OVG Nordrhein-Westfalen

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Zitieren als:
OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 29.10.2010 - 9 A 3642/06.A - asyl.net: M17938
https://www.asyl.net/rsdb/M17938
Leitsatz:

Kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG. Es kann offen bleiben, ob im Irak und insbesondere der Heimatstadt des Klägers Kirkuk ein Bürgerkrieg und damit ein landesweiter oder auch nur regionaler bewaffneter Konflikt herrscht. Denn es fehlt an der erforderlichen Gefahrendichte: Unter Auswertung der Zahlen von getöteten Zivilisten je 100.000 Einwohner ist die Provinz Tamim unter Annahme einer Bevölkerungszahl von lediglich 0,9 Millionen mit 31,9 Toten im Jahr 2009 die gefährlichste unter den irakischen Provinzen. Die statistische Wahrscheinlichkeit, in Tamim Opfer eines tödlichen Anschlags zu werden, lag im Jahr 2009 bei ca. 1:3.100. Geht man davon aus, dass auf jede getötete Person etwa fünfmal so viele Verletzte kommen, ergibt sich für die Provinz Tamim eine statistische Wahrscheinlichkeit, Opfer ohne tödlichen Ausgang zu werden, von 1:625. Zusammengenommen lag im Jahr 2009 die Gefährdung, infolge stattfindender Kampfhandlungen in Leben oder körperlicher Unversehrtheit geschädigt zu werden, bei rund 1:520. Demnach hat der Grad willkürlicher Gewalt kein so hohes Niveau erreicht, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt ist.

Schlagwörter: Abschiebungsverbot, Irak, innerstaatlicher bewaffneter Konflikt, Gefährdungsdichte, erhebliche individuelle Gefahr, allgemeine Gefahr, subsidiärer Schutz, willkürliche Gewalt, extreme Gefahrenlage, Kirkuk, Tamim,
Normen: AufenthG § 60 Abs. 7 S. 2, RL 2004/83/EG Art. 4 Abs. 4, AufenthG § 60 Abs. 7 S. 1
Auszüge:

[...]

Ausgehend von diesen Grundsätzen besteht für die Kläger im Irak bzw. in Teilen hiervon keine erhebliche individuelle Gefahr für Leib oder Leben infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines bewaffneten Konflikts.

Ob die derzeitige Situation im Irak und insbesondere in Kirkuk, der Heimatstadt der Kläger, bereits die Annahme eines Bürgerkrieges und damit eines landesweit oder auch nur regional bestehenden bewaffneten Konflikts im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG zu rechtfertigen vermag, kann offen bleiben. Denn jedenfalls fehlt es an der geforderten erheblichen individuellen Gefahr für Leib und Leben der Kläger als Angehörige der Zivilbevölkerung.

Auf die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der Qualifikationsrichtlinie können sich die Kläger nicht berufen, auch wenn zu ihren Gunsten unterstellt wird, dass es am 2. Dezember 2000 zu dem von ihnen im Rahmen ihrer Anhörung geschilderten Vorfall im Wohnhaus der Eltern der Klägerin zu 1. gekommen ist. Es kann offen bleiben, ob die Kläger durch diesen Vorfall als bereits verfolgt anzusehen sind bzw. von Verfolgung oder einem ernsthaften Schaden unmittelbar bedroht waren. Jedenfalls fehlt es an dem inneren Zusammenhang zwischen dem – unterstellt – früher erlittenen Schaden und dem befürchteten künftigen Schaden. Die Verfolgungs- oder Schadenswiederholung liegt nicht nahe, da sich die Ausgangssituation nach dem Sturz des Regimes von Saddam Hussein und dem Einmarsch der Koalitionstruppen grundlegend geändert hat und überdies die geltend gemachte Verfolgungshandlung mit dem Schutzzweck des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG, dem Schutz vor Gefahren im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts, in keinem Zusammenhang steht.

