OVG Nordrhein-Westfalen

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Zitieren als:
OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 23.11.2010 - 13 A 1013/09.A [= ASYLMAGAZIN 2011, S. 81 ff.] - asyl.net: M18111
https://www.asyl.net/rsdb/M18111
Leitsatz:

Vorlagefragen an den EuGH zur Auslegung von Art. 10 Abs. 1 Buchstabe d Satz 2 der Qualifikationsrichtlinie (QRL) hinsichtlich einer Zumutbarkeit, Homosexualität im Verborgenen auszuleben, wenn ansonsten Verfolgungsgefahr droht (hier im Iran). Fraglich ist ferner, ob es im Sinne der früheren Rechtsprechung auf eine unentrinnbare schicksalhafte Festlegung auf homosexuelles Verhalten seit Inkrafttreten der QRL noch ankommt. Es wird auch die Frage vorgelegt, ob spezielle Verbote zum Schutz der öffentlichen Ordnung und Moral bei der Auslegung und Anwendung von Art. 10 Abs. 1 Bst. d QRL beachtlich sind oder die homosexuelle Betätigung wie bei einem heterosexuellen Menschen geschützt ist.

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Dieser Vorlagebeschluss wurde vom OVG NRW mit Beschluss vom 15.2.11 - 13 A 1013/09.A - (asyl.net, M18348) nach Klaglosstellung des Klägers aufgehoben.

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Schlagwörter: Asylverfahren, Flüchtlingsanerkennung, Iran, soziale Gruppe, homosexuell, Vorlagebeschluss, Verfolgungsgrund, Asylfolgeantrag, Qualifikationsrichtlinie, religiöses Existenzminimum, Genfer Flüchtlingskonvention, irreversible Prägung, Strafbarkeit
Normen: AEUV Art. 267, RL 2004/83/EG Art. 10 Abs. 1 Bst. d S. 2, AsylVfG § 3, AufenthG § 60 Abs. 1, RL 2004/83/EG Art. 2 Bst. c, RL 2004/83/EG Art. 9, AufenthG § 60 Abs. 1 S. 5, GFK Art. 1 A Nr. 2, EMRK Art. 8 Abs. 2, GR-Charta Art. 52
Auszüge:

[...]

13 1. Begründung und Erläuterung der Vorlagefragen [...]

24 b) Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefragen auf der Grundlage der deutschen Rechtslage

25 Der Erfolg der Klage hängt davon ab, ob der Kläger die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylVG in Verbindung mit § 60 Abs. 1 AufenthG beanspruchen kann. Die geltend gemachte Feststellung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylVfG, die der Kläger nunmehr allein auf seine homosexuelle Veranlagung stützt, kann der Klage möglicherweise zum Erfolg verhelfen.

26 Das Verwaltungsgericht hat zwar schlüssig dargelegt, dass Homosexuelle im Iran nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit verfolgt werden, solange sie ihre Veranlagung im Verborgenen auslebten und nicht bereits wegen homosexueller Neigungen die besondere Aufmerksamkeit der iranischen Strafverfolgungsbehörden erregt hätten. Homosexuelle Handlungen zwischen Männern werden zwar strafrechtlich verfolgt (Art. 108 bis 126 iranischen StGB). Der vollendete homosexuelle Geschlechtsverkehr wird nach Art. 110 iranisches StGB mit der Todesstrafe bestraft und beischlafähnliche Handlungen nach Art. 121 StGB mit Peitschenhieben. Ob Todesurteile, die ausschließlich wegen homosexueller Handlungen gefällt wurden, vollstreckt werden, ist derzeit nicht geklärt (vgl. Bericht des Auswärtigen Amtes vom 28. Juli 2010 über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, Stand: Juni 2010; vgl. auch de.wikipedia.org/wiki/ Homosexualitaet_im_Iran). Das Praktizieren der homosexuellen Veranlagung soll im Verborgenen aber möglich sein. In Teheran existierten Treffpunkte von Homosexuellen in öffentlichen Parks. Homosexuelle könnten relativ unbehelligt leben, solange sie ihre Veranlagung nicht öffentlich bekannt geben. Grundsätzliche Bedenken gegen diese Einschätzung der tatsächlichen Verhältnisse hat der Senat nicht. Möglicherweise ist ein bloßes Ausleben der Homosexualität im Verborgenen dem Kläger bei einer Anwendung von Art. 10 Abs. 1 Buchst. d) Satz 2 der Richtlinie 2004/83/EG aber nicht zuzumuten. In diesem Zusammenhang stellen sich daher die Vorlagefragen 1 und 2.

