OVG Sachsen-Anhalt

Merkliste
Zitieren als:
OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 14.04.2011 - 2 L 238/09 [ASYLMAGAZIN 2011, S. 198 ff.] - asyl.net: M18509
https://www.asyl.net/rsdb/M18509
Leitsatz:

1. Von der Erfüllung der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG ist abzusehen, weil bereits den Eltern der minderjährigen Klägerinnen wegen Staatenlosigkeit Aufenthaltserlaubnisse erteilt wurden, die familiäre Lebensgemeinschaft bis auf weiteres nur in Deutschland gelebt werden kann und ansonsten ständig neue (Ketten-)Duldungen erteilt werden müssten.

2. Der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis steht auch nicht die Sperrwirkung des § 10 Abs. 3 S. 2 AufenthG wegen der Ablehnung der Asylanträge als "offensichtlich unbegründet" nach Durchführung der Asylverfahren aufgrund amtlich fingierter Asylanträge (§ 14a AsylVfG) entgegen. Denn es fehlt an einer ausreichenden Belehrung des BAMF über die Rechtsfolgen des § 10 Abs. 3 S. 2 AufenthG.

Schlagwörter: Aufenthaltserlaubnis, Sperrwirkung, offensichtlich unbegründet, Klageänderung, Anschlussberufung, Syrien, staatenlos, Kurden, Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen, allgemeine Erteilungsvoraussetzungen, Ermessen, minderjährig, Verzicht, Rechtsstaatsprinzip, Rechtsmissbrauch, Grundsätzliche Bedeutung,
Normen: VwGO § 91, VwGO § 127, AufenthG § 25 Abs. 5, GG Art. 6 Abs. 1, EMRK Art. 8, AufenthG § 5 Abs. 3 S. 2, AufenthG § 10 Abs. 3 S. 2, AsylVfG § 30 Abs. 3 Nr. 7, AsylVfG § 14a Abs. 2, AsylVfG § 14 Abs. 1 S. 2, GG Art. 19 Abs. 4, GG Art. 20 Abs. 3, VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 1
Auszüge:

[...]

3. Entgegen der Annahme der Beklagten steht auch die Vorschrift des § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG der begehrten Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen nach § 25 Abs. 5 AufenthG hier nicht entgegen.

Danach darf einem Ausländer, dessen Asylantrag unanfechtbar nach § 30 Abs. 3 AsylVfG abgelehnt wurde, vor der Ausreise kein Aufenthaltstitel erteilt werden. Gemäß § 30 Abs. 3 Nr. 7 AsylVfG ist ein unbegründeter Asylantrag u.a. dann als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn er für einen nach diesem Gesetz handlungsunfähigen Ausländer gestellt wird oder nach § 14a AsylVfG als gestellt gilt, nachdem zuvor Asylanträge der Eltern oder des allein personensorgeberechtigten Elternteils unanfechtbar abgelehnt worden sind. Nach § 14a Abs. 2 AsylVfG sind die Einreise eines ledigen, unter 16 Jahre alten Kindes des Ausländers nach dessen Asylantragstellung ins Bundesgebiet sowie die Geburt eines Kindes im Bundesgebiet dem Bundesamt unverzüglich anzuzeigen, wenn ein Elternteil eine Aufenthaltsgestattung besitzt oder sich nach Abschluss seines Asylverfahrens ohne Aufenthaltstitel oder mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG im Bundesgebiet aufhält. Die Anzeigepflicht obliegt neben dem Vertreter des Kindes im Sinne von § 12 Abs. 3 AsylVfG auch der Ausländerbehörde. Mit Zugang der Anzeige beim Bundesamt gilt ein Asylantrag für das Kind als gestellt.

