VG Koblenz

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Zitieren als:
VG Koblenz, Beschluss vom 28.12.2009 - 1 L 1371/09.KO - asyl.net: M17668
https://www.asyl.net/rsdb/M17668
Leitsatz:

Kein Eilrechtsschutz gegen Dublin-Überstellung nach Schweden. Auch wenn die Entscheidungspraxis hinsichtlich einer Verfolgungsgefahr von Christen aus dem Irak in Schweden von jener in Deutschland abweicht, folgt daraus nicht die Verpflichtung zu einem Selbsteintritt Deutschlands. Ansonsten wäre Deutschland faktisch gehalten, die Asylpraxis in den EU-Staaten auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Eine derartige Kompetenz steht einem Mitgliedstaat nicht zu.

Schlagwörter: Dublin II-VO, Dublinverfahren, vorläufiger Rechtsschutz, Schweden, Refoulement, Irak, Christen, Selbsteintritt
Normen: AsylVfG § 27a, AsylVfG § 34a Abs. 2, VO 343/2003 Art. 3 Abs. 2
Auszüge:

[...]

Der Antrag gemäß § 123 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) auf Aussetzung von Maßnahmen zur Abschiebung des Antragstellers nach Schweden ist nicht zulässig, da ihm § 34 a Abs. 2 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) entgegensteht. [...]

Es ist auch nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin nicht von dem in ihrem Ermessen stehenden Selbsteintrittsrecht, das Asylbegehren des Antragstellers selbst zu prüfen (vgl. Art. 3 Abs. 2 Dublin II VO), Gebrauch gemacht hat. Ein solcher Anspruch eines Flüchtlings auf Selbsteintritt kann, wenn man ihn überhaupt anerkennt, aufgrund der Normsystematik allenfalls in Einzelfällen, d. h. bei einem Anknüpfungspunkt an die Person und besondere persönliche Verhältnisse des Flüchtlings, gegeben sein. Jedes andere Verständnis würde zu einer Umgehung der Vorgaben der Dublin II VO, mit dem bezweckt wird, einen "Asyltourismus" innerhalb der Staaten der Europäischen Gemeinschaft zu vermeiden, führen. Der Antragsteller hat keine individuellen Gründe vorgebracht, aus denen ein solches Selbsteintrittsrecht hergeleitet werden könnte. Insoweit macht er unter Hinweis auf Entscheidungen des VG Münster und des VG Schleswig lediglich geltend, dass die Entscheidungspraxis für Angehörige der christlichen Minderheit in Schweden eine andere als in der Bundesrepublik Deutschland sei. Aus abweichenden materiellen Bewertungen der Situation bestimmter Gruppen in einem Herkunftsland folgt nicht die Verpflichtung zu einem Selbsteintritt. Ansonsten wäre die Bundesrepublik Deutschland faktisch gehalten, die Asylpraxis in Staaten der Europäischen Gemeinschaft auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen. Eine derartige Kompetenz steht einem Mitgliedsstaat nicht zu. Ebenso wenig vermag der Umstand, dass der Antragsteller am 12. Juni 2009 angehört worden ist, eine solche Verpflichtung zu begründen. [...]