BVerwG

Merkliste
Zitieren als:
BVerwG, Urteil vom 22.01.2002 - 1 C 6.01 - asyl.net: M1779
https://www.asyl.net/rsdb/M1779
Leitsatz:

Sämtliche Voraussetzungen des § 24 Abs. 1 AuslG müssen im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz vorliegen; auch der ununterbrochene Besitz einer Aufenthaltserlaubnis seit mindestens fünf Jahren muss fortdauern; dem stehen Zeiten gleich, in denen der Ausländer einen Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis hatte, was das Gericht inzident zu prüfen hat; Zeiten der Erlaubnisfiktion gem. § 69 Abs. 3 AuslG zählen nur, wenn dem Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung stattgegeben worden ist; mit Bestandskraft der ablehnenden Entscheidung entfällt rückwirkend die Erlaubnisfiktion.(Leitsatz der Redaktion)

Schlagwörter: D (A), Unbefristete Aufenthaltserlaubnis, Deutschverheiratung, Getrenntleben, Täuschung, eheliche Lebensgemeinschaft, Ausweisungsgründe, Straftat, Ununterbrochener Aufenthalt, Rechtmäßiger Aufenthalt, Verlängerungsantrag, Fiktionswirkung, Erlaubnisfiktion
Normen: AuslG § 24 Abs. 1; AuslG § 19 Abs. 1; AuslG § 69 Abs. 3
Auszüge:

Die Revision ist nicht begründet. Die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, die tatbestandlichen Voraussetzungen des Anspruchs auf eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis nach § 24 Abs. 1 AuslG müssten schon bei Ablauf der zu verlängernden Aufenthaltserlaubnis - und nicht erst im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung der Tatsacheninstanz - vorliegen, steht zwar mit Bundesrecht nicht in Einklang. Die angefochtene Entscheidung stellt sich aber gleichwohl aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO).

Der Anspruch auf unbefristete Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach § 24 Abs. 1 AuslG setzt allerdings, wie der Verwaltungsgerichtshof ausführt, typischerweise voraus, "dass die (bisherige) befristete Aufenthaltserlaubnis lückenlos in eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis übergeleitet werden kann" (UA S. 17 unter Hinweis auf Renner, Ausländerrecht, 7. Aufl., § 13 AuslG Rn. 10). Das ergibt sich aus dem Regelungssystem der §§ 5, 15 ff. und 24 ff. AuslG, die erkennbar eine abgestufte Verfestigung des Aufenthalts vorsehen. Daraus erschließen sich Sinn und Zweck des Instituts der unbefristeten Aufenthaltserlaubnis, die an den ununterbrochen legalen Aufenthalt (dokumentiert durch den Besitz eines Aufenthaltstitels) anknüpft und diesen - zugleich als letzte Vorstufe zur Erlangung einer unbeschränkten Aufenthaltsberechtigung nach § 27 AuslG - weiter verfestigt. Jede Unterbrechung des legalen Aufenthalts unterbricht deshalb zugleich die nach § 24 Abs. 1 Nr.1 AuslG erforderliche Zeit des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis (vgl. das Urteil vom 24. Mai 1995 - BVerwG 1. C 7.94 - BVerwGE 98, 313, 320).