3.1. Der Senat teilt allerdings nicht die Auffassung des Verwaltungsgerichts, der Anwendungsbereich des § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG sei im Wege der teleologischen Reduktion dahingehend einzuschränken, dass er generell nicht für Fälle gelte, in denen kein Fall des Missbrauchs der Asylantragstellung vorliege und der Schutz von Ehe und Familie nach Art. 6 Abs. 1 GG es gebiete, einen unmittelbaren Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltsrechts zu gewähren. Er vermag sich auch nicht der Ansicht des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (Beschl. v. 04.03.2010 - A 11 S 192/07 -, AuAS 2010, 118) anzuschließen, der Anwendungsbereich des § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG könne sich im Wege der teleologischen Reduktion aus rechtsstaatlichen Gesichtspunkten und dem Grundsatz der Wahrung der Rechts- und Familieneinheit (Art. 6 GG, Art. 8 EMRK) nur auf eine Asylablehnung nach §§ 30 Abs. 3 Nr. 7, 14a Abs. 2 AsylVfG in einer Konstellation beziehen, in der auch die Asylanträge der Eltern als "offensichtlich unbegründet" abgelehnt wurden.

3.1.1. § 10 Abs. 3 AufenthG wurde mit Wirkung vom 01.01.2005 durch das Gesetz zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern (Zuwanderungsgesetz) vom 30.07.2004 (BGBl. I S. 1950 [1955]) neu geschaffen. Die Vorschrift sollte in Anlehnung an die zuvor geltende Regelung in § 30 Abs. 5 AuslG festlegen, dass unanfechtbar abgelehnte Asylbewerber nur noch eingeschränkt die Möglichkeit haben, einen Aufenthaltstitel zu erlangen. Sofern der Asylantrag nach § 30 Abs. 3 AsylVfG abgelehnt wurde (Gründe, die zur offensichtlichen Unbegründetheit eines Asylantrages führen, insbesondere im Falle der Täuschung), dürfe kein Aufenthaltstitel erteilt werden; ausgenommen hiervon seien Fälle, in denen ein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels bestehe, zum Beispiel bei deutschverheirateten Ausländern (vgl. die Begründung zum Gesetzentwurf, BT-Drs. 15/420 S. 73).

Die Nr. 7 des § 30 Abs. 3 AsylVfG und § 14a AsylVfG wurden ebenfalls durch das Zuwanderungsgesetz (Art. 3 Nr. 10 und Nr. 19 b] cc]) mit Wirkung vom 0.01.2005 in das AsylVfG eingefügt. Nach dieser (ursprünglichen) Fassung des § 30 Abs. 3 Nr. 7 AsylVfG war ein unbegründeter Asylantrag als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn er für einen nach diesem Gesetz handlungsunfähigen Ausländer gestellt wird, nachdem zuvor Asylanträge der Eltern oder des allein sorgeberechtigten Elternteils unanfechtbar abgelehnt worden sind. Durch die Fiktion der Asylantragstellung für ledige Kinder bis zum vollendeten 16. Lebensjahr in § 14a AsylVfG sollte verhindert werden, dass durch sukzessive Asylantragstellung überlange Aufenthaltszeiten in Deutschland ohne aufenthaltsrechtliche Perspektive für die Betroffenen entstehen. Damit sollten auch die in der Vergangenheit regelmäßig als notwendig erachteten Altfall- oder Härtefallregelungen weitgehend entfallen. Mit der im dritten Absatz der Vorschrift vorgesehenen Verzichtsmöglichkeit sollte die Dispositionsbefugnis über die Geltendmachung des Asylgrundrechts gewahrt bleiben (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs, BT-Drs. 15/420, S. 108). Zur Einfügung der Nr. 7 in § 30 Abs. 3 AsylVfG heißt es in der Begründung des Gesetzentwurfs (BT-Drs. 15/420, S. 110), eigene Asylgründe werde ein Kind, das im Bundesgebiet geboren oder unter 16-jährig ins Bundesgebiet eingereist sei und dessen Eltern im Asylverfahren bereits unanfechtbar abgelehnt worden seien, nur in absoluten Ausnahmefällen geltend machen können. Ergebe die Prüfung des Bundesamtes, dass ein solcher Ausnahmefall nicht vorliege und der Asylantrag unbegründet sei, sei es sachgerecht, ihn aus Gründen der Verfahrensbeschleunigung als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