27 Vorlagefrage zu 1.

29 Es ist entscheidungserheblich, ob Homosexualität als sexuelle Ausrichtung im Sinne von Art. 10 Abs. 1 Buchst. d) Satz 2 der Richtlinie 2004/83/EG anzusehen ist und hinreichender Verfolgungsgrund sein kann.

30 Auf der Grundlage des geltend gemachten Abschiebungsschutzes nach § 60 Abs. 1 AufenthG sind die Art. 9 und 10 der Richtlinie 2004/83/EG ergänzend anzuwenden (§ 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG) (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. November 2008 10 C 46.07 -, NVwZ 2009, 592; OVG NRW, Beschluss vom 30. Juli 2009 5 A 982/07.A -, juris).

31 Eine soziale Gruppe im Sinne von Art. 10 Abs. 1 Buchst. d) Satz 1 und 2 der Richtlinie 2004/83/EG kann möglicherweise auch dann gegeben sein, wenn das gemeinsame Merkmal die homosexuelle Ausrichtung von Menschen ist.

32 Nach Auffassung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften enthält Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 2004/83/EG Regeln für die Auslegung der Formulierung "Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe", einer bewusst relativ allgemein gehaltenen Formulierung, die umfassend auszulegen ist. Die Europäische Kommission hat in ihrem Vorschlag vom 12. September 2001 für eine Richtlinie des Rates über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen (KOM [2001] 510; Ratsdok: 13620/01; siehe auch eur-lex.europa.eu/LexUri Serv/LexUriServ.do?uri=COM:2001:0510:FIN:DE:PDF), des Weiteren ausgeführt: "Eine Gruppe lässt sich anhand eines wesentlichen Merkmals wie des Geschlechts, der sexuellen Ausrichtung, des Alters, der familiären Bindung oder der Lebensgeschichte oder anhand eines Attributs definieren, das so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen ist, dass von den Mitgliedern der Gruppe nicht verlangt werden darf, darauf zu verzichten; Beispiele hierfür sind die Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft oder die Zugehörigkeit zu einer Menschenrechtsgruppe. Die Formulierung beschränkt sich nicht auf genau definierte kleine Personengruppen; es ist auch nicht erforderlich, dass sich der Betreffende der Gruppe freiwillig angeschlossen hat oder de facto ein Zusammenhalt zwischen den Gruppenmitgliedern besteht. Der Verweis auf das Geschlecht und die sexuelle Ausrichtung impliziert nicht, dass Frauen und Homosexuelle diesen Verfolgungsgrund in jedem Fall geltend machen können. Ob er Anwendung finden kann, hängt von den jeweiligen Umständen und der Situation im Herkunftsland sowie den Merkmalen der Verfolgung und des Verfolgten ab."

33 Die auf einzelfallbezogene Umstände des jeweiligen Herkunftslandes abhebenden Ausführungen der Kommission finden sich im Wortlaut von Art. 10 Abs. 1 Buchst. d) Satz 2 der Richtlinie 2004/83/EG wieder ("je nach den Gegebenheiten im Herkunftsland"). Ferner lässt sich aus dem Wortlaut der Bestimmung ableiten, dass das gemeinsame Merkmal für die Identität so bedeutsam sein muss, dass von den Mitgliedern nicht verlangt werden darf, darauf zu verzichten. Fraglich ist aber, ob hinsichtlich des Merkmals der sexuellen Ausrichtung noch eine ergänzende präzisierende Auslegung geboten ist. Die Antwort auf die Frage zu 1. kann unter Umständen nur unter Berücksichtigung sonstiger Gemeinschaftsbestimmungen und zwischenstaatlicher Vorschriften erfolgen (siehe unter Rn. 34).

34 Die Richtlinie 2004/83/EG wurde auf der Grundlage insbesondere des Art. 63 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c) EG erlassen, durch den der Rat beauftragt worden war, in Übereinstimmung mit der Genfer Konvention und einschlägigen anderen Verträgen Asylmaßnahmen im Bereich der Mindestnormen für die Anerkennung von Staatsangehörigen dritter Länder als Flüchtlinge zu beschließen. Aus den Erwägungsgründen 3, 16 und 17 der Richtlinie geht hervor, dass die Genfer Konvention einen wesentlichen Bestandteil des internationalen Rechtsrahmens für den Schutz von Flüchtlingen darstellt und dass die Bestimmungen der Richtlinie über die Voraussetzungen der Anerkennung als Flüchtling und über den Inhalt des Flüchtlingen zu gewährenden Schutzes erlassen wurden, um die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten bei der Anwendung der Genfer Konvention auf der Grundlage gemeinsamer Kriterien und Konzepte zu leiten. Die Bestimmungen der Richtlinie sind daher im Licht der allgemeinen Systematik und des Zwecks der Richtlinie in Übereinstimmung mit der Genfer Konvention und einschlägigen anderen Verträgen, auf die Art. 63 Abs. 1 Nr. 1 EG (jetzt Art. 78 Abs. 1 AEUV) Bezug nimmt, auszulegen. Diese Auslegung muss zudem, wie dem Erwägungsgrund 10 der Richtlinie zu entnehmen ist, die Achtung der Grundrechte und die Befolgung der insbesondere in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union anerkannten Grundsätze gewährleisten (vgl. EuGH, Urteile vom 2. März 2010 C-175/08 u. a. , http:/curia.europa.eu = NVwZ 2010, 505 (Salahadin Abdulla), und vom 9. November 2010 C57/09 u. a. , http:/curia.europa.eu).

