VG Düsseldorf

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Zitieren als:
VG Düsseldorf, Beschluss vom 08.01.2010 - 5 L 2020/09.A - asyl.net: M17751
https://www.asyl.net/rsdb/M17751
Leitsatz:

Kein Eilrechtsschutz gegen Dublin-Überstellung nach erfolgter Abschiebung nach Griechenland, Rückkehr und Stellung eines Asylfolgeantrags, da keine neue Sachlage vorliegt. Die Situation für Asylbewerber in Griechenland ist nicht erst nach Abschluss des Asylerstverfahrens problematisch geworden.

Schlagwörter: Dublin II-VO, Dublinverfahren, vorläufiger Rechtsschutz, Griechenland, einstweilige Anordnung, Asylfolgeantrag, Zurückschiebung, Mitteilung, Selbsteintritt, subjektives Recht, Krankheit, Änderung der Sachlage
Normen: AsylVfG § 71 Abs. 5 S. 1, AsylVfG § 71 Abs. 6, AufenthG § 57, VwGO § 123 Abs. 1, VO 343/2003 Art. 3 Abs. 2, GG Art. 6 Abs. 1, GG Art. 2 Abs. 2 S. 1, VwVfG § 51 Abs. 1 Nr. 1
Auszüge:

[...]

Der Antragsteller ist, nachdem er aufgrund der in dem Bundesamtsbescheid vom 26. März 2009 enthaltenen, mittlerweile in Bestandskraft erwachsenen Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylVfG bereits im August 2009 nach Griechenland abgeschoben worden ist, im November 2009 wieder in die Bundesrepublik Deutschland eingereist und hat am 1. Dezember 2009 einen Asylfolgeantrag gestellt. Einer erneuten Abschiebungsandrohung bedarf es daher nach der Vorschrift des § 71 Abs. 5 Satz 1 AsylVfG, die gemäß § 71 Abs. 6 S. 1 AsylVfG auch dann gilt, wenn der Asylbewerber – wie hier – zwischenzeitlich das Bundesgebiet verlassen hatte, nicht. Nach § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylVfG darf die Ausländerbehörde in dieser Situation den Schutzsuchenden grundsätzlich erst dann abschieben, wenn eine Mitteilung des Bundesamtes vorliegt, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 - 3 VwVfG nicht bestehen und der Asylfolgeantrag demgemäß keinen Erfolg hat. Ist der Ausländer indes - wie hier - unerlaubt aus einem sicheren Drittstaat im Sinne des § 26a AsylVfG wieder eingereist, kann er gemäß § 71 Abs. 6 S. 2 AsylVfG nach § 57 AufenthG dorthin zurückgeschoben werden, ohne dass es der vorherigen Mitteilung des Bundesamtes bedarf.