3.1.2. Im Anschluss daran entschied das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 21.11.2006 (1 C 10.06 -, BVerwGE 127, 161 [175 ff.], RdNr. 35 ff.), dass ein nach § 14a Abs. 2 AsylVfG als gestellt geltender Asylantrag nicht nach § 30 Abs. 3 Nr. 7 AsylVfG als offensichtlich unbegründet abgelehnt werden könne. § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG solle - ebenso wie für die weiteren Qualifikationsfälle des § 30 Abs. 3 Nr. 1 bis 6 AsylVfG, auf die sich § 10 Abs. 3 AufenthG ebenfalls beziehe - einen Missbrauchstatbestand erfassen und sanktionieren. Das erschließe sich ferner daraus, dass § 30 Abs. 3 AsylVfG bei seiner Einführung im Rahmen der großen Asylreform durch das Gesetz zur Änderung asylverfahrens-, ausländer- und staatsangehörigkeitsrechtlicher Vorschriften vom 30.06.1993 (BGBl I S. 1462) in Anwendung von Art. 16a Abs. 4 GG als formelle Missbrauchsvorschrift konzipiert worden sei. Das sei bei der Auslegung und Anwendung von § 30 Abs. 3 Nr. 7 AsylVfG zu beachten. Bereits der Wortlaut des (damaligen) § 30 Abs. 3 Nr. 7 AsylVfG, der sich auf einen "Asylantrag" beziehe, welcher für einen handlungsunfähigen Ausländer "gestellt werde", lasse es kaum zu, diese Bestimmung mit ihren weitreichenden negativen Rechtsfolgen auch auf Asylentscheidungen zu erstrecken, die in einem Verfahren nach § 14a Abs. 2 AsylVfG ohne einen Asylantrag des Ausländers ergangen seien. Das müsse vor allem auch dann gelten, wenn das Asylverfahren wie hier auf einer Anzeige der Ausländerbehörde in Erfüllung ihrer gesetzlichen Mitteilungsverpflichtung beruhe, also gleichsam von Amts wegen aufgrund eines fingierten Asylantrags eröffnet und durchgeführt werde. Es sei auch sonst nicht erkennbar, weshalb der Gesetzgeber diese Faltgruppe (insbesondere auch bei nach dem Inkrafttreten der Neuregelung ab 01.01.2005 geborenen oder eingereisten Kindern) ausnahmslos dem Verdikt der Ablehnung als offensichtlich unbegründet hätte unterwerfen wollen. Namentlich sei hier eine missbräuchliche Einleitung eines Asylverfahrens, auf die § 30 Abs. 3 AsylVfG reagiere, nicht feststellbar. § 30 Abs. 3 Nr. 7 AsylVfG sei daher auch nach seinem Sinn und Zweck nicht auf lediglich fiktive "Asylanträge" anwendbar, die nach § 14a Abs. 2 Satz 3 AsylVfG nur kraft Gesetzes "für das Kind als gestellt gelten". Davon unberührt bleibe es dem Bundesamt unbenommen, die Ablehnung als offensichtlich unbegründet nach § 30 Abs. 1 AsylVfG oder wegen Vorliegens anderer Missbrauchstatbestände nach § 30 Abs. 3 AsylVfG im Einzelfall auszusprechen. Ebenso verbleibe für § 30 Abs. 3 Nr. 7 AsylVfG ein hinreichender und sinnvoller Anwendungsbereich in Fällen missbräuchlicher Verfahrensgestaltung durch zeitlich gestaffelte, sukzessive Stellung von Asylanträgen vor allem für Kinder.

3.1.3. § 30 Abs. 3 Nr. 7 AsylVfG wurde dann allerdings durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.08.2007 (BGBl I S. 1970) mit Wirkung vom 28.08.2007 geändert, so dass nunmehr auch die nach § 14a Abs. 2 AsylVfG als gestellt geltenden Asylanträge einen Offensichtlichkeitsausspruch des Bundesamts (zwingend) zur Folge haben. In der Begründung des Gesetzentwurfs vom 23.04.2007 (BT-Drs. 16/5065, S. 217) heißt es hierzu, durch die Ergänzung werde klargestellt, dass die Regelung auch auf die Antragsfiktion nach § 14a anzuwenden sei, da es bei dieser Fallkonstellation nur in absoluten Ausnahmefällen nicht zu einer Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet kommen solle (vgl. BT-Drs. 14/4925, Begründung zu Artikel 1 Nr. 3).