35 Vorlagefrage zu 2. a) und b)

36 Ist die Vorlagefrage zu 1. zu bejahen, stellt sich entscheidungserheblich die weiterführende Frage, in welchem Umfang die homosexuelle Betätigung geschützt ist (Vorlagefrage zu 2. a). Hieran anknüpfend ergibt sich die zusätzliche Frage, ob der homosexuelle Mensch darauf zu verweisen ist, seine sexuelle Ausrichtung im Heimatland im Verborgenen auszuleben und nach außen hin nicht bekannt werden zu lassen (Vorlagefrage zu 2. b).

37 Nach der bisherigen nationalen Rechtslage (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. März 1988 9 C 278.86 , BVerwGE 79, 143, 149) bildeten Homosexuelle keine bestimmte soziale Gruppe im Sinne des Art. 1 A Nr. 2 GFK. Allerdings rechnete die nationale Rechtsprechung zu den asylrechtlich relevanten unveränderlichen Eigenschaften auch eine homosexuelle Veranlagung, wenn im Sinne einer irreversiblen Prägung eine unentrinnbare schicksalhafte Festlegung auf homosexuelles Verhalten gegeben ist. Hieraus ergab sich Flüchtlingsschutz für Homosexuelle dann, wenn sie sich ihrer Prägung nicht nach ihrem Belieben entziehen und daher auch einer entsprechend drohenden Verfolgung nicht durch Verzicht ausweichen können. Dem Asylbewerber war es zuzumuten, seine homosexuelle Veranlagung und Betätigung nicht nach außen hin bekannt werden zu lassen, sondern auf den Bereich seines engsten persönlichen Umfeldes zu beschränken.

38 Gemäß Art. 10 Abs. 1 Buchst. d) Satz 1 der Richtlinie 2004/83/EG gehört es zu den Kriterien der sozialen Gruppe, dass gemeinsame Merkmale vorliegen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten. In Art. 10 Abs. 1 Buchst. d) Satz 2 der Richtlinie 2004/83/EG wird ausdrücklich anerkannt, dass das gemeinsame Merkmal in der sexuellen Ausrichtung liegen kann. Die Flüchtlingseigenschaft kann deshalb bereits dann gegeben sein, wenn Homosexuelle in dem betreffenden Land der Gefahr einer Verfolgungshandlung im Sinne des Art. 9 der Richtlinie 2004/83/EG ausgesetzt sind. Auf die Frage der unentrinnbaren schicksalhaften Festlegung auf homosexuelles Verhalten (siehe Rn. 37) kommt es daher möglicherweise nicht mehr an. Dies kann zur Folge haben, dass kein entsprechendes Alternativverhalten gefordert werden kann, um der drohenden Verfolgung auszuweichen. In dieser Hinsicht wäre die sexuelle Ausrichtung als unverzichtbares persönliches Merkmal umfassend geschützt.

39 Es kommt daher darauf an, ob es einem homosexuell veranlagten Menschen bei Anwendung von Art. 10 Abs. 1 Buchst. d) der Richtlinie 2004/83/EG zumutbar ist, seine Veranlagung nur im nichtöffentlichen Bereich seines Heimatlandes auszuleben, oder ob die Richtlinie 2004/83/EG die homosexuelle Betätigung im öffentlichen Bereich schützt, so dass von ihm nicht zu verlangen ist, dass er sich homosexueller Handlungen enthält, um eine andernfalls drohende Verfolgungshandlung zu umgehen. Dies gilt insbesondere für die Frage einer dauerhaften Beziehung zu einem homosexuellen Partner. Die Klage hätte daher Erfolg, wenn es dem Kläger nicht zuzumuten ist, seine Homosexualität anders als ein heterosexueller Mensch nur im Verborgenen ausleben zu müssen.

