Jahre 1962 begonnen wurde. Indessen lässt sich die gegenwärtige Rechtspraxis bei der Anwendung des syrischen Staatsangehörigkeitsrechts nicht als Fortsetzung einer Arabisierungspolitik in dem Sinne verstehen, dass sie etwa unverändert auf eine systematische bzw. programmatische Ausgrenzung der Kurden abzielen würde. Hierfür fehlt es zur Überzeugung des Senats aufgrund des vorliegenden Erkenntnismaterials an hinreichenden Anhaltspunkten, zumal wenn man berücksichtigt, dass viele staatenlose bzw. nicht registrierte Kurden zwischenzeitlich die syrische Staatsangehörigkeit (wieder) erworben haben und man in der Öffentlichkeit über die Frage einer (Wieder-) Einbürgerung jener Kurden diskutiert wird, die im Jahre 1962 vom Zensus betroffen waren. Bereits Ende 2002, angesichts des bevorstehenden Irakkriegs, soll innerhalb der syrischen Regierung bzw. im syrischen Parlament über eine Einbürgerung staatenloser Kurden beraten worden sein. Baschar al-Assad selbst soll während eines Aufenthalts in Al-Hassake im Sommer 2002 kurdischen Persönlichkeiten zugesagt haben, eine Lösung für die Probleme, die sich aus der Volkszählung von 1962 ergeben haben, zu finden. Assad erwähnte diese Gespräche in seiner Vereidigungsrede am 17. Juli 2007 und erläuterte dort, dass aufgrund der gesamtpolitischen Lage bislang keine Fortschritte auf diesem Gebiet erzielt worden seien. Tatsächlich wurden bereits vor 2006 die Staatenlosenproblematik und die mögliche Einbürgerung eines Teils der staatenlosen Kurden erneut diskutiert, vor allem im Vorfeld des Parteitages der Baath-Partei im Juni 2005. Bereits im April 2005 fanden in den Städten Ras al-Ain, Tall Tamir und Amuda Befragungen von Ajanib statt, durchgeführt sowohl von Standesbeamten als auch von Mitgliedern des Geheimdienstes. Auf dem Baath-Parteitag im Juni 2005 wurde beschlossen, das Problem der "staatenlosen" Kurden erneut aufzugreifen. Folgen hatten die Beschlüsse des Parteitages zunächst keine. Erst in seiner Vereidigungsrede im Juli 2007 stellte Assad erneut eine baldige Lösung der Problematik in Aussicht. Er nahm Bezug auf ein Gesetz, dessen technische Vorbereitung nahezu abgeschlossen sei, und mit Hilfe dessen die Problematik der Staatenlosen gelöst werden solle. Was einer endgültigen Verabschiedung des Gesetzes derzeit noch im Wege stünde, sei im Wesentlichen eine Vermengung verschiedener Themenfelder, konkret, die Verbindung des Problems der Ajanib einerseits und der Maktumin andererseits. Assad machte in dieser Rede deutlich, dass an eine Veränderung des Status der Maktumin nicht gedacht sei. Vielmehr könne erst dann auch für das Problem der Ajanib eine Lösung gefunden werden, wenn innerhalb Syriens niemand mehr fordere, auch die Problematik der Maktumin zu behandeln. Er hat in dieser Rede weiter lediglich zugestanden, dass es im Zuge der Volkszählung 1962 zu Fehlern gekommen sei, die behoben werden müssten. Hierbei handele es sich au seiner Sicht jedoch lediglich um technische Fehler (zum Vorgehenden: Kurdwatch, Staatenlose Kurden in Syrien, März 2010).