Demnach hatte der Gesetzgeber bei der Änderung des § 30 Abs. 3 Nr. 7 AsylVfG zwar wiederum eine Verfahrensbeschleunigung im Blick. Auch wird man einen "Missbrauch" des Asylverfahrens nicht immer schon dann annehmen können, wenn die Eltern der fiktiven Asyl-"Antragsteller" nicht gemäß § 14a Abs. 3 AsylVfG auf die Durchführung eines von Amts wegen eingeleiteten offensichtlich aussichtslosen Asylverfahrens verzichten. Es kann aber nicht ohne weiteres unterstellt werden, dass der Gesetzgeber die sich aus dem Offensichtlichkeitsausspruch für die Kinder ergebenden Folgen, insbesondere die Sperrwirkung des § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG nicht erkannt hat, zumal ihm das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 21.11.2006 (a.a.O.) bekannt gewesen sein dürfte.

3.1.4. Auch rechtsstaatliche Gesichtspunkte und Gründe des Familienschutzes (Art. 6 Abs. 1 GG, Art. 8 EMRK) sprechen nicht schlechthin gegen die Anwendbarkeit der Erteilungssperre des § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG in den Fällen der Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet nach § 30 Abs. 3 Nr. 7 Alt. 2 AsylVfG. Die Sperrwirkung des § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG kann vermieden werden, indem nach § 14a Abs. 3 AsylVfG die Vertreter des Kindes im Sinne von § 12 Abs. 3 AsylVfG auf die Durchführung des Asylverfahrens verzichten.

3.2. Die Anwendbarkeit des § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG in den Fällen der §§ 30 Abs. 3 Nr. 7 Alt. 2, 14a Abs. 2 AsylVfG setzt aber aus rechtsstaatlichen Gründen voraus, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Vertreter des Kindes im Sinne von § 12 Abs. 3 AsylVfG zutreffend und in für Ausländer nachvollziehbarer Form über die Rechtsfolge des § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG belehrt hat.

3.2.1. Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG ist der Ausländer vor der Antragstellung schriftlich und gegen Empfangsbestätigung darauf hinzuweisen, dass nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung seines Asylantrages die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 10 Abs. 3 AufenthG Beschränkungen unterliegt. Diese Vorschrift wurde ebenfalls durch das am 01.01.2005 in Kraft getretene Zuwanderungsgesetz (Art. 3 Nr. 9) wegen der (Neu-)Regelung des § 10 Abs. 3 AufenthG in das AsylVfG aufgenommen (vgl. BT-Drs. 15/420, S. 108). Der Gesetzgeber hat mithin erkannt, dass der betroffene Asylantragsteller auf die gravierenden Rechtsfolgen des § 10 Abs. 3 AufenthG hingewiesen werden muss. Für die Fälle des § 14a Abs. 2 AsylVfG, in denen ein solcher Hinweis "vor Antragstellung" gar nicht möglich ist, sieht das Gesetz zwar (ausdrücklich) keine Hinweis- bzw. Belehrungspflicht vor. In diesen Fällen, in denen der betroffene Ausländer noch nicht einmal selbst einen Antrag gestellt hat, sondern ein Antrag nur fingiert wird, ist es aber erst recht nicht hinzunehmen, die schwerwiegende Rechtsfolge des § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG ohne Belehrung eintreten zu lassen (vgl. Funke-Kaiser, in: GK-AsylVfG, II - § 14 RdNr. 31). Da aus strukturellen Gründen ein Hinweis vor der Antragstellung hier nicht möglich ist, ist die Belehrung in entsprechender Anwendung des § 14 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG nachzuholen.