Nach dem allgemeinen Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts liegen die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG nicht vor. Die von der angespannten Sicherheitslage im Irak ausgehende Gefährdung betrifft eine Vielzahl von Zivilpersonen und stellt damit eine Gefahr dar, der letztlich die gesamte Bevölkerung im Irak – vorbehaltlich ggf. der in den kurdischen Autonomiegebieten wohnenden Personen (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Irak: Die sozioökonomische Situation im Nordirak, Mai 2010, S. 1) – allgemein ausgesetzt ist. Die für den Schutzanspruch erforderliche erhebliche individuelle Gefahr kann aber erst dann bejaht werden, wenn sich allgemeine Gefahren des Konflikts mit der Folge einer ernsthaften persönlichen Betroffenheit aller Bewohner der maßgeblichen Region verdichten oder sich durch individuelle gefahrerhöhende Umstände zuspitzen. Solche individuellen gefahrerhöhenden Umstände können sich auch aus einer Gruppenzugehörigkeit ergeben. Dies setzt gleichwohl aber eine solche Gefahrendichte voraus, dass ein in sein Heimatland zurückkehrender Iraker ernsthaft befürchten muss, gezielt oder zufällig selbst Opfer eines Terroranschlages zu werden oder ansonsten infolge stattfindender Kampfhandlungen in seinem Leben oder seiner körperlichen Unversehrtheit geschädigt zu werden (vgl. zum Erfordernis der Gefahrendichte BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2008 – 10 C 43.07 -, a.a.O.; OVG NRW, Beschluss vom 21. März 2007 – 20 A 5164/04.A -, juris).

Vor diesem Hintergrund stellen sich die für die Situation im Irak und auch bezogen auf die Heimatstadt der Kläger typischen Selbstmordattentate und Bombenanschläge zwar als Akte willkürlicher Gewalt dar; allerdings lassen sich weder die für die Annahme einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib und Leben im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG erforderliche Gefahrendichte bzw. der erforderliche hohe Gefahrengrad feststellen, noch sind besondere in der Person der Kläger liegende, ihre persönliche Situation betreffende Umstände gegeben, die auf eine erhöhte Gefährdung im Verhältnis zu sonstigen Angehörigen der Zivilbevölkerung schließen ließen.

Nach dem Bericht des Auswärtigen Amts über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak vom 11. April 2010 ist zwar davon auszugehen, dass die Sicherheitslage im Irak nach wie vor verheerend ist. In den außerhalb der kurdischen Autonomiezone liegenden Gebieten des Nordirak steigt die Zahl der Anschläge und der Todesopfer. Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (Irak: Die aktuelle Entwicklung im Zentral- und Südirak, Stand 5. November 2009, S. 5) bezeichnet den Irak als grundlegend instabil. Besonders prekär ist die Lage in der Provinz Tamim mit der Hauptstadt Kirkuk (vgl. auch Bundesasylamt der Republik Österreich, 29. Dezember 2009). Die ehemalige Regierung unter Saddam Hussein führte in den 1990er Jahren eine aggressive Arabisierungspolitik in Kirkuk durch. Vor allem kurdische Gruppen versuchen seit dem Sturz des Regimes, diese Politik rückgängig zu machen, indem die arabische Bevölkerung zur Rückkehr in ihre ehemaligen Siedlungsgebiete aufgefordert wird und gezielt Kurden in Kirkuk angesiedelt werden. Diese Siedlungspolitik führt zu Spannungen in der Bevölkerung. Ein offener ethnischer Konflikt ist bisher nicht ausgebrochen, doch kommt es immer wieder zu Anschlägen in der gesamten Provinz (AA vom 11. April 2010, S. 16). Im Konflikt um den Status von Kirkuk kommt es zu Übergriffen und Anschlägen auf Kurden. Am 10. September 2009 tötete die Explosion eines sprengstoffbeladenen Lastwagens 27 Menschen in dem kurdischen Dorf Wardak. 43 weitere Personen wurden verletzt. Immer wieder richten sich Attacken gegen Kurden (AA vom 11. April 2010, S. 25).

Es ist aber auch in Anbetracht dieser Umstände nicht anzunehmen, dass die Gefahrendichte in Kirkuk so hoch ist, dass praktisch jede Zivilperson alleine aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre. Dies ergibt sich aus dem Verhältnis der ungefähren Größenordnung der Anschläge zur Gesamtgruppe der von den Anschlägen Betroffenen (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. April 2009 - 10 C 11.08 -, NVwZ 2009, 315).

Gemäß den von der britischen regierungsunabhängigen Organisation Iraq Body Count (wiedergegeben bei BAMF, Zur Gefährdung der Zivilbevölkerung durch bewaffnete Konflikte, Jan. 2010) erhobenen Daten ergibt sich folgendes Bild: Bezogen auf den Irak im Ganzen war 2009 mit 4.645 getöteten Zivilpersonen (2008: 9.217) das Jahr mit der niedrigsten Anzahl von Opfern seit dem Einmarsch der Koalitionsstreitkräfte im Jahr 2003. Bezogen auf die Provinz Tamim (zwischen 0,9 und 1,1 Millionen Einwohner) mit der Provinzhauptstadt Kirkuk (0,75 Mio. Einwohner) wurden für das Jahr 2008 98 Anschläge mit 265 getöteten Zivilpersonen und für das Jahr 2009 99 Anschläge mit 288 getöteten Zivilpersonen verzeichnet (Zahlen ermittelt aus Iraq Body Count Database/Incidents/Records). Unter Auswertung der Zahlen von getöteten Zivilisten je 100.000 Einwohner ist die Provinz Tamim unter Annahme einer Bevölkerungszahl von lediglich 0,9 Millionen mit 31,9 Toten im Jahr 2009 die gefährlichste unter den irakischen Provinzen (BAMF, Zur Gefährdung der Zivilbevölkerung durch bewaffnete Konflikte, Jan. 2010, S. 12). Die statistische Wahrscheinlichkeit, in Tamim Opfer eines tödlichen Anschlags zu werden, lag im Jahr 2009 bei ca. 1 : 3.100.