40 Die Richtlinie 2004/83/EG sieht in Art. 9 Abs. 1, 3 i. V. m. Art. 10 Abs. 1 Buchst. b) eine relevante Verfolgung aus religiösen Gründen auch bei Teilnahme bzw. Nichtteilnahme an religiösen Riten im öffentlichen Bereich als Verfolgungshandlung an (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 30. Juli 2009 - 5 A 982/07.A -, a. a. O.). Einen solchen auf den privaten oder öffentlichen Bereich bezogenen Zusatz enthält Art. 10 Abs. 1 Buchst. d) Satz 1 und 2 der Richtlinie 2004/83/EG für die Frage einer relevanten Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe, die sich auf das gemeinsame Merkmal der sexuellen Ausrichtung gründet, nicht. Es fragt sich aber, welcher Schluss aus dem Fehlen eines Hinweises in dieser Norm auf den öffentlichen Bereich zu ziehen ist. Enthält die Richtlinie 2004/83/EG in Art. 10 für den Religionsschutz, wonach Schutz der Religionsausübung in der Öffentlichkeit in Abkehr vom früheren Grundverständnis in den Mitgliedstaaten (forum internum) nunmehr ausdrücklich bestimmt ist, eine Regelung, die allein für den Bereich der Religion Bedeutung hat und ohne Bezug zu den anderen Regelungen in Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 2004/83/EG (insbesondere Buchst. d) über die "soziale Gruppe") ist? Art. 10 Abs. 1 Buchst. d) Satz 1 und 2 der Richtlinie 2004/83/EG könnte möglicherweise, wenn es etwa um die Frage einer Partnerschaft geht, gar nicht zwischen privatem und öffentlichen Bereich unterscheiden.

41 In der deutschsprachigen Literatur wird die Auffassung vertreten, dass es mit Rücksicht auf die Richtlinie 2004/83/EG nicht zumutbar sei, seine homosexuelle Veranlagung ausschließlich im privaten Umfeld auszuleben und nach außen hin nicht bekannt werden zu lassen. Die frühere, aus der Zeit vor der Richtlinie 2004/83/EG stammende Rechtsprechung (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. März 1988 9 C 278.86 -, a. a. O.) sei überholt, weil die Richtlinie 2004/83/EG die sexuelle Ausrichtung nicht den unveränderlichen Merkmalen zuordne; ein Verzicht könne auch bei Abänderlichkeit wegen ihres identitätsprägenden Charakters nicht verlangt werden (vgl. Hruschka/Tillmann, NVwZ 2009, 205, 210).

42 Vorlagefrage zu 2. c)

43 Entscheidungserheblich ist ferner die Frage, ob spezielle Regeln oder Verbote zum Schutz etwa der öffentlichen Ordnung und Moral bei Auslegung und Anwendung des Art. 10 Abs. 1 Buchst. d) der Richtlinie 2004/83/EG beachtlich sein können.

44 Nach Art. 10 Abs. 1 Buchst. d) Satz 3 Hs. 1 der Richtlinie 2004/83/EG dürfen als sexuelle Ausrichtung keine Handlungen verstanden werden, die nach dem nationalen Recht der Mitgliedstaaten als strafbar gelten. Hier sind möglicherweise Verbote zum Schutz der öffentlichen Ordnung und Moral beachtlich. Nach Art. 8 Abs. 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) darf etwa eine Behörde in die Ausübung des Privat- und Familienlebens nur eingreifen, soweit der Eingriff gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist für die nationale oder öffentliche Sicherheit, für das wirtschaftliche Wohl des Landes, zur Aufrechterhaltung der Ordnung, zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer. Des Weiteren könnte die Charta der Grundrechte der Europäischen Union Relevanz haben. Wäre die Richtlinie 2004/83/EG auch unter Berücksichtigung der Grundrechte- Charta auszulegen, könnte insbesondere Art. 52 der Grundrechte-Charta, der die Tragweite der garantierten Rechte begrenzt, Bedeutung zukommen. Um die Möglichkeit auszuschließen, dass die in Satz 1 und 2 des Art. 10 Abs. 1 Buchst. d) der Richtlinie 2004/83/EG niedergelegten Grundsätze nicht (weitgehend) leerlaufen, könnte möglicherweise zur Vermeidung eines Sonderregimes auch zu berücksichtigen sein, ob sich der Flüchtling im Sinne von § 3 AsylVfG bei einer Rückkehr in sein Heimatland in der gleichen Lage befinden würde, in der sich ein Heterosexueller befände, wenn jedes heterosexuelle Verhalten unter Strafe stünde.

45 2.) Entscheidungskompetenz des EuGH

Die Entscheidung darüber, wie Art. 10 Abs. 1 Buchst. d) der Richtlinie 2004/83/EG insoweit ausgelegt werden muss, ist nach Art. 267 AEUV dem Gerichtshof vorbehalten. Der Gerichtshof hat die aufgeworfenen Fragen - soweit ersichtlich - noch nicht entschieden. [...]