Der Hinweis nach § 14 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG muss in einer laienhaft verständlichen Weise die Rechtsfolgen des § 10 Abs. 3 AufenthG umschreiben (Funke-Kaiser, a.a.O., RdNr. 33). Dem Zweck der Belehrung entsprechend reicht es nicht aus, den Wortlaut von § 10 Abs. 3 AufenthG zu wiederholen; vielmehr muss die Belehrung verständlich auf vom Ausländer möglicherweise nicht einkalkulierte Folgen eines Asylantrags hinweisen (Hailbronner, Ausländerrecht, AsylVfG § 14 RdNr. 9). Liegt ein fingierter Asylantrag nach § 14a Abs. 2 AsylVfG vor, muss die Belehrung auch den Zusammenhang zwischen dem als gestellt geltenden Asylantrag, der (voraussichtlichen) Ablehnung als offensichtlich unbegründet nach § 30 Abs. 3 Nr. 7 AsylVfG und der daraus folgenden Erteilungssperre sowie die Wirkung eines Verzichts auf diese Rechtsfolge mit hinreichender Deutlichkeit erkennen lassen.

Diesen Anforderungen werden die Mitteilungen und Belehrungen, die das Bundesamt den Eltern der Klägerinnen nach der vom Beklagten vorgenommenen Geburtsanzeige zugestellt hat, nicht gerecht. In der "Belehrung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG" wird im maßgeblichen zweiten Absatz im Wesentlichen nur der Gesetzeswortlaut des § 10 Abs. 3 AufenthG wiederholt. Sie ist zudem unrichtig, soweit ausgeführt wird, dass kein Aufenthaltstitel erteilt werde, wenn der Antrag endgültig als offensichtlich unbegründet abgelehnt werde und sofern kein Anspruch bestehe. Die in § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG normierte Beschränkung der Erteilungssperre auf einen Offensichtlichkeitsausspruch nach § 30 Abs. 3 AsylVfG lässt sich der Belehrung nicht entnehmen. In der "Mitteilung über die Asylantragstellung von Kindern nach § 14a Abs. 1 bzw. Abs. 2 AsylVfG" wird zwar auf die Verzichtsmöglichkeit nach § 14a Abs. 3 AsylVfG hingewiesen und der Wortlaut der Vorschrift wiedergegeben; ferner wird darin ausgeführt, dass allein der Verzicht auf die Durchführung eines Asylverfahrens für das Kind die Erteilung eines Aufenthaltstitels z.B. aus humanitären Gründen durch die Ausländerbehörde nicht ausschließe. Den wichtigen Hinweis auf die für die Klägerinnen bedeutsame und für ihre Eltern sonst nicht erkennbare Wirkung eines solchen Verzichts auf die im Belehrungsschreiben dargestellte Erteilungssperre enthält die Mitteilung gerade nicht. Dem Aufforderungsschreiben, mit welchem den Eltern der Klägerinnen Gelegenheit gegeben wurde, sich zu möglichen eigenen Asylgründen der Kinder innerhalb eines Monats schriftlich zu äußern, und in welchem nochmals auf die Möglichkeit des Verzichts auf die Durchführung des Asylverfahrens hingewiesen wurde, lässt sich ebenfalls nicht entnehmen, welche gravierenden Rechtsfolgen eine Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet nach § 30 Abs. 3 Nr. 7 AsylVfG im Fall unterbleibender Verzichtserklärungen für die Klägerinnen haben können bzw. werden. Auch wenn man die drei genannten Schreiben im Zusammenhang betrachtet, kann ein Ausländer in der Situation der Eltern der Klägerinnen mit Hilfe der gegebenen Hinweise keine hinreichende Klarheit über die Rechtsfolgen der fiktiven Antragstellung und über das mögliche bzw. gebotene Vorgehen gewinnen. Vor allem ist für ihn nicht erkennbar, dass in der hier gegebenen Fallkonstellation der als gestellt geltende Asylantrag, sofern nicht eigene Asylgründe der Kinder vorliegen, zu einer Ablehnung des Antrags als offensichtlich unbegründet führt, die die Erteilung eines Aufenthaltstitels ausschließt, und dass diese Rechtsfolge nur durch einen Verzicht auf die Durchführung des Asylverfahrens vermieden werden kann.

