Keine asylerhebliche Gefährdung eines hochrangigen Militärs, der Albanien 1996 wegen drohender Gefährdung durch die Regierung Berisha verlassen hat, weil sich die Verhältnisse seitdem grundlegend geändert haben.
(Leitsatz der Redaktion)
In Ansehung der vom Senat für glaubhaft erachteten Angaben des Beigeladenen zu 1) zu seinem Vorfluchtschicksal hat dieser Albanien, wovon auch das Bundesamt und das Verwaltungsgericht ausgegangen sind, als so genannter Vorverfolgter verlassen.
Soweit es die angenommene Herabstufung im Dienstgrad anbetrifft, dürfte diese freilich trotz ihrer Schwere für sich allein gesehen nicht asylrechtserheblich sein. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (InfAuslR 1983,258; InfAuslR 1988, 22; Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 104; vgl. auch Marx, AsylVfG, 4. Aufl., § 30 Rdnrn. 36 ff. m.w.N.) stelIen sich auch politisch motivierte Beeinträchtigungen im beruflichen Bereich regelmäßig erst dann als ausgrenzende Verfolgung dar, wenn die wirtschaftliche Existenz des Betroffenen nicht durch anderweitige Beschäftigung oder auf sonstige Weise gewährleistet ist. Derartige Folgen waren beim Beigeladenen zu 1) wohl nicht zu besorgen. Denn er war nach seinen Angaben nach Einstellung der Gehaltszahlungen durch den Staat im Januar 1996 ohne größere Schwierigkeiten in der Lage, den Lebensunterhalt für sich und seine Familie durch private Tätigkeiten als Dolmetscher und Übersetzer sicherzustellen. Eine solche berufliche Ausweichmöglichkeit stand dem Beigeladenen zu 1) nach dem vorgenannten Befehl jedoch nicht sanktionslos offen. Vielmehr war ihm für den Fall der Nichtbefolgung des jeder Rechtsgrundlage entbehrenden Befehls angedroht worden, er werde ins Gefängnis geworfen. Dem lag nach den glaubhaften Angaben des Beigeladenen zu 1) zuletzt offenbar im Schwerpunkt seine gegenüber Z. und anderen Spitzenbeamten des Verteidigungsministeriums geäußerte Drohung, die er bei der Anhörung yor dem Senat als eigenen schweren Fehler bezeichnet hat, zugrunde, mit ihm bekannten Korruptionsvorfällen und Fällen von Waffenhandel an die Öffentlichkeit zu treten. Nimmt man hinzu, dass der albanische Geheimdienst - wie glaubhaft gemacht - deswegen alsbald auf den Beigeladenen zu 1) zurückgreifen wollte, so rechtfertigt dies den Schluss, dass dieser im Juli 1996 jedenfalls wegen ihm unmittelbar drohender politischer Verfolgung Albanien verlassen hat.
Im Zeitpunkt seiner Entscheidung (Ende Juni 1997) ist das Bundesamt schließlich zu
Recht davon ausgegangen, dass die vom Beigeladenen zu 1) mit seinem Antrag geltend gemachte Gefahr erneuter Verfolgung bei einer Rückkehr nach Albanien (noch) fortbestand. Zwar war zu diesem Zeitpunkt als Ergebnis der Parlamentswahl vom Juni 1997 die Regierung Berisha bereits abgewählt und die erste Regierung der Sozialistischen Partei unter dem Premierminister N. im Amt. Der Regierungswechsel war indes mit anhaltenden Übergangsbelastungen verbunden, insbesondere weil die Demokratische Partei das Ergebnis der Wahl nicht anerkannte und bis Juli 1999 - mit einer mehrmonatigen Unterbrechung im Frühjahr 1998 - auch das Parlament boykottierte; noch im September 1998 kam es zumindest mit Billigung von Berisha sogar zu einem Putschversuch, der allerdings fehlschlug (vgl. Lagebericht vom 6.4.2001, S. 3).. Angesichts dessen konnte jedenfalls im Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesamtes noch nicht:von einer politischen Stabilisierung der neuen Regierung der Sozialistischen Partei und von einer Neustrukturierung der Verwaltungen und Sicherheitsbehörden die Rede sein, derzufolge der Beigeladene zu 1) wegen eines Wegfalls der fluchtauslösenden Umstände in seinem eigenen Staat schon damals wieder hinreichenden Schutz hätte finden können.
Zu Recht wendet der Bundesbeauftragte jedoch ein, dass unter Berücksichtigung der jetzigen Sach- und Rechtslage eine asylrechtlich relevante Rückkehrgefährdung des Beigeladenen zu 1) nicht mehr gegeben ist.
