OVG Bremen

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Zitieren als:
OVG Bremen, Beschluss vom 17.09.2010 - 1 B 169/10 - asyl.net: M17755
https://www.asyl.net/rsdb/M17755
Leitsatz:

Zur Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke des Studiums: Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit kann es gebieten, auch bei Überschreitung der Studiendauer einen weiteren Aufenthalt zu gewähren, wenn z.B. eine deutliche Veränderung des Studienverhaltens die Erwartung begründet, dass das Studium nunmehr in einem überschaubaren Zeitraum abgeschlossen werden kann.

Schlagwörter: Aufenthaltserlaubnis, Verlängerungsantrag, Studium, Informatik, vorläufiger Rechtsschutz, Suspensiveffekt, Abschiebungsandrohung, Verhältnismäßigkeit, Studiendauer, Sicherung des Lebensunterhalts, Verpflichtungserklärung
Normen: VwGO § 80 Abs. 5, AufenthG § 16 Abs. 1 S. 5
Auszüge:

[...]

Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Bei der in einem Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO gebotenen Interessenabwägung gelangt das Oberverwaltungsgericht zu dem Ergebnis, dass das Interesse des Antragstellers, von der Durchsetzung der gegen ihn ergangenen ausländerbehördlichen Verfügung verschont zu bleiben, das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung dieser Verfügung überwiegt. Denn nach derzeitigem Sachstand spricht einiges dafür, dass im Falle des Antragstellers die Voraussetzungen für eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis erfüllt sind.

Gemäß § 16 Abs. 1 Satz 5 AufenthG wird die zum Zwecke eines Studiums erteilte Aufenthaltserlaubnis verlängert, wenn der Aufenthaltszweck noch nicht erreicht ist und in einem angemessenen Zeitraum noch erreicht werden kann. Bei der Beurteilung der Frage, ob das Studienziel noch innerhalb eines angemessenen Zeitraums erreicht werden kann, ist zunächst die durchschnittliche Studiendauer in dem betreffenden Studiengang zuzüglich eines Aufschlags von 3 Semestern zugrunde zu legen (vgl. Nr. 16.1.1.6.1. AVV-AufenthG). Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit kann es weiter gebieten, je nach den Umständen des Einzelfalles auch bei Überschreitung dieser Studiendauer einen weiteren Aufenthalt zu ermöglichen (OVG Bremen, B. v. 30.06.2008 – 1 B 272/08). Das kann etwa der Fall sein, wenn ein - überlanges - Studium in seine Endphase getreten ist und ein ausländerbehördlich veranlasster Abbruch den bevorstehenden Studienabschluss vereiteln würde oder wenn eine deutliche Änderung des Studierverhaltens die Erwartung begründet, dass das Studium nunmehr in einem überschaubaren Zeitraum abgeschlossen werden kann (OVG Bremen, B. v. 24.05.2007 – 1 B 112/07).

Im Falle des Antragstellers liegen nach derzeitigem Sachstand konkrete Anhaltspunkte für eine deutliche Änderung des bisherigen Studierverhaltens vor. Falls der Antragsteller seine zuletzt gezeigten Studienanstrengungen fortsetzt, könnte er sein Studienziel noch innerhalb eines angemessenen Zeitraums erreichen. [...]

Danach könnte er nach derzeitigem Sachstand sein Studium bis zum Wintersemester 2012/13 abschließen. Er wäre dann im 16. Semester. Mit Rücksicht auf die tatsächliche Studiendauer in dem Studiengang sowie die besonderen Umstände des Falles – das heißt die jetzt gezeigten ganz erheblichen Anstrengungen – wäre der Zeitraum, innerhalb dessen das Studienziel erreicht werden könnte, noch angemessen.

Öffentliche Leistungen zur Sicherung seines Lebensunterhalts hat der Antragsteller in der Vergangenheit nicht in Anspruch genommen. Nach der vorgelegten Verpflichtungserklärung wird er diese auch zukünftig nicht in Anspruch nehmen müssen. [...]