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VG Frankfurt a.M.

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Zitieren als:
VG Frankfurt a.M., Beschluss vom 02.11.2010 - 7 L 4054/10.F.A - asyl.net: M17803
https://www.asyl.net/rsdb/M17803
Leitsatz:

Aussetzung der Vollziehung eines Dublin-Bescheids, da dieser mangels Bekanntgabe noch nicht wirksam geworden ist. Zwar nach dem Gesetzeswortlaut einem Ausländer, der durch einen Bevollmächtigten vertreten wird, die Entscheidung lediglich zugeleitet werden. Diese Obliegenheit der Behörde, die nach Auslegung des Wortlauts einen Ermessensspielraum vorsieht, ist allerdings im Lichte von § 8 Abs. 1 Satz 2 VwZuG auszulegen, wonach Entscheidungen an Bevollmächtigte zwingend zuzustellen sind, wenn eine schriftliche Vollmacht auf den Bevollmächtigten vorgelegt wurde.

Dies hindert das BAMF nicht, diese erforderliche Rechtshandlung nachzuholen. Hierbei wird es jedoch zu beachten haben, dass es der behördlichen Befugnis, Rechtsverhältnisse einseitig durch Verwaltungsakt zu regeln, eigen ist, dass die Rechtsschutzgewähr, die durch Art. 19 Abs. 4 GG ihren Ausdruck gefunden hat, dadurch gewährleistet ist, dass die Zeitspanne zwischen der ordnungsgemäßen Zustellung und mithin Bekanntgabe des belastenden Verwaltungsakts und der Möglichkeit, hiergegen gerichtlichen Rechtsschutz zu erlangen, ausreichend bemessen ist, um tatsächlich Rechtsschutz zu erlangen.

Schlagwörter: Dublin II-VO, Dublinverfahren, vorläufiger Rechtsschutz, Frankreich, Flughafenverfahren, Schengen-Visum, alleinstehende Frauen, Afghanistan, Bundespolizei, Zurückweisung, Zustellung, Zustellungsmangel, Bekanntgabe, Rechtsweggarantie
Normen: AsylVfG § 27a, AsylVfG § 18 Abs. 2 Nr. 2, AufenthG § 15 Abs. 1, VwGO § 123, AsylVfG § 31 Abs. 1, VwZuG § 8 Abs. 1 S. 2, GG Art. 19 Abs. 4
Auszüge:

[...]

Der Antrag ist zulässig und im tenorierten Umfang auch begründet.

Der Antrag war sinngemäß dahingehend auszulegen, dass der Antragsgegnerin vorläufig zu untersagen ist, den Bescheid vom 21.10.2010, in welchem die Abschiebung der Antragstellerin in die Republik Frankreich verfügt worden ist, durch die Bundespolizei vollziehen zu lassen. Dieses Rechtsschutzziel sieht das Gericht durch die Aussetzung der Vollziehung der Abschiebung der Antragstellerin, die für den 08.11.2010 angekündigt worden ist, als hinreichend gewährleistet, aber auch als notwendig an.

Diese Anordnung beruht auf § 123 Abs. 1 VwGO, nachdem das Gericht auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen kann, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des Zustands die Verwirklichung eines Rechts eines Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert wird oder diese Anordnung aus anderen Gründen notwendig erscheint. Diese Sachlage ist vorliegend gegeben, weil die Antragstellerin sich wegen des angekündigten Vollzugs der Abschiebungsanordnung der Antragsgegnerin bereits am 08.11.2010 auf einen Anordnungsgrund berufen kann und die Vollziehung dieser Abschiebungsanordnung durch die Bundespolizei allein auf der rechtlichen Grundlage der Entscheidung der Antragsgegnerin, die sie mit Bescheid vom 21.10.2010 getroffen hat, ergehen kann.

Die Antragstellerin hat einen Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland gestellt, für den - nach Ansicht der Antragsgegnerin - die Republik Frankreich im Rahmen der Dublin II-Verordnung zuständig ist. Voraussetzung für den Vollzug dieser Abschiebungsanordnung durch gesonderte Vollzugshandlung der Bundespolizei ist aber, dass die Antragsgegnerin hinsichtlich des gestellten Asylantrages eine Abschiebungsanordnung unter Nennung des zuständigen Staates gemäß § 34a i.V.m. § 27a AsylVfG erlässt. Aus den Akten ist ersichtlich, dass die Antragsgegnerin eine entsprechende Entscheidung bereits getroffen hat.

Dieser Bescheid vom 21.10.2010 ist jedoch mangels einer nach § 41 Abs. 1 VwVfG erforderlichen Bekanntgabe noch nicht erlassen, obgleich es sich seinem Rechtscharakter nach um einen Verwaltungsakt i.S.d. § 35 Satz 1 VwVfG handelt (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl. 2008, § 41 Rn. 17). Mangels Bekanntgabe ist dieser Verwaltungsakt vorliegend demnach noch nicht wirksam geworden, so dass er nicht vollzogen werden kann.

Die Bekanntgabe dieses Bescheides ist für seine Wirksamkeit notwendig. Die Bekanntgabe ist an den Bevollmächtigten der Antragstellerin gemäß § 31 Abs. 1 Satz 6 AsylVfG bekannt zu geben. Zwar spricht der Gesetzeswortlaut davon, dass einem Ausländer, der durch einen Bevollmächtigten vertreten wird, diese Entscheidung lediglich zugeleitet werden soll. Diese Obliegenheit der Behörde, die nach Auslegung des Wortlautes einen Ermessensspielraum vorsieht, ist allerdings im Lichte des § 8 Abs. 1 Satz 2 VwZuG auszulegen, wonach Entscheidungen an Bevollmächtigte zwingend zuzustellen sind, wenn eine schriftliche Vollmacht auf den Bevollmächtigten ausgestellt ist und diese schriftliche Vollmacht im Verfahren vorgelegt wurde (für viele: Hess. VGH, Urt. v. 24.04.2008 - 8 UE 2021/06.A). Vorliegend ist festzustellen, dass der Bevollmächtigte der Antragstellerin bereits am 30.08.2010 eine schriftliche, auf ihn ausgestellte Vollmacht zu den Akten gereicht hat und sich aus den beigezogenen Behördenakten nicht ergibt, dass der Bescheid vom 21.10.2010 an den Bevollmächtigten zugesandt, geschweige denn zugestellt wurde. Mithin fehlt es an der Wirksamkeitsvoraussetzung für den Vollzug aus diesem Bescheid.

Dies hindert freilich die Antragsgegnerin nicht, diese erforderliche Rechtshandlung noch nachzuholen. Hierbei wird sie zu beachten haben, dass es der behördlichen Befugnis, Rechtsverhältnisse einseitig durch Verwaltungsakt zu regeln, eigen ist, dass die Rechtsschutzgewähr, die durch Art. 19 Abs. 4 GG ihren Ausdruck gefunden hat, dadurch gewährleistet ist, dass die Zeitspanne zwischen der ordnungsgemäßen Zustellung und mithin Bekanntgabe des belastenden Verwaltungsaktes und der Möglichkeit, hiergegen gerichtlichen Rechtsschutz zu erlangen, ausreichend bemessen ist, um hierdurch tatsächlich Rechtsschutz zu erlangen (vgl. zu dieser Problematik: BVerwG, Urt. v. 20.11.2008 - 3 C 13.08 -). [...]