Bei der gegebenen Sachlage trifft zunächst die Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht zu, für die Frage einer künftigen Verfolgungsgefährdung sei beim Beigeladenen zu 1) als Vorverfolgter der so genannte herabgestufte Prognosemaßstab anzuwenden; es komme also darauf an, ob eine erneute Verfolgung mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden könne, was nicht der Fall sei. Die Erwägungen des Verwaltungsgericht hierzu beruhen auf einer fehlerhaften Anwendung der Grundsätze, die das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 18. Februar 1997 (a. a. O.) zur Maßgeblichkeit des so genannten herabgestuften Maßstabs bei erlittener Vorverfolgung entwickelt hat. Das Bundesverwaltungsgericht hat ausdrücklich klargestellt, dass der herabgestufte Wahrscheinlichkeitsmaßstab nur Anwendung findet, wenn ein innerer Zusammenhang zwischen erlittener Vorverfolgung und der mit dem Asylbegehren geltend gemachten Gefahr erneuter politischer Verfolgung dergestalt besteht, dass bei einer Rückkehr in das Heimatland mit einem Wiederaufleben der ursprünglichen Verfolgung zu rechnen ist oder das erhöhte Risiko einer gleichartigen Verfolgung besteht. Dafür besteht im Fall des Beigeladenen zu 1) kein tragfähiger Anhaltspunkt. Soweit die ihm gegenüber verfügten beruflichen Repressionen darauf beruhten, dass er die politischen Konzeptionen der Regierung zur Reform der albanischen Armee nicht mittragen wollte, wird ihm dieses bei einer Rückkehr nach Albanien schwerlich erneut zum Nachteil geraten. Insoweit wird in der zitierten Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 26. November 1997 unter 2. angesichts der fortbestehenden erheblichen politischen Differenzen zwischen der Sozialistischen Partei und der Demokratischen Partei einleuchtend darauf hingewiesen, Konflikte mit der alten Regierung Berisha würden dem Beigeladenen zu 1) bei einer Rückkehr nach Albanien "eher positiv angerechnet werden". Auch im Hinblick auf die vom Beigeladenen zu 1) vor seiner Flucht erhobene Drohung, mit Informationen über Korruptionsfälle und Waffenhandel an die Öffentlichkeit zu treten, ist bei einer Rückkehr mit der Gefahr eines Wiederauflebens der ursprünglichen staatlichen Verfolgung nicht zu rechnen. Der Beigeladene zu 1) hat in diesem Zusammenhang zwar auch in der Anhörung vor dem Senat nicht näher dargestellt, von welchen potenziell kompromittierenden Vorgängen er Kenntnis hat; aus seiner Befürchtung, von der jetzigen Regierung als Zeuge gegen die frühere Regierung - gegebenenfalls auch mittels Zwangs - in Anspruch genommen zu werden, ergibt sich aber, dass er nicht über einschlägiges Wissen verfügt, bei dessen Offenbarung Führungskräfte auch des gegenwärtig im Amt befindlichen dritten Kabinetts der Sozialistischen Partei unter Premierminister xxx belastet werden könnten.
Soweit es die Gefahr einer unmittelbaren staatlichen Verfolgung angeht, beruft sich der Beigeladene zu 1) somit auf Verfolgungsbefürchtungen, die keinen inneren Zusammenhang mit seiner Vorverfolgung aufweisen. Soweit er geltend macht; er habe seitens der früheren Machtinhaber, also seitens nicht staatlicher Stellen, Racheakte zu besorgen, handelt es sich ebensowenig um eine - im Übrigen dem Staat nichtzurechenbare (vgl. noch sogleich) - gleichartige Verfolgung, die die Anwendung des herabgestuften Watlrscheinlichkeitsmaßstabs rechtfertigt. Daraus folgt, dass bei der Beurteilung einer asylrelevanten Rückkehrgefährdung des Beigeladenen zu 1) entsprechend dem allgemeinen Maßstab darauf abzustellen ist, ob ihm dem Staat zurechenbare Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht.
Dafür bestehen indessen keine hinreichenden Anhaltspunkte. Soweit es die Gefahr privater Racheakte angeht, ist diese zwar nicht von der Hand zu weisen. Sie ist jedoch entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts dem albanischen Staat nicht zuzurechnen. Denn es fehlt an jeglichen Anhaltspunkten dafür, dass der albanische Staat nicht willens wäre, dem Beigeladenen zu 1) im Rahmen seiner Möglichkeiten Schutz zu gewähren. Dass diese Möglichkeiten nur begrenzt sind (hierfür führt das Verwaltungsgericht beispielhaft an, dass es dem albanischen Staat bislang nicht gelungen sei, die Tradition der Blutrache zu bekämpfen, und dass ein Großteil der albanischen Bevölkerung seit der Plünderung der Waffendepots im Frühjahr 1997 über Feuerwaffen verfüge, vgl. auch Lagebericht vom 6.4.2001, S. 6), begründet für sich allein keine Zurechnungslage. Derartigen Gefahrenlagen, denen im Übrigen nirgendwo - auch nicht im Bundesgebiet - sicher begegnet werden kann, könnte daher allenfalls durch die Zubilligung von Abschiebungsschutz nach § 53 AuslG Rechnung getragen werden, eine Frage, die allerdings nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist.
Soweit der Beigeladene zu 1) auch staatliche Repressalien für möglich hält - er hält es insoweit nicht für ausgeschlossen, dass er wegen Desertion inhaftiert wird, um ihn gefügig zu machen, als Zeuge gegen die frühere Regierung aufzutreten -, handelt es sich nach eigenen Angaben um bloße Besorgnisse ohne konkreten Tatsachenhintergrund, mit denen dementsprechend nicht auf die Gefahr einer politischen Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit geschlossen werden kann. Das gilt um so mehr, als es in der Zeit der Regierungen der Sozialistischen Partei in Albanien - abgesehen vqn zwei Ermittlungsverfahren wegen der Unruhen im März 1997 und des Putschversuchs im September 1998 - bisher nicht zu Verfahren mit politischen Hintergrund gekommen ist (vgl. Lagebericht vom 6.4.2001, S. 5).
Nach alledem ist der Bescheid des Bundesamtes vom 30: Juni 1997 antragsgemäß aufzuheben, soweit dem Beigeladenen zu 1) Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG zugebilligt worden ist.