Ergänzend ist zu berücksichtigen, dass die festgestellten Vorfälle bzw. Anschläge teils in erheblichem Umfang zu Verletzten geführt haben. Das International Committee of the Red Cross schätzt die Zahl der landesweit monatlich Verletzten auf 2.000 (zitiert nach Schweizerische Flüchtlingshilfe, Irak: Die aktuelle Entwicklung im Zentral- und Südirak, Stand 5. November 2009, S. 5). Geht man mithin davon aus, dass auf jede getötete Person etwa fünfmal so viele Verletzte kommen, ergibt sich für die Provinz Tamim eine statistische Wahrscheinlichkeit, Opfer eines Anschlags ohne tödlichen Ausgang zu werden, von 1: 625.

Zusammengenommen lag im Jahr 2009 die Gefährdung, infolge stattfindender Kampfhandlungen in Leben oder körperlicher Unversehrtheit geschädigt zu werden, bei rund 1 : 520.

Nach diesen Erkenntnissen kann selbst unter Annahme eines innerstaatlichen oder internationalen Konflikts in der Provinz Tamim nicht davon ausgegangen werden, dass der diesen Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht hat, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dieser Region einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt ist. Für die Annahme, dass sich die Sicherheitslage im Jahr 2010 wesentlich verschärft hat oder künftig nochmals wesentlich verschärfen wird, gibt es keine gesicherten konkreten Anhaltspunkte. Mit dieser Beurteilung der tatsächlichen Verhältnisse befindet sich der Senat in grundsätzlicher Übereinstimmung mit der jüngeren Rechtsprechung anderer Oberverwaltungsgerichte (vgl. BayVGH, Urteil vom 21. Januar 2010 – 13a B 08.30304 -, juris (bezogen auf Kirkuk); Urteil vom 21. Januar 2010 – 13a B 08.30283 -, juris (bezogen auf Bagdad); Urteil vom 21. Januar 2010 – 13a B 08.30285 -, juris (bezogen auf Mosul); VGH Bad.-Württ., Urteil vom 25. März 2010 – A 2 S 364/09 -, juris (bezogen auf die Provinz Tamim); Beschluss vom 12. August 2010 – A 2 S 1134/10 – (bezogen auf den Zentralirak)).

Es ist auch nicht anzunehmen, dass sich die allgemeine Gefahr bei den Klägern durch individuelle gefahrerhöhende Umstände zuspitzt. Die Sicherheit der Gruppe der Heimkehrer hängt nach den Erkenntnissen des Auswärtigen Amts (Lagebericht vom 11. April 2010, S. 35) wesentlich davon ab, ob die Ethnie bzw. Glaubensgemeinschaft, welcher sie angehören, in der betreffenden Region die Mehrheit bildet. Da Kurden in Kirkuk (neben Arabern und Turkmenen), einem ethnischen Mischgebiet, mit 40% eine Hauptbevölkerungsgruppe darstellen (vgl. BAMF, Zur Gefährdung der Zivilbevölkerung durch bewaffnete Konflikte, Jan. 2010, S. 26), besteht keine Minderheitengefährdung.

Es liegen bei den Klägern auch keine individuellen gefahrerhöhenden Umstände wie die (jetzige) Zugehörigkeit zu einer politischen Partei sowie etwa zur Berufsgruppe der Journalisten und Professoren, Ärzte und Künstler vor (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2008 – 10 C 43.07 -, a.a.O.).