3.2.2. Unterbleibt der gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG erforderliche Hinweis oder ist er falsch oder durch einen (durchschnittlichen) Laien in der Situation des typischen Antragstellers unverständlich, spricht Vieles dafür, dass die Rechtsfolgen des § 10 Abs. 3 AufenthG nicht eintreten, es sei denn, der fehlende Hinweis konnte nicht ursächlich geworden sein, weil der oder die Betreffende anderweitig informiert war (so Funke-Kaiser, a.a.O., RdNr. 35; Hailbronner, a.a.O; a. A.: Bergmann, in Renner, Ausländerrecht, 9. Aufl., AsylVfG § 14 RdNr. 15). Diese Einschränkung ist jedenfalls in den Fällen der §§ 30 Abs. 3 Nr. 7 Alt. 2, 14a Abs. 2 AsylVfG geboten, auch wenn sie im Wortlaut des § 10 Abs. 3 AufenthG keinen Niederschlag gefunden hat. In seinem Urteil vom 25.08.2009 (1 C 30.08 - BVerwGE 134, 335 [339 f.], RdNr. 13) hat das Bundesverwaltungsgericht klargestellt, dass eine derartig einschneidende Rechtsfolge, wie sie § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG mit einer zeitlich unbegrenzten Titelerteilungssperre vor der Ausreise vorsieht, im Hinblick auf Art. 19 Abs, 4 GG nur dann gerechtfertigt erscheint, wenn der Betroffene auch die Möglichkeit hat, einen unzutreffenden Offensichtlichkeitsausspruch des Bundesamts nach § 30 Abs. 3 AsylVfG gerichtlich überprüfen zu lassen. Da die (in Deutschland geborenen) Kinder unanfechtbar abgelehnter Asylbewerber, für die ein Asylantrag gemäß § 14a Abs. 2 Satz 3 AsylVfG als gestellt gilt, den Offensichtlichkeitsausspruch nach § 30 Abs. 3 Nr. 7 Alt. 2 AsylVfG in aller Regel nicht mit Erfolg anfechten können, muss den Eltern - aus rechtsstaatlichen Gründen - eine Möglichkeit eröffnet werden, diesen Offensichtlichkeitsausspruch und die daraus folgende unbegrenzte Erteilungssperre zu vermeiden. Da dies nur durch einen Verzicht auf die Durchführung des Asylverfahrens vor einer Entscheidung des Bundesamts erreicht werden kann, gebietet es das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG), dass die Erteilungssperre nur dann eingreift, wenn die Eltern rechtzeitig und in für sie verständlicher Weise über diese Möglichkeit und die bei fehlendem Verzicht für die Kinder eintretenden schwerwiegenden und für sie nicht kalkulierbaren Folgen belehrt wurden. Ein Missbrauchsvorwurf, der die schwerwiegenden Folgen des § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG rechtfertigen soll, ließe sich den Eltern allenfalls dann (noch) machen, wenn sie trotz einer solchen Belehrung auf die Durchführung des von Amts wegen eingeleiteten Asylverfahrens nicht verzichten. Eine fehlende Ursächlichkeit der unzureichenden Belehrung durch das Bundesamt lässt sich hier nicht feststellen.

B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 709 Sätze 1 und 2, 711 ZPO.

C. Die Revision ist gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Ein Revisionsverfahren kann zur Klärung der Rechtsfrage beitragen, ob § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG auf auch die Fälle der §§ 30 Abs. 3 Nr. 7 Alt. 2, 14a Abs. 2 AsylVfG anzuwenden ist, ob und in welcher Form bei fiktiver Antragstellung nach § 14a Abs. 2 AsylVfG zu belehren ist und ob auch bei einer unzureichenden Belehrung die Erteilungssperre des § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG eingreift. [...]