VG Bremen

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Zitieren als:
VG Bremen, Beschluss vom 24.11.2010 - 4 V 685/10 - asyl.net: M18008
https://www.asyl.net/rsdb/M18008
Leitsatz:

Der Widerspruch gegen eine Nebenbestimmung (auflösende Bedingung) einer Duldung hat aufschiebende Wirkung.

Schlagwörter: Duldung, Nebenbestimmung, auflösende Bedingung, Suspensiveffekt, vorläufiger Rechtsschutz
Normen: VwGO § 80 Abs. 1, VwGO § 80 Abs. 5, BremVwVfG § 36 Abs 2 Nr. 2, VwGO § 113 Abs. 1 S. 1
Auszüge:

[...]

2. Soweit der Antragsteller die Feststellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen die Zusätze "Duldung erlischt bei Vorlage eines Passes/Passersatzpapiers" und "Duldung erlischt mit Bekanntgabe des Rückführungstermins" begehrt hat, waren zum maßgeblichen Zeitpunkt der Erledigung hinreichende Erfolgsaussichten gegeben.

Der Antragsteller konnte die Feststellung begehren, dass der von ihm dagegen erhobene Widerspruch aufschiebende Wirkung hatte. Wird ein Verwaltungsakt vollzogen, obwohl der Rechtsbehelf nach § 80 Abs. 1 VwGO aufschiebende Wirkung hat, so ist gegen diese sog. "faktische Vollziehung" analog § 80 Abs. 5 VwGO der Antrag statthaft, dass dem Rechtsbehelf aufschiebende Wirkung zukommt. Das Gleiche gilt, wenn sich eine Behörde ohne Vollziehungsanordnung eines Vollziehungsrechts berühmt oder sonst die Voraussetzungen des § 80 Abs. 1 VwGO und deshalb die aufschiebende Wirkung von Widerspruch oder Anfechtungsklage verneint (vgl. Redeker/von Oertzen, VwGO, 15. Aufl. 2010, § 80 Rn. 29 f.; Kirste, DOV 2001, 397 (398); Gersdorf, in: Posser/Wolff, VwGO, 2008, § 80 Rn. 156; VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 31.01.1974 - IV 9/74).

Diese Voraussetzung liegt hier vor, da die Behörde unter Hinweis auf die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung im Verfahren 4 V 434/10 die isolierte Anfechtbarkeit der Nebenbestimmungen verneint hat. Sie ist hiervon auch nicht abgerückt, obwohl sie durch gerichtliches Schreiben vom 28.09.2010 auf die beabsichtigte Änderung der Rechtsprechung der Kammer hingewiesen worden ist.

Dem Widerspruch des Klägers kam tatsächlich auch eine aufschiebende Wirkung zu.

Bei den genannten Zusätzen handelte es sich um auflösende Bedingungen im Sinne des § 36 Abs. 2 Nr. 2 BremVwVfG, die eine Rückführung des Antragstellers vor Ablauf der Duldungsfrist ermöglichen sollen, und somit um echte Nebenbestimmungen im Sinne des § 36 BremVwVfG (vgl. VG Bremen, Beschl. v. 24.06.2010 - 4 V 434/10). Die Kammer geht in Abkehr von seiner in dem Verfahren 4 V 434/10 geäußerten Rechtsauffassung nunmehr davon aus, dass dieser auflösenden Nebenbestimmung auch ein eigener Regelungsgehalt zukommt, der eine isolierte Anfechtbarkeit ermöglicht. Ein solches Verständnis entspricht der durch das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 22.10.2000 - 11 C 2.00 - vertretenen Ansicht, dass gegen sämtliche Nebenbestimmungen eines Verwaltungsaktes grundsätzlich die Anfechtungsklage gegeben ist. Ob der begünstigende Verwaltungsakt - hier die Duldung - ohne die Nebenbestimmung sinnvoller- und rechtmäßigerweise bestehen bleiben kann, ist eine Frage der Begründetheit und nicht der Zulässigkeit des Anfechtungsbegehrens, sofern nicht eine isolierte Aufhebbarkeit offenkundig von vornherein ausscheidet (vgl. BVerwG, a.a.O. = NVwZ 2001, 429), Ein solches Verständnis des materiellen Gehalts einer Nebenbestimmung entspricht auch dem Interesse des Rechtsschutzsuchenden, der sich regelmäßig gar nicht gegen die seinem vormaligen Begehren entsprechende Begünstigung richten möchte, sondern lediglich die Aufhebung der insoweit getroffenen Beschränkung begehrt. Eine unmittelbar zur Aufhebung der rechtswidrigen Nebenbestimmung führende nach dem Wortlaut des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO zulässige - Teilanfechtungskiage verdrängt daher als die speziellere und rechtsschutzintensivere Klageart grundsätzlich die Verpflichtungsklage auf uneingeschränkten Erlass des begünstigenden Verwaltungsakt. Durch die isolierte Anfechtbarkeit der Nebenbestimmung wird der Anfechtende durch den Suspensiveffekt des § 80 Abs. 1 VwGO in die Lage versetzt, bereits von der gewährten Begünstigung Gebrauch zu machen, während über die belastende Nebenbestimmung noch gestritten wird (Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz, 5. Aufl. 2008, Rn. 937). [...]