OVG Niedersachsen

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Zitieren als:
OVG Niedersachsen, Beschluss vom 08.02.2011 - 8 LA 14/11 - asyl.net: M18262
https://www.asyl.net/rsdb/M18262
Leitsatz:

Ablehnung eines Berufungszulassungsantrags wegen fehlender grundsätzlicher Bedeutung, auch das rechtliche Gehör wurde durch die Ablehnung des Beweisantrags nicht verletzt. Das Verwaltungsgericht hat aus den vorliegenden Berichten zutreffend herausgearbeitet, dass dort lediglich darauf hingewiesen wurde, Angehörigen ethnischer Minderheiten (hier Roma) im Kosovo sei der Zugang zur Gesundheitsfürsorge insbesondere aufgrund fehlender Ausweispapiere verschlossen, die Klägerin und ihre Familie besäßen aber Papiere. Ein vollständiger faktischer Ausschluss der Angehörigen ethnischer Minderheiten vom Gesundheitssystem im Kosovo wird in den vorliegenden aktuellen Berichten gerade nicht festgestellt.

Schlagwörter: krankheitsbedingtes Abschiebungsverbot, Kosovo, Roma, medizinische Versorgung, Medikamente, psychische Erkrankung, Asthma bronchiale, eigene Sachkunde, Beweisantrag, rechtliches Gehör, Berufungszulassungsantrag
Normen: AufenthG § 60 Abs. 7 S. 1, AsylVfG § 78 Abs. 3 Nr. 3, AsylVfG § 78 Abs. 3 Nr. 1
Auszüge:

[...]

Im Lichte dieser Anforderungen hat das Verwaltungsgericht den klägerischen Beweisantrag verfahrensfehlerfrei abgelehnt.

Die Frage des Zugangs von Minderheiten zum öffentlichen Gesundheitssystem im Kosovo hat das Verwaltungsgericht mit Hinweis auf eine aktuelle Auskunft der Deutschen Botschaft Pristina vom 21. Juni 2010 an das Sächsische Oberverwaltungsgericht, wonach der Zugang zu den medizinischen Behandlungsmöglichkeiten des öffentlichen Gesundheitssystems für die Bevölkerung im Kosovo unabhängig von ihrer ethnischen Herkunft gewährleistet ist, bejaht. Zudem hat es sich mit dem von der Klägerin benannten Bericht des Diakonischen Werkes "Zur Lage der Roma, Ashkali und 'Ägypter'", in: Asylmagazin 2010, 246 ff. eingehend auseinandergesetzt und zutreffend herausgearbeitet, dass dort lediglich darauf hingewiesen wurde, Angehörigen ethnischer Minderheiten im Kosovo sei der Zugang zur Gesundheitsfürsorge insbesondere aufgrund fehlender Ausweispapiere verschlossen, die Klägerin und ihre Familie besäßen aber Ausweispapiere. Im Mai 2009 hätten sie sich im Kosovo ohne größere Probleme kosovarische Pässe und eine Heiratskurkunde ausstellen lassen. Im Übrigen sei der mangelnde Zugang zum öffentlichen Gesundheitssystem schon durch den eigenen Vortrag der Klägerin widerlegt, ihre im Kosovo lebende Mutter habe bereits zwei Herzoperationen hinter sich. Dies belege, dass der Familie der Klägerin der Zugang zum öffentlichen Gesundheitssystem trotz ihrer ethnischen Zugehörigkeit zu einer Minderheit nicht nur auf dem Papier, sondern tatsächlich offen stehe.

