AG Tiergarten

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Zitieren als:
AG Tiergarten, Beschluss vom 28.01.2011 - 383 XIV 10/11 B - asyl.net: M18248
https://www.asyl.net/rsdb/M18248
Leitsatz:

Zurückweisung eines Haftantrags, da kein Grund für Abschiebungs- bzw. Sicherungshaft vorliegt und der Betroffene in der Anhörung glaubhaft angegeben hat, dass er der Überstellung nach Frankreich im Dublin-Verfahren nicht widersetzen wird.

Schlagwörter: Haftantrag, Zurückweisung, Abschiebungshaft, Sicherungshaft, Krankheit, Reisefähigkeit, Haftgründe, Duldung, Entziehungsabsicht, Verhältnismäßigkeit, Dublin II-VO, Frankreich,
Normen: AufenthG § 62 Abs. 2 S. 1, AufenthG § 62 Abs. 2 S. 2
Auszüge:

[...]

Der Haftantrag war zurückzuweisen. Ein Haftgrund liegt nicht vor.

Ein Haftgrund nach § 62 Abs. 2 S. 1 AufenthG liegt nicht vor. Der Betroffene hält sich auf Grund der zwischenzeitlich ergangenen Duldung nicht durchgängig illegal aufgrund illegaler Einreise in Deutschland auf (Nr. 1), noch hat er seinen Aufenthaltsort verlassen ohne Mitteilung einer neuen Anschrift (Nr. 2), noch hat er sich zu einer Abschiebung verschuldet nicht eingefunden (Nr. 3), noch hat er sich in sonstiger Weise der Abschiebung entzogen (Nr. 4). Insbesondere reichten die Feststellungen auch nicht aus, um den Verdacht zu begründen, der Betroffene werde sich in Freiheit versetzt der Abschiebung entziehen (Nr. 5). Den bisherigen Abschiebungen stand jeweils eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Betroffenen entgegen. Ein Verschulden des Betroffenen an der nicht stattgefundenen Abschiebung am 10.12.2010 kann nicht erkannt werden.

Schließlich liegt auch nicht der Haftgrund nach § 62 Abs. 2 S. 2 AufenthG vor. Danach kann ein Ausländer für die Dauer von längstens 2 Wochen in Sicherungshaft genommen werden, wenn die Ausreisefrist abgelaufen ist und feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann.

Die Anordnung der Haft steht im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts. Dabei hat unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit eine Abwägung des Rechts des Betroffenen auf seine persönliche Freiheit gegenüber dem Gesetzeszweck zu erfolgen, nämlich im Allgemeininteresse eine zügige Durchführung der vollziehbaren Abschiebung zu sichern (OLG München, Beschl. v. 16. Januar 2006 - 34 Wx 172/05 - bei juris). Im Gegensatz zu den Haftgründen nach § 62 Abs. 2 S. 1 AufenthG stellt der hier in Frage stehende Haftgrund nicht auf das Verhalten des Betroffenen ab, sondern auf den bloßen Ablauf der Ausreisefrist und vor allem auf den Stand der Vorbereitungen der Abschiebung (OLG München a.a.O., OLG Naumburg, Beschl. vom 13. März 2000 - 10 Wx 25/99 - zitiert bei Melchior Abschiebungshaft, online-Kommentar). Bei der Interessenabwägung zwischen dem Allgemeininteresse auch an der Vermeidung fruchtloser und kostenintensiver Vorbereitungsmaßnahmen kommt deren Ausmaß maßgebliche Bedeutung zu (OLG Naumburg a.a.O.). Die Anordnung der kleinen Sicherungshaft setzt nicht die positive Feststellung voraus, dass konkrete Anhaltspunkte für eine Entziehungsabsicht des Betroffenen vorliegen.

Die danach von dem beschließenden Gericht in Ausübung seines pflichtgemäßen Ermessens zu treffende Abwägung führt zu dem Ergebnis, dass das Freiheitsrecht des Betroffenen im vorliegenden Fall überwiegt. Der Betroffene hat in der Anhörung glaubhaft angegeben, der Abschiebung Folge zu leisten. Insoweit wurde zugunsten des Betroffenen sein gesundheitlicher Zustand berücksichtigt. [...]