Davon ist auch das Berufungsgericht zutreffend ausgegangen; es hat daraus lediglich zu weitgehende Schlüsse im Hinblick auf den - nach materiellem Recht zu bestimmenden (vgl. etwa Urteil vom 3. November 1987 - BVerwG 9 C 254.86 - BVerwGE 78, 243, 244 m.w.N.) - entscheidungserheblichen Zeitpunkt gezogen.Um die ratio legis des § 24 Abs. 1 Nr. 1 AuslG zur Geltung zu bringen, reicht es einerseits aus - und ist es andererseits aber auch erforderlich -, dass der ununterbrochene Besitz einer Aufenthaltserlaubnis "seit fünf Jahren" im (entscheidungserheblichen) Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht andauert. Entgegen der Auffassung der Revision ist es unerheblich, dass die Klägerin zu einem anderen Zeitpunkt (in der Zeit bis zum 5. Oktober 1994) bereits einmal fünf Jahre lang eine Aufenthaltserlaubnis besessen hatte. Denn es genügt nicht, dass der Ausländer "irgendwann einmal oder grundsätzlich die für fünf Jahre verlangten Bedingungen erfüllt" (Urteil vom 24. Mai 1995 a.a.O.). Ebenso müssen die übrigen Anspruchsvoraussetzungen des § 24 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 AuslG zum maßgeblichen Zeitpunkt vorliegen, damit die begehrte Verpflichtung ausgesprochen werden kann. Auch insoweit reicht es nicht aus, dass - worauf die Auffassung der Revision hinauslauft - die einzelnen Anspruchsvoraussetzungen des § 24 Abs. 1 AuslG zu unterschiedlichen Zeitpunkten während des Verfahrens "irgendwann einmal" vorgelegen haben.

Nur wenn alle Anspruchsvoraussetzungen gleichzeitig und kumulativ vorliegen, besteht ein Rechtsanspruch auf die Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis.

Ein Anspruch auf unbefristete Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach § 24 Abs. 1 AuslG stand der Klägerin zum Zeitpunkt des Ablaufs der Geltungsdauer der ihr zuletzt erteilten Aufenthaltserlaubnis nicht zu, weil jedenfalls damals in ihrer Person ein Ausweisungsgrund vorlag (§ 24 Abs. 1 Nr. 6 AuslG).

Auch aus der so genannten Fiktionswirkung des im September 1994 rechtzeitig gestellten Antrags auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis (§ 69 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 AuslG) kann die Klägerin für ein Aufenthaltsrecht nichts herleiten. Denn zum einen gilt diese nur bis zur Ablehnung eines Verlängerungsantrags. Zum anderen entfaltet sie ihre Rechtsfolgen nur vorläufig (vgl. Urteil vom 1. Februar 2000 - BVerwG 1 C 14.99 - Buchholz 402.240 § 69 AuslG Nr. 5; Beschluss vom 5. Mai 1997 - BVerwG 1 B 84.97 - <juris>; Beschluss vom 18. Mai 1982 - BVerwG 1 B 44.82 - Buchholz 402.24 § 2 AuslG Nr. 35). Wird die ablehnende Entscheidung später aufgehoben, kann die Fiktionswirkung zwar erneut (und rückwirkend) eintreten (vgl. Beschluss vom 4. Februar 1998 - BVerwG 1 B 9.98 - Buchholz 402.240 § 8 AuslG 1990 Nr. 15; Urteil vom 27. Februar 1996 - BVerwG 1 C 41.93 - BVerwGE 100, 287, 297). Dies ist aber endgültig ausgeschlossen, wenn die Versagungsentscheidung unanfechtbar bestätigt wird. Dann steht - ebenfalls rückwirkend - fest, dass der Aufenthalt von Anfang an nicht erlaubnisfähig und lediglich vorübergehend fiktiv legal gewesen ist. Eine darüber hinausgehende Legalisierung, wie sie die Klägerin der Sache nach geltend macht, können weder der Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach § 69 Abs. 3 AuslG noch der Suspensiveffekt von Rechtsmitteln gegen dessen Ablehnung (wie hier infolge der Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage durch den Verwaltungsgerichtshof) bewirken. Namentlich können sie den in § 24 Abs. 1 Nr.1 AuslG vorausgesetzten Aufenthaltstitel oder gerichtlich festgestellten Rechtsanspruch hierauf nicht ersetzen (vgl. Beschluss vom 21. Oktober 1996 - BVerwG 1 B 113.96 - Buchholz 402.240 § 29 AuslG 1990 Nr. 1).