Besonderer Gefährdung sind des Weiteren die öffentlichen Personen des Wiederaufbaus ausgesetzt. Hierzu zählen Polizisten, Soldaten, Intellektuelle, alle Mitglieder der Regierung bzw. Repräsentanten des früheren Regimes, die inzwischen mit der neuen Regierung zusammenarbeiten (AA, Lagebericht vom 11. April 2010, S. 23; BAMF, Zur Gefährdung der Zivilbevölkerung durch bewaffnete Konflikte, Jan. 2010, S. 3; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Die aktuelle Entwicklung im Zentral- und Südirak, Stand 5. November 2009, S. 11 f.). Ihnen gilt der Schwerpunkt der Anschläge. Hierzu zählen jedoch weder die bereits im Jahr 2000 aus dem Irak ausgereisten Kläger noch der Ehemann der Klägerin zu 1., der sein Heimatland bereits im Jahr 1996 verlassen hat. Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Kläger heutzutage aufgrund der von der Klägerin zu 1. geschilderten Vorfälle am 2. Dezember 2000 gezielt in das Blickfeld von Attentätern geraten könnten. Es kann dahingestellt bleiben, ob es zutrifft, dass der Bruder der Klägerin zu 1. Mitglied der Partei von Saddam Hussein gewesen ist. Denn insoweit gibt die Erkenntnislage nichts dafür her, dass die Kläger selbst heutzutage einer erhöhten Verfolgungsgefahr ausgesetzt wären (vgl. AA, Lagebericht vom 11. April 2010, S. 23).

b) Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 und 3 AufenthG liegen nicht vor. Weder besteht für die Kläger bei einer Rückkehr in den Irak die für die Feststellung eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 2 AufenthG erforderliche konkrete Gefahr, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden, noch werden sie wegen einer Straftat gesucht (§ 60 Abs. 3 AufenthG).

c) Dass die Kläger gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG nicht in den Irak abgeschoben werden dürfen, weil sich ihre Abschiebung in Anwendung der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (BGBl 1952 II S. 685) – EMRK – als unzulässig erweist, ist nicht anzunehmen. Insbesondere sprechen ausgehend von der dargestellten Sachlage keine Anhaltspunkte dafür, dass die Kläger bei einer Rückkehr in den Irak landesweit mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK zu erwarten hätten.

d) Die Kläger haben schließlich keinen Anspruch auf die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Danach soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Ist – wie dargelegt – keine erhebliche konkret-individuelle Gefährdung der Kläger im Irak anzunehmen, sondern sind diese vielmehr, wie die Bevölkerung ihres Heimatlandes insgesamt oder zumindest einzelne Bevölkerungsgruppen, von einer allgemeinen Gefahrenlage betroffen, vermag eine allgemeine Gefahrenlage – unbeschadet einer ggf. bestehenden Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG – dann ein zwingendes Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu begründen, wenn es den Klägern mit Blick auf den verfassungsrechtlich unabdingbar gebotenen Schutz insbesondere des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit nicht zuzumuten wäre, in ihr Heimatland abgeschoben zu werden. Dies wäre dann der Fall, wenn sie im Irak einer extremen Gefahrenlage dergestalt ausgesetzt wären, dass sie im Falle ihrer Abschiebung dorthin gleichsam sehendes Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert sein würden (vgl. zu § 53 Abs. 6 AuslG a. F. BVerwG, Urteil vom 8. Dezember 1998 – 9 C 4.98 -, NVwZ 1999, 666, m.w.N.).

Dass die Kläger bei einer Rückkehr in den Irak aufgrund stattfindender Anschläge landesweit einer derart extremen Gefährdungslage ausgesetzt sein könnten, ist nach den obigen Ausführungen nicht feststellbar. Dafür dass die Klägerin zu 1. bei einer Rückkehr in den Irak aufgrund ihres Gesundheitszustands in eine Gefahr im oben bezeichneten Sinne geraten könnte, ist weder etwas dargelegt noch sonst ersichtlich. Die im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegte ärztliche Bescheinigung des Facharztes für Orthopädie Dr. ..., Köln, vom 23. August 2006 ist zeitlich überholt und gibt keine Aufschlüsse darüber, dass die Erkrankung selbst im Fall ihrer – unterstellten – Nichtbehandlung zu einer erheblichen konkreten Gefahr führen würde.

Im Ergebnis nichts anderes gilt auch im Hinblick auf die allgemeine Versorgungslage im Irak. Zwar wird darauf hingewiesen, dass das 1995 eingeführte System der Nahrungsmittelverteilung seit 2003 in einem immer schlechteren Zustand ist. Viele Menschen erhielten nicht die festgelegte Ration, und die Qualität der Nahrungsmittel sei oft minderwertig (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Irak: Die aktuelle Entwicklung im Zentral- und Südirak, S. 16). Konkrete Anhaltspunkte für eine drohende Nahrungsmittelknappheit oder gar eine Hungerkatastrophe bestehen gleichwohl nicht, zumal internationale Hilfsgelder gezahlt werden und das Handelsministerium Nahrungsmittel verteilen lässt (AA, Lagebericht vom 11. April 2010, S 33 f.). [...]