Im Übrigen bleibt anzumerken, dass selbst wenn es zuträfe, dass der syrische Staat weiterhin daran interessiert wäre, sich die Provinz Al-Hassake volkstumsmäßig einzuverleiben und auch im Zusammenhang mit Staatsangehörigkeitsfragen Gesichtspunkte der Volkszugehörigkeit zum Tragen kämen, so vermag dies nicht schon die Annahme zu rechtfertigen, die bestehende Rechtspraxis bei der Anwendung des syrischen Staatsangehörigkeitsrechts und das Rückkehrverbot für staatenlose Kurden nach illegaler Ausreise sei seiner objektiven Gerichtetheit nach auf das kurdische Volkstum zurückführen. Ginge es dem syrischen Staat darum, Kurden ihres Volkstums wegen aus dem Gebiet zu vertreiben, hätte er gerade den Aufenthalt von staatenlosen Angehörigen dieser Volksgruppe in seinem Staatsgebiet nicht Jahrzehnte lang geduldet. Es rechtfertigt sich dann aber auch nicht die Annahme, im Rahmen der Rechtspraxis bei der Anwendung des syrischen Staatsangehörigkeitsrechts oder bei der Wiedereinreise setze sich gleichwohl die Volkszugehörigkeit durch. Der Anknüpfungspunkt für das Wiedereinreiseverbot ist bei objektiver Betrachtung vielmehr in der fehlenden Staatsangehörigkeit und der illegalen Ausreise zu sehen. Ob sich die Rechtspraxis in Anwendung des syrischen Staatsangehörigkeitsrechts und das Wiedereinreiseverbot in einem allgemeinen Sinne in eine restriktive Kurdenpolitik einfügt und siedlungspolitischen Zielen des syrischen Staates entgegenkommt, ist für die qualifizierte politische Verfolgung i. S. des § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG i.V.m. Art. 9 und 10 QRL ebenso unerheblich wie ein mögliches Interesse des syrischen Staates, potentielle Unruhestifter fern zu halten oder sich deren wirtschaftliche Leistungskraft nutzbar zu machen, z.B. in Form der Unterstützung von zurückgebliebenen Familienangehörigen aus dem Ausland. Der Begriff der Verfolgungshandlung im Sinne des Art. 3 QRL setzt nicht nur voraus, dass ein bestimmtes Verhalten des potentiellen Verfolgers für die schwerwiegende Verletzung eines grundlegenden Menschenrechts oder eine vergleichbar schwere Rechtsverletzung durch Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen (Art. 9 Abs. 1 lit. a und b QRL) ursächlich ist, sondern erfordert auch ein auf die Verletzung eines derart geschützten Rechtsguts zielendes Verhalten (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.01.2009 - 10 C 52.07 -, NVwZ 2009, 982). Ein solches Verhalten des syrischen Staates lässt sich hier auch aktuell nicht feststellen.
Ferner drohen Asylbewerbern aus Syrien allein wegen der Stellung eines Asylantrages und eines gegebenenfalls mehrjährigen Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland bei einer Rückkehr nach Syrien nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit asylerhebliche Maßnahmen (vgl. OVG Münster, Beschl. v. 09.05.2011 - 14 A 1049/11.A -, juris; OVG Saarland, Beschl. v. 30.08.2010 - 3 A 121/10 -, juris; OVG LSA, Urt. v. 30.01.2008 - 3 L 75/06 -, juris). Es bestehen auch keine Erkenntnisse, dass unpolitische Rückkehrer wie der Kläger wegen der seit Frühjahr 2011 andauernden Unruhen in Syrien nunmehr einer erhöhten Gefahr politischer Verfolgung ausgesetzt sind.
Der Kläger kann sich auch nicht aus individuellen Gründen auf eine begründete Furcht vor Verfolgung berufen. [...]
Nach der Überzeugung des Senates ist der Kläger nicht vorverfolgt im Juli 2007 aus Syrien ausgereist. [...]
