LG Frankfurt a.M.

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Zitieren als:
LG Frankfurt a.M., Beschluss vom 06.05.2011 - 998 Cs 112 Js 4576/11 - asyl.net: M18541
https://www.asyl.net/rsdb/M18541
Leitsatz:

Anspruch auf Pflichtverteidigung aufgrund der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage bei Vorwurf unerlaubter Einreise und unerlaubten Aufenthalts bei möglichem Duldungsanspruch wegen Vaterschaft.

Schlagwörter: Ausländerstrafrecht, Pflichtverteidigung, Duldung, Vaterschaft, deutsches Kind, Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen, Deutschkenntnisse, unerlaubte Einreise, unerlaubter Aufenthalt
Normen: StPO § 140 Abs. 2
Auszüge:

[...]

Dem Angeklagten wird vorgeworfen, trotz bestehenden Einreiseverbotes unerlaubt in die Bundesrepublik Deutschland eingereist zu sein und sich bis zu seiner Festnahme am 03.12.2010 dort illegal aufgehalten zu haben (Bl. 37 f. d. A.). Mit Schreiben vom 4. November 2010 (Bl. 23 ff. d. A.) hat die Verteidigerin des Angeklagten bei der Stadt Frankfurt beantragt, dem Angeklagten eine Aufenthaltserlaubnis u.a. aus familiären Gründen zu erteilen, da er Vater eines Kindes sei, das voraussichtlich am 15.12.2010 geboren werde und dessen Mutter, Frau ..., aufgrund der Mutterschaft zu einem deutschen Kind im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis sei, weshalb auch dem zum damaligen Zeitpunkt ungeborenen Kind eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen sei. Mit Schreiben vom 11.02.2011 (Bl. 41 f. d. A.) hat die Verteidigerin des Angeklagten beim Amtsgericht Frankfurt am Main beantragt, sie dem Angeklagten als Pflichtverteidigerin gemäß § 140 Abs. 2 StPO beizuordnen. Mit Beschluss vom 08.04.2011 (Bl. 53 d. A.) hat das Amtsgericht Frankfurt am Main den Antrag abgelehnt. Die Ablehnung wurde darauf gestützt, dass die Voraussetzungen des § 140 Abs. 2 StPO nicht vorliegen. Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Angeklagten vom 20.04.2011 (Bl. 57 d. A.). Darin wird vorgebracht, dass der Angeklagte sich mangels der erforderlichen Sprachkenntnis nicht selbst verteidigen könne, für eine sachgerechte Verteidigung Akteneinsicht erforderlich sei und der Angeklagte im Fall einer Verurteilung mit ausländerrechtlichen Konsequenzen, insbesondere einer Ausweisung rechnen müsse. Das Amtsgericht Frankfurt am Main hat der Beschwerde nicht abgeholfen und diese dem Landgericht Frankfurt am Main zur Entscheidung vorgelegt.

Die Beschwerde ist gemäß § 304 Abs. 1 StPO zulässig und begründet.

Der Beschluss des Amtsgerichts vom 8. April 2011, mit dem der Antrag auf Beiordnung der Verteidigerin als Pflichtverteidigerin zurückgewiesen wurde, kann keinen Bestand haben.

Es liegt ein Fall notwendiger Verteidigung nach § 140 Abs. 2 StPO vor, bei deren Überprüfung kein allzu engherziger Maßstab anzulegen ist. Unabhängig von der Problematik der Sprachkenntnis des Angeklagten ist aufgrund der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage die Beiordnung eines Verteidigers geboten. Die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage ist gegeben, denn aufgrund des mit Schreiben der Verteidigerin vom 4. November 2010 vorgetragenen Sachverhalts ergibt sich möglicherweise ein Duldungsrecht des Angeklagten. Dem Angeklagten könnte für den Fall, dass sich die behauptete Vaterschaft für das Kind der Frau ... bewahrheitet, möglicherweise ein Duldungsrecht zustehen. Diese schwierige Frage wird im Rahmen der Hauptverhandlung zu klären sein. [...]