Der so begründete Nachweis der eigenen Sachkunde hält den im Berufungszulassungsverfahren erhobenen Einwänden der Klägerin stand. Soweit die Klägerin auf abweichende Erkenntnisse aus früheren Jahren verweist (Bericht der schweizerischen Flüchtlingshilfe, Kosovo - Zur Lage der medizinischen Versorgung, Update v. 7.6.2007; UNKT, Beobachtungen zu Defiziten im Gesundheitsversorgungssystem im Kosovo vom 1.1.2007; BAMF, Informationszentrum Asyl und Migration, Lage der Roma/Ashkali im Kosovo, Stand: Dezember 2009), sind diese durch die vom Verwaltungsgericht herangezogenen aktuellen Erkenntnismittel überholt. Letztere weisen zwar nach wie vor auf das fehlende Krankenversicherungssystem und den eingeschränkten Zugang zu kostenfreien Medikamenten, der insbesondere die einkommensschwachen Angehörigen der Minderheiten treffe, hin (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Kosovo: Update - Zur Lage der medizinischen Versorgung, Stand: September 2010, S. 17 ff.; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Kosovo: Zur Rückführung von Roma - Update der SFH-Länderanalyse, Stand: Oktober 2009, S. 14 f.; UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs von Personen aus dem Kosovo, Stand: November 2009, S. 10 ff., 17 und 23 f.; Auszüge aus dem Bericht des Diakonischen Werkes: Zur Lage der Roma, Ashkali und "Ägypter", in: Asylmagazin 2010, 246, 248). Ein vollständiger faktischer Ausschluss der Angehörigen ethnischer Minderheiten vom Gesundheitssystem im Kosovo, wie ihn die Klägerin behauptet, wird aber gerade nicht festgestellt. Die sich hier in erster Linie aus fehlenden Registrierungen und Ausweispapieren ergebenden Probleme stellen sich zudem für die Klägerin nicht. Denn sie verfügt nach den unwidersprochenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts über einen kosovarischen Pass. Im Übrigen hat die Klägerin nicht hinreichend dargelegt, welche konkreten Erkenntnisse sich durch die von ihr beantragte Beweiserhebung überhaupt ergeben sollen und inwieweit diese Erkenntnisse die vom Verwaltungsgericht nachgewiesene Sachkunde in Frage stellen könnten.

Die weitere Frage der Verfügbarkeit notwendiger Behandlungen, Therapien und Medikamente für die Klägerin im Kosovo hat das Verwaltungsgericht unter Heranziehung des Berichtes des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Kosovo vom 20. Juni 2010 und verschiedener Auskünfte der Deutschen Botschaft Pristina (siehe Bl. 52 ff. Gerichtsakte) bejaht. Danach seien die psychische Erkrankung, die Schmerzsymptomatik, die orthopädischen Beschwerden, das Asthma bronchiale und die Hypercholesterinämie der Klägerin im öffentlichen Gesundheitssystem behandelbar. Die von der Klägerin ausweislich des vorgelegten Medikamentenplans ihres Hausarztes vom 17. November 2010 benötigten Medikamente seien im Kosovo erhältlich und zudem überwiegend deutlich günstiger als in Deutschland zu erwerben.

Die so nachgewiesene eigene Sachkunde des Verwaltungsgerichts sieht sich keinen durchgreifenden Einwänden der Klägerin ausgesetzt. Die Klägerin hat bereits nicht dargelegt, aus welchen neuen oder anderen Erkenntnismitteln auch nur der Schluss gezogen werden könnte, die hier konkret notwendigen Behandlungen, Therapien und Medikamente seien entgegen der begründeten Auffassung des Verwaltungsgerichts im Kosovo nicht verfügbar. Insbesondere ist nicht ersichtlich, inwieweit die von ihr im Beweisantrag benannten Beweismittel geeignet wären, neue Erkenntnisse zur konkreten Verfügbarkeit notwendiger Behandlungen, Therapien und Medikamente zu gewinnen.

Hinsichtlich des weiteren Beweisthemas, auch eine Kostenübernahmeerklärung der hiesigen Behörden sei nicht ausreichend, um erforderliche Behandlungen, Therapien und Medikamente rechtzeitig zu erhalten, hat das Verwaltungsgericht den Beweisantrag durch den in der mündlichen Verhandlung verkündeten Beschluss mit der Begründung abgelehnt, dieser sei ungeeignet, da die genannten Zeugen und Sachverständigen nichts darüber wüssten, welche Vereinbarung die Klägerin mit dem Landkreis Aurich über die Kostenübernahme treffen werde. Dieser nachvollziehbaren Begründung des Verwaltungsgerichts ist die Klägerin mit ihrem Zulassungsvorbringen nicht entgegen getreten. [...]