Auch wenn man die Auffassung vertritt, dass das unionsrechtlich begründete Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG einen eigenständigen, vorrangig vor den sonstigen herkunftslandbezogenen ausländerrechtlichen Abschiebungsverboten zu prüfenden Streitgegenstand bzw. einen abtrennbaren Streitgegenstandsteil bilden, ist festzustellen, dass die Voraussetzungen für ein solches Abschiebungsverbot in Bezug auf den nur in Betracht kommenden Zielstaat der Abschiebung Syrien nicht vorliegen. Das durch das Richtlinienumsetzungsgesetz neu in das Aufenthaltsgesetz eingefügte Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG dient der Umsetzung der Regelung über den subsidiären Schutz nach Art. 15 Iit. c der Richtlinie (vgl. BVerwG, Urt. v. 07.09.2010 - 10 C 11.09 -, juris; Urt. v. 29.06.2010 - 10 C 10.09 -, NVwZ 2011, 48; Urt. v. 27.04.2010 - 10 C 4.09 -, NVwZ 2011, 56). Nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG ist von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist. Auch eine allgemeine Gefahr, die von einem bewaffneten Konflikt für eine Vielzahl von Zivilpersonen ausgeht, kann sich individuell so verdichten, dass sie eine erhebliche individuelle Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG darstellt und damit die Voraussetzungen dieser Vorschrift und des Art. 15 Iit. c der Richtlinie erfüllt. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat im Urteil vom 17. Februar 2009 (- Rs. C-465/07 - "Elgafaji") ausgeführt, der Begriff "individuell" in Art. 15 Iit. c der Richtlinie sei dahin zu verstehen, dass es sich auf schädigende Eingriffe beziehe, die sich gegen Zivilpersonen ungeachtet ihrer Identität richteten, wenn der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreiche, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestünden, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder gegebenenfalls die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr liefe, einer ernsthaften Bedrohung im Sinne der Richtlinie ausgesetzt zu sein. Nach der dieser Entscheidung folgenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss sich der innerstaatliche bewaffnete Konflikt dabei nicht auf das gesamte Staatsgebiet erstrecken. Besteht ein bewaffneter Konflikt mit der beschriebenen Gefahrendichte jedoch nicht landesweit, kommt eine individuelle Bedrohung allerdings in der Regel nur in Betracht, wenn der Konflikt sich auf die Herkunftsregion des Klägers erstreckt, in die er typischerweise zurückkehren wird. Bei einem regional begrenzten Konflikt außerhalb seiner Herkunftsregion muss der Ausländer stichhaltige Gründe dafür vorbringen, dass für ihn eine Rückkehr in seine Herkunftsregion ausscheidet und nur eine Rückkehr gerade in die Gefahrenzone in Betracht kommt (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.07.2009 -10 C 9.08 -, NVwZ 2010, 196).
Ein solcher landesweiter Konflikt, welcher auch die Heimatregion des Klägers, die Provinz Al-Hassake erfasst hat, lässt sich auch nach den jüngsten Geschehnissen in Syrien nicht feststellen. Die Demonstrationen der Regimegegner wie auch die gewaltsamen Aktionen der syrischen Sicherheitskräfte beschränken sich auf einige Städte im Süden und Westen des Landes, darunter Daraa, Horns und Banias (vgl. NZZ vom 04.05.2011 "Assad unterdrückt die Proteste"; SZ v. 06.05.2011 "Assad lässt auf Demonstranten schießen"; NZZ v. 07.05.2011 "Panzer rücken in die syrische Stadt Banias ein"; Zeit Online v. 09.05.2011 "Regime besetzt Proteststädte"; Zeit Online v. 11.05.2011 "Europaparlament bezeichnet Sanktionen gegen Syrien als lächerlich"). Flächendeckende landesweite bewaffnete Übergriffe der Sicherheitskräfte auf die Zivilbevölkerung lassen sich nicht feststellen. Während es bei Demonstrationen in den oben genannten Städten zu einer Vielzahl von Toten und Verletzten unter den Demonstranten gekommen ist, sind die von Kurden organisierten Demonstrationen in der Provinz Al-Hassake hingegen weitgehend friedlich verlaufen (Meldungen jeweils von Kurdwatch: 04.04.2011 "Al-Qamischli: Kurdische Demonstrationen verlaufen weitgehend friedlich"; 10.04.2011 "Al-Qamischli: Zehntausend Kurden demonstrieren für Freiheit"; 17.04.2011 "Al-Qamischli: Wieder zehntausend Kurden für Freiheit auf den Straßen"; 24.04.2011 "Al-Qamischli: Rund zwanzigtausend Kurden demonstrieren für Demokratie und Freiheit in Syrien"; 01.05.2011 "Erneut Massendemonstrationen für Freiheit und Demokratie" und 07.05.2011 "Mehr als dreißigtausend Kurden demonstrieren für Demokratie und Freiheit und Syrien"). Es lässt sich diesen Meldungen auch nicht entnehmen, dass die Heimatregion des Klägers etwa bei einer Einreise über den Flughafen in Damaskus nicht oder nur unter erheblichen Gefährdungen erreicht werden könnte. [...]