BVerfG

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Zitieren als:
BVerfG, Beschluss vom 07.10.2010 - 1 BvR 2509/10 - asyl.net: M17713
https://www.asyl.net/rsdb/M17713
Leitsatz:

Einstweilige Anordnung im Vaterschaftsanfechtungsverfahren der Bezirksregierung Arnsberg gegen die Einholung eines Abstammungsgutachtens vor Feststellung einer sozial-familiären Vater-Kind-Beziehung.

Schlagwörter: Vaterschaftsanfechtung, Vaterschaftsanerkennung, Abstammungsgutachten, deutsches Kind, vorläufiger Rechtsschutz, einstweilige Anordnung, Verfassungsbeschwerde, Serbien, Schweden, sozial-familiäre Beziehung, Elternrecht, Ermessen, körperlicher Eingriff,
Normen: ZPO § 372a, StAG § 4 Abs. 1, AufenthG § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, FamFG § 175 Abs. 1, BGB § 1600 Abs. 3, GG Art. 6, BVerfGG § 32,
Auszüge:

[...]

1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat Erfolg.

a) Nach § 32 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Dabei haben die Gründe, die für die Verfassungswidrigkeit der angegriffenen Entscheidung vorgetragen werden, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben, es sei denn, der in der Hauptsache gestellte Antrag ist insgesamt unzulässig oder offensichtlich unbegründet. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens muss das Bundesverfassungsgericht die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, die Verfassungsbeschwerde indes Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen abwägen, die entstünden, wenn die angegriffene Regelung nicht erginge (vgl. BVerfGE 91,320 326>; stRspr). Wegen der meist weittragenden Folgen, die eine einstweilige Anordnung in einem verfassungsgerichtlichen Verfahren auslöst, ist bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 BVerfGG ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. BVerfGE 87, 107 111>; stRspr). lm Zuge der nach § 32 Abs. 1 BVerfGG gebotenen Folgenabwägung legt das Bundesverfassungsgericht seiner Entscheidung in aller Regel die Tatsachenfeststellungen und Tatsachenwürdigungen in den angegriffenen Entscheidungen zugrunde (vgl. hierzu etwa BVerfGE 34, 211 216>;36, 37 40>).

b) Die erhobene Verfassungsbeschwerde erweist sich weder als offensichtlich unzulässig noch als offensichtlich unbegründet.

Die danach gebotene Folgenabwägung ergibt, dass die Nachteile, die dem Beschwerdeführer im Falle der Ablehnung des Erlasses der begehrten einstweiligen Anordnung drohen, gewichtiger als die Nachteile sind, die im Falle der Stattgabe entstehen könnten.

Erginge die beantragte einstweilige Anordnung nicht und erwiese sich die Verfassungsbeschwerde im Hauptsacheverfahren als begründet, würde dies dazu führen, dass der Beschwerdeführer unter Verstoß gegen sein Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG einen körperlichen Eingriff dulden müsste, die vom Ausgangsgericht für erforderlich gehaltene Abstammungsuntersuchung zu dem Ergebnis kommen könnte, dass das Kind nicht vom Beschwerdeführer abstammt, und dazu, dass die rechtliche Beziehung des Beschwerdeführers zu dem Kind aufgehoben sowie seine eventuell bestehende soziale Beziehung zu diesem dadurch gestört werden könnte.

Demgegenüber führt der Erlass der einstweiligen Anordnung für den Fall, dass sich die Verfassungsbeschwerde im Hauptsacheverfahren als unbegründet erweist, lediglich dazu, dass die für erforderlich gehaltene Abstammungsuntersuchung später erfolgen würde. [...]