Seine Abschiebung kann der Antragsteller somit prozessual nur dadurch erreichen, dass er, wie durch ihn beantragt, im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO eine Verpflichtung der Antragsgegnerin erstreitet, Vollzugsmaßnahmen vorläufig zu unterlassen bzw. eine Erklärung gegenüber der Ausländerbehörde abzugeben, dass seine Abschiebung nach Griechenland vorläufig nicht durchgeführt werden darf. Darauf, ob der Zulässigkeit eines solchen Antrags hier nicht schon die Vorschrift des § 34 a Abs. 2 AsylVfG entgegensteht, wonach die vorläufige Untersagung der Abschiebung nach § 123 VwGO in den nach der EG Verordnung 343/2003 (Dublin-II-VO) für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (hier: Griechenland) ausgeschlossen ist oder ob hier angesichts der von den Beteiligen angesprochenen problematischen Verhältnisse für Asylbewerber in Griechenland ein Sonderfall gegeben ist, der es rechtfertigt ein vorläufiges Rechtsschutzgesuch ausnahmsweise für zulässig zu erachten (vgl. hierzu: BVerfG, Beschluss vom 8. September 2009 - 2 BvQ 56/09 - juris, OVG NRW, Beschluss vom 7. Oktober 2009 - 8 B 1433/09.A -, juris, Verwaltungsgericht Düsseldorf, Beschluss vom 8. Dezember 2009 . 13 L 1840/09.A -, ähnlich: Verwaltungsgericht Gießen, Beschluss vom 25. April 2008 - 2 L 201/08.GI.A -, juris; Verwaltungsgericht Weimar, Beschluss vom 24. Juli 2008 - 5 E 20094/08 We -, juris; Verwaltungsgericht Frankfurt/Main, Beschluss vom 11. Januar 2008 - 7 G 3911/07.A -, juris, hinsichtlich der Richtlinie 2005/85/EG, a.A. VG Düsseldorf, Beschluss vom 24. Oktober 2008 - 16 L 1657/08.A), kann vorliegend dahinstehen, weil der Antrag jedenfalls unbegründet ist. Zwar kann der Antragsteller aufgrund einer möglicherweise bald zu erwartenden Abschiebung den Anordnungsgrund der Verhinderung wesentlicher Nachteile für sich in Anspruch nehmen (vgl. § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO), es fehlt jedoch aus den nachstehenden Gründen an einem Anordnungsanspruch. Ein Asylbewerber, für dessen Asylantrag nach Maßgabe der Dublin-II-VO ein anderer Staat zuständig ist, hat zwar gegenüber dem Bundesamt einen Anspruch darauf, dass dieses von der ihm in Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO eingeräumten Möglichkeit des Selbsteintrittsrechts ermessensfehlerfrei Gebrauch macht. Als unmittelbar geltendes Gemeinschaftsrecht bildet die Verordnung eine geeignete Grundlage für die Begründung subjektiver Rechte. Ob Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO Ausländern grundsätzlich ein Recht auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Ausübung des Selbsteintrittsrechts gewährt (Gemeinschaftskommentar zum Asylverfahrensgesetz, § 27a Rdn. 135; Marx, Asylverfahrensgesetz, § 29 Rdn. 51), kann an dieser Stelle offen bleiben. Jedenfalls besteht ein solcher Anspruch dann, wenn die Entscheidung durch nationales Verfassungsrecht, wie z.B. durch Art. 6 Abs. 1 GG, durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG im Falle einer behandlungsbedürftigen Krankheit oder - wie hier - durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG im Hinblick auf den unzureichenden Zugang zum Asylverfahren und die mangelnde Sicherstellung des Lebensunterhalts im Drittstaat geprägt (VG Düsseldorf, Beschluss vom 8. Dezember 2009, a.a.O.).

Vorliegend hat das Bundesamt indes mit dem im Erstverfahren ergangenen Bescheid vom 26. März 2009 aufgrund entsprechender Prüfung einen Selbsteintritt nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO bereits abgelehnt und diese Entscheidung ist in Bestandskraft erwachsen.

Der Antragsteller hat schließlich auch nicht im Hinblick auf seinen Folgeantrag einen Anspruch auf die Durchführung eines neuen Asylverfahrens und damit einen Anspruch auf eine erneute ermessensfehlerfreie Entscheidung des Bundesamtes über einen Selbsteintritt im Sinne von Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO. Denn nach § 71 Abs. 1 S. 1 AsylVfG ist ein neues Asylverfahren nur dann durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen. Dies ist hier aber nicht der Fall. Insbesondere ist nichts dafür ersichtlich, dass seit der Bestandskraft des im Erstverfahren ergangenen Bescheides vom 26. März 2009 eine neue Sachlage im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG dadurch eingetreten wäre, dass die Situation für Asylbewerber in Griechenland erst nach dem Abschluss des Asylerstverfahrens problematisch geworden wäre. Solch problematische Verhältnisse bestanden vielmehr schon vorher, was durch mehrere Verwaltungsgerichte aufgrund der Auswertung entsprechender Erkenntnisse festgestellt worden ist (vgl. hierzu im Einzelnen nur, VG Düsseldorf, Beschluss vom 22. Dezember 2008 - 13 L 1993/08.A - VG Gießen, Beschluss vom 25. April 2008 - 2 L 201/08.GI.A - juris -). [...]