OVG Niedersachsen

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Zitieren als:
OVG Niedersachsen, Beschluss vom 21.01.2011 - 11 LC 312/10 - asyl.net: M18266
https://www.asyl.net/rsdb/M18266
Leitsatz:

Ausreisepflichtige (staatenlose, aber im Libanon registrierte) palästinensische Volkszugehörige können zur einmaligen freiwilligen Ausreise ein gesondertes Laissez-Passer der libanesischen Botschaft erhalten.

(Amtlicher Leitsatz)

Schlagwörter: Aufenthaltserlaubnis, Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen, Libanon, staatenlos, Palästinenser, freiwillige Ausreise, Unmöglichkeit der Ausreise, Laissez-Passer, Zusicherung, DDV, Mitwirkungspflicht,
Normen: AufenthG § 25 Abs. 5, VwVfG § 38
Auszüge:

[...]

Hieran gemessen kann gegenwärtig nicht festgestellt werden, dass der Kläger unverschuldet an seiner Ausreise in den Libanon gehindert ist. Die Auskunftslage (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 14.9.2010 - 3 B 2/08 -, juris, sowie die Auskünfte der ZAAB Niedersachsen, zuletzt mit Schreiben vom 19. November 2010) stellt sich insoweit wie folgt dar (vgl. ergänzend zu den zumutbaren Ausreiseanforderungen für Ausländer aus dem Libanon bereits Senatsbeschl. v. 5.2.2008 - 11 LA 7/07 -, juris):

Zwar ist eine Abschiebung, d.h. eine zwangsweise Aufenthaltsbeendigung von palästinensischen Volkszugehörigen in den Libanon praktisch unmöglich, wenn diese nicht über von den libanesischen Behörden anerkannte gültige Rückreisepapiere verfügen. Palästinenser, die - wie der Kläger - zwar nicht als libanesische Staatsangehörige anerkannt, aber im Libanon als palästinensische Flüchtlinge förmlich registriert sind, stehen aber grundsätzlich zwei Möglichkeiten zum Erhalt neuer libanesischer Personal- bzw. Rückreisepapiere zur Verfügung. Zum einen können sie ein (neues) DDV erhalten. Hierfür ist Voraussetzung, dass sie über ein Aufenthaltsrecht im jeweiligen Aufnahmestaat, vorliegend also in der Bundesrepublik Deutschland, verfügen. Ist dies nicht der Fall, so bleibt ihnen noch die Möglichkeit, ein Laissez-passer zur freiwilligen Rückkehr zu beantragen, das nur für den Zweck der einmaligen Einreise in den Libanon bestimmt ist. Wie sich auch aus dem dazu von der libanesischen Botschaft verwendeten, gesonderten Antragsformular ergibt, das sich ausdrücklich auf "eine sich illegal in Deutschland aufhaltende Person" bezieht, setzt ein solcher Antrag gerade kein Aufenthaltsrecht oder zumindest eine Aufenthaltszusicherung im Bundesgebiet voraus. Voraussetzung für einen Erfolg versprechenden Antrag insoweit ist vielmehr "nur", dass jeder volljährige Antragsteller für sich persönlich bei der libanesischen Botschaft in Berlin einen entsprechenden Antrag stellt, seine Fingerabdrücke abgibt und seine ausdrückliche Bereitschaft zur freiwilligen Rückkehr erklärt. Auch ein solcher Antrag verspricht keinen sicheren Erfolg, ist aber nach den o. a. Auskünften sowohl der zuständigen Berliner als auch der niedersächsischen Behörde jedenfalls nicht von vornherein aussichtslos. Aussichtslos ist es hingegen, wenn ein entsprechender Antrag über die bzw. von der Ausländerbehörde zwecks Erhalts von Passersatzpapieren gestellt wird. Soweit in der Rechtsprechung insbesondere des Baden-Württembergischen Verwaltungsgerichtshofs in der Vergangenheit (Urteil vom 3. Dezember 2008 - 13 S 2483/07 -, InfAuslR 2009, 109 ff.) eine abweichende Einschätzung zur Möglichkeit einer freiwilligen Ausreise von Palästinensern aus dem Libanon geäußert worden ist, kann dem nicht gefolgt werden. Es kann dazu offen bleiben, ob sich die zuvor geschilderte Rechtslage erst nach dem Entscheidungszeitpunkt des Verwaltungsgerichtshofes ergeben hat. Jedenfalls übergeht der Verwaltungsgerichtshof die hier maßgebliche Möglichkeit, dass gerade auch ausreisepflichtige und sich damit illegal im Bundesgebiet aufhaltende palästinensische Volkszugehörige aus dem Libanon ein gesondertes Laissez-passer für eine einmalige Rückreise erhalten können. Statt dessen geht der Verwaltungsgerichtshof allein auf den gesonderten Antrag auf die Erteilung eines DDV (für palästinensische Volkszugehörige) oder eines Laissez-passer (für "ungeklärte Staatsangehörige") ein, das sich jeweils auf den davon abweichenden Fall der Antragstellung zwecks weiteren Aufenthalts im Bundesgebiet bezieht.

Um "unverschuldet" an der Ausreise gehindert zu sein, müsste der Kläger demnach auch erfolglos persönlich bei der Botschaft des Libanons seine Bereitschaft zur freiwilligen Ausreise in den Libanon erklärt, unter Vorlage sämtlicher vorhandener libanesischer Identitätsnachweise im Original oder zumindest Kopie ein dazu bestimmtes Laissez-passer beantragt und auch die weiteren erforderlichen Mitwirkungshandlungen vorgenommen, insbesondere seine Fingerabdrücke abgegeben haben. Dies ist dem Kläger zuzumuten und spätestens seit Erhalt des Anhörungsschreibens des Beklagten vom 8. Dezember 2008, in dem ausdrücklich auf diese Möglichkeit hingewiesen wurde, auch bekannt. Es steht jedoch nicht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger die aufgezeigten Mitwirkungshandlungen vorgenommen hat. Es ist schon sehr zweifelhaft, ob er sich darauf überhaupt selbst berufen will. Sein Vorbringen, an einem datumsmäßig nicht exakt benannten Tag im Mai 2010 unter Vorlage der Bescheinigung des Beklagten vom 26. März 2010 bei der libanesischen Botschaft ein Laissez-passer für einen Aufenthalt im Bundesgebiet (vgl. Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 5. Juli 2010 vor dem Verwaltungsgericht) beantragt zu haben, spricht vielmehr dafür, dass er allenfalls einen Antrag auf Erhalt bzw. Verlängerung eines DDV, nicht aber den davon zu unterscheidenden Antrag auf Erhalt eines Laissez-passer zur einmaligen (freiwilligen) Rückreise gestellt hat. Jedenfalls fehlt es aber an den erforderlichen Nachweis. Trotz gerichtlicher Aufforderung hat der Kläger einen solchen nicht vorgelegt und auch nicht vorgetragen, daran unverschuldet gehindert zu sein. [...]