Flüchtlingsanerkennung für armenische Christin, die im Iran wegen ihrer missionarischen Tätigkeit in das Blickfeld der iranischen Behörden geraten ist.
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Die Klägerin hat aber einen Anspruch auf Feststellung der Flüchtlingseigenschaft. [...]
Unter Beachtung dieser Maßstäbe ist die erkennende Kammer aufgrund der in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Erkenntnisse zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin nicht in den Iran abgeschoben werde darf, da dort ihr Leben und ihre Freiheit aufgrund ihrer christlichen Religionszugehörigkeit bedroht ist.
Nach den glaubhaften Darlegungen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung ist die Klägerin im Iran auch gegenüber moslemischen Mitmenschen aktiv für ihren christlichen Glauben eingetreten und hat durch ihren Einsatz bewirkt, dass Moslems sich zu dem christlichen Glauben hingezogen fühlten. So hat die Klägerin sowohl bei ihrer Anhörung im Verwaltungsverfahren als auch in der mündlichen Verhandlung vor Gericht überzeugend dargelegt, dass sie aufgrund ihres Engagements in der Frauenorganisation ihrer Kirche Besuche bei anderen Gläubigen, aber auch bei moslemischen Persern gemacht hat. Hierbei hat sie aus ihrer christlichen Überzeugung keinen Hehl gemacht und so auch Personen zum christlichen Glauben bekehrt, zumindest aber deren Interesse an dem christlichen Glauben geweckt. Über diese Aktivitäten hat sie in einer gemeinsamen Veranstaltung der armenisch, assyrisch und persisch sprechenden Christen in Teheran in persischer Sprache berichtet. Dies hat sie bereits bei ihrer Befragung im Verwaltungsverfahren angegeben. [...] Von diesen Veranstaltungen seien Aufnahme auf einer CD gemacht worden, die den iranischen Sicherheitskräften in die Hände gefallen seien. Dieser Erklärung stimmt auch mit der Erklärung in der mündlichen Verhandlung überein. Vorliegend kann es offen bleiben, ob die Aktivitäten der Klägerin für sich genommen ausreichend wären, um eine Verfolgung der Klägerin im Iran anzunehmen. Jedenfalls sind sie nach Auffassung der erkennenden Kammer im Zusammenhang mit den Aktivitäten ihres ältesten Sohnes P., dem die Bekehrung eines Moslems zum Christentum vorgeworfen wird und der deshalb von den iranischen Behörden gesucht wurde, asylrechtlich relevant. Hierbei geht das Gericht - wie sich aus den Urteilen in den Verfahren des Ehemanns der Klägerin - 2 K 307/10.TR - und ihres jüngeren Sohnes ... - 2 K 310/10.TR - ergibt - ebenfalls davon aus, dass die Familie der Klägerin insgesamt von den iranischen Behörden drangsaliert wird, nachdem ihr Sohn P. aufgrund seiner Ausreise nicht mehr für seine angebliche Missionstätigkeit belangt werden kann. Insoweit kann auf die Gründe der den Parteien bekannten Urteile in den beiden oben genannten Verfahren verwiesen werden.
Zwar sind die armenischen Christen im Iran weitgehend in die Gesellschaft integriert, sie sind jedoch ebenso wie konvertierte Christen von Repressionen betroffen, wenn sie missionieren (vgl. Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelvante Lage in der Islamischen Republik Iran vom 28. Juli 2010). Als Grundlage für derartige Verfolgung dienen die Artikel 183 bis 196 des iranischen Strafgesetzbuches über die Bestrafung wegen "Feindschaft gegen Gott" und "Korruption auf Erden" (vgl. Lagebericht Iran des AA a.a.O.). Im Gegensatz zu den traditionellen christlichen Gruppierungen stehen die protestantisch-evangelischen Glaubensgemeinschaften auch eher für muslimische Iraner offen und betreiben aktiv Missionsarbeit. Anhänger dieser "neuen christlichen Strömungen" stoßen weit öfters auf Schwierigkeiten mit iranischen Behörden, da sie als missionierende Gruppen gelten, ihre Gottesdienste teilweise auf Farsi abhalten und Übertritte von Muslimen zum christlichen Glauben akzeptieren (vgl. Christen und Christinnen im Iran, Themenpapier der schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 18. Oktober 2005 Seite 11). Insofern erscheinen auch die Ausführungen der Klägerin glaubhaft, dass ihr und ihrer Familie insbesondere die Aktivitäten von den iranischen Behörden zum Vorwurf gemacht werden, die sie im Rahmen der gemeinsamen kirchlichen Veranstaltungen ausgeübt haben, zumal auch die Beklagte in ihrem angefochtenen Bescheid davon ausgeht, dass der Vortrag zur Zusammenarbeit der drei verschiedenen christlichen Kirchen zutreffend ist. Des Weiteren hat auch das Auswärtige Amt in seiner Stellungnahme die Existenz der von der Klägerin und ihrer Familie benannten Kirchen bestätigt. Da die Klägerin missionarisch im Iran tätig war und ihre Familie bereits wegen dem Vorwurf missionarischer Tätigkeit in das Blickfeld der iranischen Behörden geraten war, ist die Kammer davon überzeugt, dass die Klägerin aufgrund ihrer Glaubenszugehörigkeit in ihrer Heimat - dem Iran - Verfolgung ausgesetzt war und ihr eine Rückkehr dorthin nicht möglich ist, da die Gefahr einer politischen Verfolgung auch weiterhin anhält. [...]